Falkenberg: „Auf Zwang reagiere ich allergisch, mit Unlust!“

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Die Städtische Zeitung braucht natürlich auch hallesche Menschengeschichten, Gespräche mit Hierigen, Machenden oder Bedächtigen. Denn diese Stadt hat viele Stimmen. Eine der auch außerhalb Halles vielgehörten Stimmen gehört zu Falkenberg, dem Künster der dereinst der dünne Sänger von Stern Meißen war, dann elektronisch-erfolgreich als IC, dann als IC Falkenberg und heute neu geschält als Liedpoet und Romantiker der inneren Rebellion die Bühnen des ganzen Landes bespielte und immer wieder bespielt. Volly Tanner sprach für die StäZ mit ihm über sein neues Album PIANOSA, Deutschpop aus der Industrieküche, Halle und Spargelschälweltmeisterschaften.

Falkenberg hat vor wenigen Wochen ein neues Album herausgebracht. Foto: Falkenberg

Du hast gerade ein neues Album auf die Welt gebracht – ein rein instrumentales Stück. Fehlen Dir die Worte?
Nein, ganz und gar nicht. Im Moment arbeite ich an den Texten zum nächsten Album, das im März 2018 erscheinen wird. So ein rein instrumentales Album zu produzieren, war ein langgehegter Wunsch. Deshalb fing ich vor etwa zwei Jahren an, Improvisationen am Klavier zu archivieren. Im Sommer dieses Jahres habe ich dann meine Konzertaktivitäten auf ein Minimum eingeschränkt und mich in mein Studio zurückgezogen. Das Album entstand am Stück, in einem Fluss. Es war am Anfang ein sehr schwieriges Arbeiten ohne das Wort als verlässliches, emotionales Fundament. Aber irgendwann begann ich der Musik zu vertrauen, ein befreiender Moment.[ds_preview]

Das Album PIANOSA ist Improvisation. Wie muss ich mir denn da den Produktionsprozess vorstellen? Hast Du einfach jedes Geklimper durch die Nächte hinweg aufgezeichnet und dann später bearbeitet?
Meine Musik entsteht ja häufig aus Ideen, die ganz zufällig über mich kommen, beim Soundcheck, bei den Proben oder einfach nur weil ein Klavier in der Nähe ist. Irgendwann wurde mir klar, dass ich diese Ideen und ihre Spontanität konservieren muss, um sie nicht zu vergessen, zu verlieren. Der planvolle Musikarbeiter war ich nie. Es gibt ja wirklich Kollegen, die das können, dieses „jetzt wird komponiert“. Auf Zwang reagiere ich allergisch, mit Unlust. Im Sommer hab ich dann sortiert und ausgewählt und meine favorisierten Improvisationen in Arrangements zu Ende gedacht.

Impro heißt ja auch, den Moment einzufangen – und besonders in der Musik, das Gefühl des Moments einzufangen. Was fühlst Du am Klavier?
Ja, genau. Zum Beispiel das Tempo dieses einen Moments, die Spielweise, die Rhythmisierung, auch der Klang des Instruments, gibt es ja nur im jeweiligen Jetzt. Ein altes Kneipenklavier hat eine andere Seele als ein Bösendorfer im Konzertsaal. Das alles kann man nicht aufschreiben. Ich nehme das auf. Die technischen Möglichkeiten sind unbegrenzt. Das Klavier ist für mich das perfekte Instrument. Es kann alle Facetten meines Gefühlsuniversums verwirklichen. Ich kann mich über mein Spiel emotional mitteilen und das gibt mir das Gefühl verstanden zu werden und wenn es nur das Instrument ist, das mich in diesem Moment versteht. Klingt kitschig, ist aber so.

Dein Output, besonders nach dem Zusammenbruch vor drei Jahren, wirkt bedächtiger, konkreter. Die Rastlosigkeit des Pop ist fast völlig verschwunden. Wie hat Dich Dein Zusammenbruch und die Zeit danach verändert?
Diese Episode und deren lange Nachwirkungen, die im Moment überwunden scheinen, haben mich nachhaltig beeinflusst. Ich bin mir nicht so sicher, ob das alles irgendetwas mit Pop zu tun hat. Ich glaube eher gar nicht. Letztendlich treibt einen doch die Angst vorm Versagen zu Verhaltensweisen, die das Versagen ja erst möglich machen. Ein tragischer Kreislauf der Dinge, aus dem man schwer entkommt. Die Angst vor dem Tod jedoch ist größer als die Angst zu versagen.

Was war da eigentlich ganz konkret vorgefallen?
Diese Frage kann ich nicht beantworten. Da fehlt mir ganz einfach der Hang zu dieser abstoßenden Art von Exhibitionismus, der alles an den Haaren durch die Öffentlichkeit zerrt, vom Foto der eigenen Kinder bis zu freundschaftlichen Konflikten, verzweifelte Versuche Aufmerksamkeit zu generieren. Dass es Menschen gibt, die in einem solchen Verhalten Authentizität zu entdecken glauben, zeigt letztendlich nur wie unreflektiert das gesellschaftliche Zusammenleben dahinvegetiert.

„Kunst und Industrie geht für mich einfach nicht zusammen. Die Verlogenheit widert mich an.“ Foto: Falkenberg

Du bist ein absoluter D.I.Y.-Artist. Label, Verlag, Vertrieb, Produktion, Texte und Musik – alles von Dir. Wie siehst Du die derzeitige Tendenz dass rund um Interpreten ganze Herden von Liedschaffenden wuseln, Texte im Team entstehen und die Musik ebenfalls fast schon industriell und in Serie entsteht? Berührt Dich das überhaupt?
Die Gedanken und Leben anderer zu singen würde ich mir selbst nicht abnehmen. Ich hab es vor vielen Jahren mal probiert, es hat sich nicht richtig angefühlt. Wahrscheinlich wäre mein künstlerisches Leben sehr viel einfacher verlaufen, wenn ich mich in der Mitte der Neunziger nicht von meinem letzten Industriedeal verabschiedet hätte. Für mich geht das einfach nicht zusammen, Kunst und Industrie. Der Industrie ist es ganz egal was sie herstellt, Waffen oder Musik, im Profit sieht das Ergebnis für die Konzerne doch gleich aus. Industriemusik folgt den Mechanismen und Gesetzen des Marktes. Wie inflationär in der Bewerbung dieser ganzen Künstlichkeit mittlerweile Begriffe wie „ehrlich“, „authentisch“ und „handgemacht“ benutzt werden, sagt doch nur, dass es genau das nicht ist. Ich meine das nicht wertend, aber die Verlogenheit um all das widert mich an.

Du lebst in Halle. Ist die Stadt gut für Dich? Ich meine von der Inspiration her? Vom Input? Oder braucht es Fluchten?
Halle ist gut für mich, die perfekte Homebase. Hier finde ich die Möglichkeit zum Rückzug. Inspiration finde ich ganz egal wo ich bin, so auch hier. Und die Fluchten organisieren sich ja selbst durch die Konzerte.

Und sonst so? Die Liebe? Die Haustiere? Die Spargelschälweltmeisterschaften? Wie lebst Du außerhalb der Kulturschaffe?
Sehr entspannt.

Das Cover von Falkenbergs neuem Album Pianosa

Falkenberg im Netz: www.falkenberg-musik.de

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Dirk Dirot
6 Jahre her

Sehr authentischer Typ, sehr wohltuend