Kommentar: Haushalt braucht Zeit

StäZ-Redakteur Felix Knothe kommentiert die Verschiebung des Haushaltsbeschlusses ins kommende Jahr und das Agieren des Oberbürgermeisters.

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StäZ-Redakteur Felix Knothe kommentiert. (Foto: StäZ)

Beobachtern war lange klar, dass es so kommen musste: Drei Wochen sind für einen ehrenamtlich arbeitenden Stadtrat zu wenig, um einen 1400 Seiten starken, und eine Dreiviertelmilliarde Euro schweren Haushalt zu verabschieden. Und doch hat der Oberbürgermeister das Konvolut erst Ende November vorgelegt und trotzdem erwartet, dass der Stadtrat bereits drei Wochen später zustimmt. Nun, da der Haushaltsbeschluss vertagt ist, schiebt er dem Rat, diesem Gremium, mit dem er wohl auch in den kommenden Jahren nicht erquicklich wird zusammenarbeiten können, die alleinige Verantwortung zu. Der Rat sei schuld, dass nun Vereine und Träger kein Geld bekommen. Kinder müssten leiden in Halle, war sich Wiegand nicht zu schade, im Stadtrat zu behaupten. Sich selbst dagegen lobte er über den grünen Klee. Ein groteskes Spiel: Aus Hauptsache ich wird Hauptsache nicht ich. Hauptsache nicht ich, der OB, bin schuld.

Aber „das bisschen Haushalt“ braucht eben auch in Halle Zeit. Und wenn ein zu spät verabschiedeter Haushalt der Stadt so sehr schadet, dann hätte Wiegand es nicht dazu kommen lassen dürfen. Er hätte ihn früher einbringen müssen, egal wie die OB- und die Beigeordnetenwahl terminiert waren. Der Stadtrat hatte ihn mehrfach dazu aufgefordert. Was wäre denn gewesen, wenn Wiegand im Herbst abgewählt worden wäre? Hätte sein Nachfolger dann haushalterische Tabula rasa im Ratshof vorgefunden? Man darf von einem OB im letzten Jahr einer Amtszeit erwarten, dass seine Verwaltung die nötigen Vorarbeiten zur Verabschiedung eines Haushalts trotzdem beizeiten macht. Und wenn es der letzte Dienst an der Stadt ist. Aber Wiegand wollte offenbar nicht, dass über die Zahlen der Stadt bereits vor der Wahl diskutiert wird. Sie sind nämlich kein Ruhmesblatt.

Wiegand hat sich verfangen in seiner eigenen technokratischen Logik. Der pünktliche Haushalt war bisher eines seiner Markenzeichen. Er wurde zum eigenen politischen Inhalt. Nun, wo es dank Konsolidierungsauflage von oben eng wurde um den Haushalt, hieß das Motto am Ende nur noch: Hauptsache irgendein Haushalt, Hauptsache pünktlich. Ob das Zahlenwerk stimmig, das Konsolidierungskonzept schlüssig und beides zusammen politisch klug gemacht sind – von einer tragfähigen politischen Mehrheit einmal ganz abgesehen – war offenkundig eher nebensächlich. Die Chance war sogar groß, dass niemand ernsthafte und unangenehme Nachfragen zum Haushalt stellt, wenn er nur drei Wochen lang auf dem politischen Verhandlungsmarkt ist.

Ja, ein pünktlicher Haushalt bringt deutliche Vorteile für alle Beteiligten. Aber die Welt geht nicht unter, wenn er einen Monat zu spät kommt. Das ist in den politischen Körperschaften Deutschlands allzu oft gang und gäbe. Nun mit der großen Sparkeule zu drohen, nämlich damit, ab Januar gar keine Mittel auszugeben, obwohl vorläufige Haushaltsführung monatliche Abschläge möglicherweise zulassen würde, ist zusätzlich verantwortungslos. Wiegand betreibt hier eine politische Erpressung und missbraucht dabei die vielen Vereine und Träger als Faustpfand, die auf Zuwendungen aus der Stadtkasse angewiesen sind. Es geht um Kultur, um Soziale Hilfen, um Schulsozialarbeit und vieles mehr.

Die hallesche Haushaltsdebatte 2020 ist zudem auch ein Machtspiel. Wiegands Plan, den Stadtrat zu einer haushalterischen Espressomaschine zu degradieren, hätte auch die Axt an eines der Grundprinzipien kommunaler Demokratie gelegt: an das Etatrecht des Stadtrats. Dieses Recht beinhaltet zwingend Kontroll- und Nachfragemöglichkeiten und natürlich auch das Recht, eigene Schwerpunkte zu setzen. Hätte der Stadtrat der verkürzten Debattenzeit zum Haushalt zugestimmt, hätte er sich in den kommenden Jahren nicht mehr rühren können. Er hätte alle eigenen politischen Gestaltungsoptionen an der Stadtratsgarderobe abgeben können. Er wäre ein Gremium von Jasagern und Abnickern geworden. Dafür ist er von den Bürgern aber nicht gewählt worden.

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siggivonderheide@me.com
4 Jahre her

Nicht zu vergessen die Frage ob das Landesverwaltungsamt den Schuldendienst für die geforderten 200 Mio Euro im Sinne des dann, irgendwann, vorgelegten Haushalts akzeptiert…