Amtsblatt kommt nicht mehr nach Hause

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Auch ein Verbreitungsweg für offizielle Verlautbarungen: die Litfaßsäule mit dem Amtsblatt auf dem Marktplatz in Halle. (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Halles Einwohner werden sich in Zukunft das Amtsblatt der Stadtverwaltung wohl selbst vom Amt holen müssen. Denn das offizielle Mitteilungsorgan steht offenbar vor einer tiefgreifenden Reform, wie aus einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Ausschreibung hervorgeht. Darin geht es um den Druckauftrag für die Postille. Demnach sinkt die Auflage drastisch. Von derzeit rund 135.000 Exemplaren, die vom MZZ-Briefdienst im Auftrag der Stadt bisher noch an alle Haushalte der Stadt verteilt werden, auf 50.000 Exemplare, die nicht mehr verteilt werden sollen. In Zukunft könnte die Auflage sogar weiter auf gerade einmal 10.000 Exemplare abgeschmolzen werden. Zudem soll der digitale Verbreitungsweg für das Amtsblatt gestärkt werden. Hintergrund der Reform ist aber offenbar auch, dass die Zustellung durch den MZZ-Briefdienst oft nicht funktioniert hat. Zudem versucht Oberbürgermeister Bernd Wiegand, in dessen alleinigen Verantwortungsbereich die Reform fällt, offenbar, die Stadtratsfraktionen einmal mehr vorzuführen.[ds_preview]

MZ droht Großauftrag zu verlieren

Ein komplexes Feld also, aber der Reihe nach: Laut Ausschreibung, die auf der Internetseite der Stadt veröffentlicht wurde, liegt die neue Auflage bei 50.000 Exemplaren. Diese sollen an einen oder mehrere Zustellorte geliefert werden. Eine Verteilung an die Haushalte der Stadt, wie sie früher Bestandteil des Auftrags war, ist nicht mehr vorgesehen. Der alte Vertrag läuft noch bis März. Die Stadt bestätigte gegenüber der StäZ die Reformpläne. „Das Amtsblatt soll künftig kostenfrei an allen Verwaltungsstandorten und weiteren ausgewählten Standorten erhältlich sein“, so Stadtsprecher Drago Bock auf Anfrage. „Darüber hinaus wird es online zur Verfügung gestellt und kann im Abonnement / per E‑Mail bezogen werden.“ Es sei rechtlich zulässig, das Amtsblatt nicht mehr an alle Haushalte zu verteilen und es stattdessen „in ausreichender Stückzahl auszulegen“, so Bock.

Nach StäZ-Informationen reagiert die Stadt mit der Neuausschreibung auch auf eine zuvor gescheiterte Ausschreibung vom Dezember 2019. Darin war noch die frühere 135.000er Auflage und die Verteilung an die Haushalte vorgesehen. Alles sollte also zunächst eigentlich beim Alten bleiben. Es seien zwei Angebote eingegangen, so Bock. Nach StäZ-Informationen hatte sich auch die Mediengruppe der Mitteldeutschen Zeitung wieder beworben, die den Auftrag bereits bisher für die Stadt erledigt. Sie verfügt über eine leistungsfähige Druckerei, Kapazitäten zum Einwerben von Anzeigen, die der Auftragnehmer der Stadt für das Amtsblatt selbst akquirieren kann, sowie über den MZZ-Briefdienst als Verteiler an die Haushalte.

Für 2019 waren im städtischen Haushalt 192.000 Euro für Druck und Verteilung des Amtsblatts veranschlagt. Doch wird die MZ in Zukunft auf diesen Auftrag wohl verzichten beziehungsweise drastische Einbußen in Kauf nehmen müssen. Denn die Dezember-Ausschreibung habe, so Sprecher Bock, „kein wirtschaftliches Ergebnis gebracht“ und sei daher aufgehoben worden. Das MZ-Angebot war also aus Sicht der Stadt zu teuer. Bock bestätigte zudem indirekt, dass die anhaltenden Debatten um die fehlerhafte Zuverlässigkeit des MZZ-Briefdienstes zu der Entscheidung beigetragen haben: „Die Stadt reagiert auf die Entwicklung, dass eine flächendeckende Zustellung nicht sicher gewährleistet werden konnte“, sagte Bock auf eine entsprechende StäZ-Frage. Auch daher die Neuausschreibung. Für einen reinen 50.000er Druckauftrag ohne Verteilung an die Haushalte, um den es nun geht, dürfte die Konkurrenz für die MZ nun wesentlich größer sein.

Retourkutsche für Haushaltsbeschluss des Stadtrats

Doch das ist noch nicht die ganze Geschichte. Denn die überraschende Amtsblatt-Reform hat noch einen tagesaktuellen Hintergrund. „Mit der Ausschreibung setzt die Verwaltung den Beschluss des Stadtrates für das Amtsblatt um“, erklärte Sprecher Bock ebenfalls in seiner Antwort auf die StäZ-Fragen. Einen aktuellen Stadtratsbeschluss explizit zum Amtsblatt gibt es jedoch nicht. Bisher hatte sich Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) auch stets gegen zu große Einmischung der Stadträte in Amtsblattangelegenheiten gewehrt. Die Postille falle in seinen alleinigen Verantwortungsbereich als Verwaltungschef, so die Haltung des OB.

Der Verweis von Sprecher Bock auf einen Stadtratsbeschluss zum Amtsblatt dürfte sich daher wohl auf eine Klausel im neuen Haushalt beziehen, die der Stadtrat im Januar verabschiedet hat. Der Stadtrat kürzte nämlich das Budget für die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt um 30.000 Euro, um andere Mehrausgaben zu decken, und fuhr den Topf auf das Niveau von 2019 zurück. Wiegand hatte stattdessen einen Aufwuchs um ziemlich genau diese Summe beantragt. Der allerdings resultierte vor allem aus höheren Personalkosten. Wiegand hatte in den Haushaltsberatungen einmal mehr allergisch auf die Änderungsvorschläge aus den Fraktionen zum Haushalt 2020 reagiert. Diese hatten sich jedoch im Rat mit vielen Änderungswünschen durchgesetzt, auch mit der Kürzung bei der Öffentlichkeitsarbeit. Die Formulierung, dass die Stadt mit der Amtsblatt-Reform also nur einen Stadtratsbeschluss umsetze, dürfte daher einmal mehr im Stadtrat als Retourkutsche verstanden werden.

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siggivonderheide@me.com
4 Jahre her

ist ja interressant, wir bekommen das Blatt seit 5 Jahren schon nicht mehr zu sehen. Ob das wohl am MMZ- Briefdienst liegt? Am besten einfach online stellen und Kommentare zulassen. Vielleicht verhilft das dem Herren- OB zu neuem Bodenkontakt…