Halle-Domain: „Jemand muss die Initiative ergreifen“

Interview mit Wolfgang Kleinwächter über den Weg zu regionalen Internetendungen

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Wolfgang Kleinwächter ist emeritierter Professor für Internetpolitik und ICANN-Mitglied, Foto: privat

Wolfgang Kleinwächter ist der in technischen Internetfragen vielleicht einflussreichste Deutsche. Er ist Mitglied der ICANN, der Organisation, die über die Organsiation, Vergabe und das technische Management der Internetadressen wacht. Von 2013 bis 2015 war er einer der ICANN-Direktoren. [ds_preview] Die Frage von regionalisierte Top-Level-Domains wie .halle treibt ihn aber nicht nur als ICANN-Mann um, sondern auch als Ostdeutschen Wissenschaftler. Mit Kleinwächter, der emeritierter Professor der Uni Aarhus in Dänemark ist, aber auch vorübergehend an der Uni Halle gelehrt hat, sprach Felix Knothe

Herr Kleinwächter, Sie verfolgen seit langem die Idee eigener regionaler Internetendungen wie zum Beispiel „.halle“. Worin läge der Vorteil?
Domainnamen können Identität erzeugen, sie sind wie Grundbesitz im Internet. Welche Adresse man sich im Internet gibt, das strahlt man aus. Als Beispiel: „www.stadtverwaltung.halle“ oder „www.tischlerei-mueller.halle“ haben doch eine größere regionale Aussagekraft als normale .de-Adressen. Top-Level-Domains wie .halle oder .leipzig könnten also gerade für Akteure, die sich vor allem mit den jeweiligen Städten identifizieren, interessant sein, egal ob das Unternehmen, Behörden oder die Menschen, Vereine oder Initiativen aus der Zivilgesellschaft sind. Auch der Tourismus könnte profitieren. Hinzu kommt: Auf dem Markt der .de-Endungen wird es langsam eng, wie bei allen ursprünglichen Top-Level-Domains (TLD). Es wird für neue Seitenbetreiber immer schwerer, die Internetadresse zu bekommen, die sie wollen. Es gibt 350 Millionen Adressen, aber vier Milliarden Internetnutzer. Da ist also noch viel Potenzial, erst recht in Deutschland.

Berlin hat schon eine eigene Endung. Gibt es weitere Beispiele?
Ja, es gibt zum Beispiel .cologne für Köln, .nrw für Nordrhein-Westfalen oder .saar für die Saarregion. In der ersten Vergaberunde für neue TLDs, die die ICANN zwischen 2012 und 2015 veranstaltet hat, gab es aber keine regionalen Endungen aus Ostdeutschland. Mein Versuch, das hier zu initiieren, ist damals nicht auf sehr fruchtbaren Boden gefallen.

Wer kann sich denn überhaupt um so eine Adressendung bewerben und wie funktioniert der Verkauf an die einzelnen Seitenbetreiber dann?
Die ICANN vergibt grundsätzlich an jeden. Google hat damals zum Beispiel Endungen zu hunderten bestellt. Bei regionalen Domainendungen könnte sich idealerweise ein Konsortium bilden, das die Vergabe der Endung oder von mehreren Endungen bei der ICANN beantragt und diese dann selbst administriert. Für die sogenannten GEO-TLDs bedarf es aber eines Unterstzützungbriefes der jeweiligen zuständigen Verwaltung. Bei .hamburg hat z.B. der Hamburger Senat zugestimmt. Auch bei .nrw war es die Landesregierung. Der private Betreiber einer GEO-TLD findet dann mit der Stadtverwaltung ein für beide Seiten funktionierendes und nützliches Arrangement und finanziert sich durch den Weiterverkauf einzelner Domains mit diesen Endungen. Aber es muss erst einmal jemand die Initiative ergreifen, damit die Beantragung bei der ICANN organisiert werden kann.

Wer könnte das sein?
Das hängt von den Gegebenheiten in jeder Stadt ab. Das kann als Wirtschaftsförderung laufen oder als Bürgerinitiative. Das kann von Politik initiiert und begleitet werden oder von Wirtschaftsverbänden. Die Kosten für die Einrichtung einer Endung lagen in der ersten Runde bei 175.000 Dollar. Das war sehr viel und daran ist es bei unserem ersten Anlauf mit dem Projekt .leipzig auch gescheitert. Bei .hamburg, .berlin oder .cologne war das weniger ein Problem. In der zweiten Runde könnten die Bewerbungskosten aber niedriger liegen. Man muss auch das Rad nicht neu erfinden, sondern von den Erfahrungen, die in Deutschland in der ersten Runde gemacht wurden, lernen. Mit der Endung .berlin sind mittlerweile 60.000 Adressen verkauft. Die werden von einer Kommanditgesellschaft administriert, in der unter anderem Tourismusverband, Citymarketing oder die Handwerksinnungen mitmischen. Es läuft ganz gut.

So etwas stellen Sie sich auch für Halle vor?
Wenn Halle das sich zutraut, warum nicht? Damals war unsere Idee aber, es in ganz Mitteldeutschland aufzuziehen. Mehrere mitteldeutsche Städte könnten das Konsortium bilden, und dann gemeinsam mehrere Domainendungen erwerben und verwalten. Das würde Kräfte bündeln und Kosten sparen.

Wie ist der Zeitrahmen? Wann werden die neuen Domainendungen vergeben?
Berlin hat damals angefangen, drei Jahre bevor bei der ICANN überhaupt die Vorplanungen losgingen. Bis jetzt steht zwar noch nicht fest, wann die ICANN eine zweite Vergaberunde startet. Im Gespräch war 2018, aber das verschiebt sich möglicherweise bis 2020. Dann aber muss man auf der Matte stehen. In Mitteldeutschland gibt es derzeit aber soweit ich weiß keinerlei Initiative. Wer also die Idee solcher Stadtendungen gut findet, der sollte langsam loslaufen.

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