Muss Stadt Schadenersatz für Eissport-Provisorium zahlen?

Nach fünf Jahren geht ein Prozess zu Ende, dessen Ausgang der Stadt Halle nach dem Hochwasser teuer zu stehen kommen könnte.

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Das Eiszelt an der Messe in Bruckdorf war zunächst als Lösung für vier Jahre gedacht. Doch die Stadt zog sich aus der Vereinbarung zurück, nahm die Ausstattung mit und soll die bis heute nicht bezahlt haben. (Foto: Messe Halle)
Das Eiszelt, hier eine Aufnahme von 2013, an der Messe in Bruckdorf war zunächst als Lösung für vier Jahre gedacht. Doch die Stadt zog sich aus der Vereinbarung zurück, nahm die Ausstattung mit und soll die bis heute nicht bezahlt haben. (Foto: Messe Halle)

Halle/StäZ – Für die Stadt Halle geht in diesen Tagen einer der wohl bisher längsten Gerichtsstreite vor einem Zivilgericht zu Ende: Vor fünf Jahren hatte die M.A.T. Objekt-Gesellschaft, Betreiberin der Messe im Stadtteil Bruckdorf, die Verwaltung auf Schadenersatz in Höhe von rund einer Million Euro verklagt. Hintergrund der langwierigen Auseinandersetzung vor dem Landgericht ist der zwischenzeitliche Umzug des Eissports nach dem Hochwasser 2013 aus der zerstörten Halle am Gimritzer Damm nach Bruckdorf. Die Messe macht gegen die Stadt Ansprüche geltend, weil die vorzeitig und eigenmächtig aus einem Betreiber-Vertrag ausgestiegen sei, nachdem Geld aus der Fluthilfe für einen eigenen Ersatzbau in Neustadt in Aussicht stand. Die Messe sei deshalb auf immensen Kosten sitzen geblieben. Zudem habe die Stadt Ausstattung aus der Zelt-Lösung übernommen, ohne diese zu bezahlen. Die Stadt bestreitet die Vorwürfe und geht davon aus, nicht vertraglich an die Messe gebunden gewesen zu sein.

Am letzten Verhandlungstag Ende September zog Richter Ekkehard Hamm einen Schlussstrich unter den Mammutprozess, der immer wieder von neuen Anträgen beider Seiten in die Länge gezogen worden war. Wie sein Urteil ausfallen wird, ist freilich offen. Hamm deutete aber an, wie er das Vorgehen der Stadt und konkret von Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) sowie dessen Berater einschätzt. Diese hätten bei der ganzen Sache ihr eigenes Süppchen gekocht.[ds_preview]

Messe: Stadt wollte ohne Lärmschutzgutachten bauen

Die Not im halleschen Eissport war groß nach dem Hochwasser 2013. Die Eissporthalle am Gimritzer Damm war durch die Flut unbrauchbar geworden. Unter anderem für die Eishockey-Spiele der „Saale Bulls“ musste zügig eine Lösung gefunden werden, denn sonst wäre eine ganze Saison des nach dem HFC zuschauerstärksten Sportvereins in Gefahr gewesen. Die Stadtspitze und Messeveranstalter Roland Zwerenz kamen ins Gespräch. Ein Eiszelt auf dem Messegelände sollte die schnelle Lösung bringen – eine Interimslösung für vier Jahre. Im September 2013 wurde ein entsprechender Vorvertrag dazu zwischen beiden Parteien geschlossen. Doch aus Sicht der Messe begannen die Probleme mit dem Projekt schon einen Tag nach der Vertragsunterzeichnung. Ein Lärmschutzgutachter habe keine Chance für ein Baugenehmigung gesehen. Laut Messe hatte die Stadt trotz Hinweisen und Bedenken von Anwohnern keine entsprechenden Untersuchung vorgenommen. Deshalb hätten sich die  Rahmenbedingungen des Vertrags geändert.

Statt eines Zeltes sollten nun zwei Zelte an zwei Standorten mit höheren technischen Anforderungen gebaut werden. Doch das sei im ursprünglichen Vertrag nicht vorgesehen gewesen. Die Messe führte vor Gericht an, dass sie dafür ohne Anpassung der Vereinbarung das wirtschaftliche Risiko nicht habe übernehmen können. Das sei aus Sicht der Messe auch allen Beteiligten klar gewesen. Deshalb sei ein neuer Vertrag unterschriftsreif erarbeitet worden, der die neue Laufzeit auf neue vier Jahre festgelegt habe. Ende Oktober 2013 gab es dazu einen entsprechenden Stadtratsbeschluss.

Rathaus flüchtet aus Vertrag nach Fluthilfe-Zusage

Zu einer Unterzeichnung des Vertrags kam es aber nicht. Die Stadt bekam Fördermittel aus dem Fluthilfefonds des Bundes und der Länder in Aussicht gestellt und wollte nun selbst eine Eissporthalle bauen, in Neustadt. Laut Messe sei das Rathaus aus dem bestehenden Vorvertrag für die Bruckdorf-Lösung einseitig ausgestiegen, habe aber die Messe-Gesellschaft in dem Glauben gelassen, dass die zwischenzeitlich bestellte Halle trotzdem noch in Bruckdorf gebaut werden könne. Rund 500.000 Euro hatte die Messe bereits als Anzahlung geleistet. Ohne diese, so Geschäftsführer Zwerenz, sei ein Bau unter den sich neu ergebenen Bedingungen und unter einem mutmaßlich von der Stadt aufgebauten Druck nicht möglich gewesen. OB Wiegand hätte damals, so Zwerenz, auf einer sofortigen Bestellung bestanden. Außerdem sei, nachdem das Eiszelt für die Saison 2013/14 genutzt worden war, ein Teil der  Inneneinrichtung – unter anderem die Anzeigetafel und Bestuhlung – einfach mitgenommen worden – ohne Entgelt.

Das Rathaus sieht den Fall allerdings anders. Vor Gericht vertrat der beauftragte Anwalt der Stadt Stephan Holz die Auffassung, dass mit der Messe kein Vertrag über einen praktisch jahrelangen Betrieb bestanden habe. Stattdessen habe Zwerenz einfach mehr Geld verlangt und damit gedroht, den Eissportbetrieb einzustellen.

Richter traut Wiegand und seinem Berater nicht über den Weg

Auch wenn Richter Ekkehard Hamm nicht allen Aussagen von Zeugen beider Seiten über den Weg traut, wie er am letzten Verhandlungstag sagte, ließ er durchblicken, dass auch er beim Geschäftsgebaren der Stadt rund um den Fall „Eisdom“ durchaus Bauchschmerzen hat. „Es liegen Anhaltspunkte für eine klammheimliche Lösung vor, die darauf hindeuten, dass sich die Stadt loslösen wollte“, sagte Hamm. OB Wiegand und sein Berater, so der Richter weiter, hätten womöglich ein „eigenes Süppchen an der Stadt und am Rat vorbei gekocht“. Die Messe sei dabei so lange wie möglich hingehalten worden, schätzte der Richter im September vorläufig ein. „Wenn der OB etwas sieht, dann will er es auch haben“, so Hamm, der den Bau des Eisdoms unter Zeitdruck mit Wiegands gescheitertem Deichbau im Alleingang verglich.

Hamms letzter Versuch im September, eine Vergleichslösung herbeizuführen, lehnte Stadt-Anwalt Stephan Holz ab. Er sagte dazu, dass die Verwaltung der Messe schon mehrfach entgegengekommen sei. Eine Lösung habe sich aber nicht finden können. Schon wegen des langwierigen Verfahrens sei es aus seiner Sicht nicht mehr möglich, eine andere Lösung zu finden. Deshalb werde man das Urteil abwarten.

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