Urteil am Landgericht: „Messe im Regen stehen gelassen“

Nach dem geplatzten Vorhaben, in Bruckdorf eine Eissporthalle zu bauen, sieht das Landgericht die Stadt in der Pflicht, Schadenersatz an die Messe zu zahlen.

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Der Rechtsstreit mit der Messe um den Eissport in Halle könnte der Stadtverwaltung teuer zu stehen kommen. Es geht um 1,3 Millionen Euro Schadenersatz. In erster Instanz hat das Landgericht entschieden, dass der Anspruch der Messe gerechtfertigt ist. (Foto: Jan Möbius)
Der Rechtsstreit mit der Messe um den Eissport in Halle könnte die Stadtverwaltung teuer zu stehen kommen. Es geht um 1,3 Millionen Euro Schadenersatz. In erster Instanz hat das Landgericht entschieden, dass der Anspruch der Messe gerechtfertigt ist. (Foto: Messe Halle)

Halle/StäZ – Der Streit mit der Messe um den Eissport in Halle nach dem Hochwasser 2013 könnte die Stadt nach einem sich über fünf Jahre ziehenden und neun Aktenbände füllenden Prozess teuer zu stehen kommen. Richter Ekkehard Hamm am Landgericht ist in dieser Woche in einem Urteil zu der Auffassung gekommen, dass die M.A.T. Objekt-Gesellschaft, Betreiberin der Messe-Arena im Stadtteil Bruckdorf, grundsätzlich einen Anspruch auf Schadenersatz hat. Wie hoch der tatsächlich ist, ließ das Gericht offen. „Das wird wegen des Umfangs in einem gesonderten Betragsverfahren ermittelt“, sagte Hamm. Konkret stehen als Schadenssumme 1,3 Millionen Euro im Raum. Wenngleich diese Entscheidung noch aussteht, nannte Richter Hamm am Donnerstag schon eine andere Summe. 98.000 Euro werden aus einem weiteren Teilurteil sofort fällig für Aufwendungen, die die Messe vorgestreckt hat, um nach der zwischen ihr und der Stadt Halle getroffenen Absprache Inventar für das provisorische Eiszelt zu beschaffen. Dieses Urteil ist sogar sofort vollstreckbar. Richter Hamm nannte in seiner Urteilsbegründung auch die Namen zweier Verantwortlicher für das anstehenden Finanzdebakel. [ds_preview]

Das Landgericht in Halle hat am Donnerstag entschieden, dass die Stadt gegenüber der Messe zu Schadenersatz verpflichtet ist. (Foto: Jan Möbius)
Das Landgericht in Halle hat am Donnerstag entschieden, dass die Stadt gegenüber der Messe zu Schadenersatz verpflichtet ist. (Foto: Jan Möbius)

Aus Sicht des Juristen seien Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) und sein Berater Jens Rauschenbach jene gewesen, die, so Hamm in der Urteilsbegründung am Donnerstag wörtlich, „die Messe im Regen stehen gelassen haben“. Grundsätzlich seien sich Stadt und Messe im Frühherbst 2013 darüber einig gewesen, dass in Bruckdorf eine provisorische Lösung für den Eissport, unter anderem für die Spiele der Saale Bulls, aufgebaut wird. Deren alte Halle in Neustadt war durch das Hochwasser unbrauchbar geworden. Doch das Interimsprojekt auf dem Messegelände in Bruckdorf habe, so Betreiber Roland Zwerenz, von Anfang an auf wackligen Beinen gestanden. „Da ist viel schief gelaufen. Kein Lärmschutzgutachten, falsche Aussagen zur Bebaubarkeit von Grundstücken, falsche Angaben zu Besucherzahlen und Kosten. Das hat sich alles aufgeschaukelt, und der Oberbürgermeister hat enormen Druck aufgebaut“, schildert Zwerenz gegenüber der StäZ. Wiegand hätte, so der Geschäftsmann, die Messe sogar gedrängt, eine große Halle zu bestellen. „Die hatte er in einer Pressekonferenz angekündigt und nicht das kleinere provisorische Eiszelt.“ Auf der anderen Seite sei die Stadt nicht bereit gewesen, Kosten zu sparen und die Eisfläche sechs Wochen später in Betrieb zu nehmen. „Das war für sie alternativlos“, so Zwerenz.

Was der Messebetreiber nicht geahnt habe: Während in der übergangsweisen Zeltlösung schon Eishockey gespielt wurde, sei im halleschen Rathaus ein völlig anderer Plan gereift. Eine Förderung aus Fluthilfemitteln habe in Aussicht gestanden. Somit sei der Weg frei für die Stadt gewesen, eine eigene Halle zu bauen – und zwar in Neustadt. Doch Zwerenz habe da schon seinen Teil der Vereinbarung erfüllt und seinerseits eine Halle für den Standort Bruckdorf bestellt. Mit 500.000 Euro, so machte er vor Gericht geltend, sei er dafür in Vorkasse gegangen. Doch zu einer Unterzeichnung des Betreibervertrags, der eine Dauer von vier Jahren vorgesehen habe, sei es nicht mehr gekommen. Die Stadt zog sich laut Zwerenz einseitig aus dem Projekt zurück und trieb ihr eigenes Vorhaben in Neustadt voran.

In seiner Urteilsbegründung nannte Richter Ekkehard Hamm OB Bernd Wiegand (links) und seinen Berater Jens Rauschenbach als jene, die Pläne an Stadt und Messe vorbeigeschmiedet haben sollen. (Foto: Jan Möbius)
In seiner Urteilsbegründung nannte Richter Ekkehard Hamm OB Bernd Wiegand (links) und seinen Berater Jens Rauschenbach als jene, die Pläne an Stadt und Messe vorbeigeschmiedet haben sollen. (Foto: Jan Möbius)

Richter Hamm am Landgericht in Halle sieht genau darin erhebliche Pflichtverletzungen unter anderem bei OB Wiegand, aus denen der Jurist die Schadenersatzansprüche ableitet. „Der OB hat zur Messe gesagt, dass sie der Stadt helfen soll und versichert, dass dem Unternehmen daraus kein Schaden entsteht“, schilderte Hamm in seiner Urteilsbegründung. Erst danach habe sich Stück für Stück herausgestellt, dass das Vorhaben in Bruckdorf so einfach nicht umsetzbar sein würde. „Der OB und sein Berater Jens Rauschenbach haben sich in dieser Zeit klammheimlich für ein völlig anderes Projekt entschieden, weil es dafür Fördermittel gab“, so Hamm. Der Richter führte in seiner Begründung weiter aus, dass die Stadt falsch behauptet habe, die Messe hätte die Vertragsverhandlungen abgebrochen. „Der OB und sein Berater haben ihr Süppchen an der Messe, an der Stadt und am Rat vorbei gekocht“, so Hamm.

Er gehe davon aus, dass es nach seinem Urteil zu einem Berufungsverfahren kommen werde. „Das müsste dann das Oberlandesgericht führen oder wir bekommen das Verfahren zurück, um die Höhe des Schadenersatzes festzustellen“, so der Jurist. Gegenüber der Städtischen Zeitung äußerten sich weder OB Wiegand noch sein Sprecher Drago Bock zum Urteil. Letzterer zog es vor, der Mitteldeutschen Zeitung zu antworten. Allerdings auch das nur knapp: Die Entscheidung des Landgerichts sei der Stadt nicht bekannt, ließ Bock über das Blatt verlauten. Das erklärt sich womöglich daraus, dass der das Rathaus vertretende Anwalt zum Verkündungstermin am Donnerstag nicht anwesend war.

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siggivonderheide@me.com
4 Jahre her

Jetzt fällt dem „Herren-OB“ die erste Selbstherrlichkeit auf die Füße. Bezahlen wird dafür die Stadt Halle. Mal sehen was in den nächsten Jahren noch alles nachkommt.
Ich hoffe auf das Beste, erwarte allerdings das Schlimmste.