Lutherviertel: Wegerecht für Radfahrer und Fußgänger auf der Kippe

Der Stadtrat muss am Beispiel eines Wohnquartiers im Lutherviertel eine Richtungsentscheidung fällen: Mehr Sicherheit für Anwohner oder bessere Fuß- und Radwege für alle.

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Privatweg im Neubaugebiet „Am Turm“. Er soll nach Plänen der Verwaltung nicht länger für die Öffentlichkeit zugänglich sein. (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Der Stadtrat befasst sich am Mittwoch mit einem Thema aus dem Lutherviertel: Sollen die Wege in dem Neubaugebiet „Am Turm“ zwischen Liebenauer und Turmstraße von der Öffentlichkeit abgeschirmt werden oder nicht? Die Stadtverwaltung schlägt dem Rat vor, den Bebauungsplan für das fast fertiggestellte Areal im sogenannten Gießereidreieck am ehemaligen Armaturenwerk so zu ändern, dass die beiden Wege, die durch das Viertel führen und ursprünglich als öffentlich nutzbare Privatwege für Fußgänger und Radfahrer vorgesehen waren, für die Öffentlichkeit nicht mehr zur Verfügung stehen. Während Anwohner des Viertels so die Sicherheit ihrer Grundstücke erhöhen wollen und die sonst von ihnen als Grundstücksanlieger zu tragenden Kosten ablehnen, befürchten Teile des Stadtrats, dass das Viertel de facto zu einem für die Öffentlichkeit abgeschlossenen Bereich wird. Der Ursprungsplan, neben den Neubauten auch Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer zu erreichen, wäre jedenfalls obsolet, wenn der Stadtrat den Bebauungsplan nachträglich ändert. Im Planungsausschuss hatte die Vorlage daher keine Mehrheit bekommen. Es gab ein Patt. Nun muss der Stadtrat entscheiden.[ds_preview]

Die Wege im Neubaugebiet „Gießereidreieck“ sollen von der Öffentlichkeit abgeschirmt werden. (Grafik: Stadt Halle)

„Am Turm – Wohnen im Herzen der Stadt“, steht auf dem Werbeschild an der Liebenauer Straße, das für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser in dem Gebiet in der südlichen Innenstadt in der Nähe des Wasserturms Süd wirbt. Der Investor, der die Grundstücke entwickelt und an Privatleute verkauft hat, hatte zwischen 2002 und 2005 bei den Verhandlungen über den Bebauungsplan für das Gebiet mit der Stadt vereinbart, dass zwei Wege zwar als private Flächen gebaut, aber für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden (siehe Planskizze). Nun, kurz vor Fertigstellung des Viertels käme es zum Schwur. Die Ost-West-Verbindung im Süden der Häuser entlang der Grenze zum Armaturenwerk wird schon heute von Fußgängern und Radfahrern genutzt. Die Nord-Süd-Verbindung, die mitten durch die Neusiedlung führt, endet dagegen im Norden an einer Kleingartenanlage. 50 Meter weiter beginnt die Südstraße, über die Radfahrer dann auf geradem Weg weiter direkt in die Innenstadt kommen könnten, statt wie bisher entlang der viel befahrenen Liebenauer oder der Trumstraße fahren zu müssen, die keine Radwege haben. Noch ist der Weg durch die Gartenanlage gesperrt. Aber auch hier sollte die Öffentlichkeit eigentlich Wegerecht bekommen.

Laut der aktuellen Änderungsvorlage für den Stadtrat begehren aber nun die neuen Eigentümer der Grundstücke auf. Die Eigentümergemeinschaft mache geltend, so heißt es in der Vorlage, dass die Umsetzung des Wegerechts zu einer untragbaren finanziellen Belastung der Grundstückeigentümer führen werde. Denn sie müssten unter anderem für die Pflege der Wege aufkommen. Auch befürchten sie eine übermäßige Verschmutzung sowie Ordnungs- und Sicherheitsprobleme. So könnte die Schallschutzwand zur „Graffitiprojektionsfläche“ werden – was sie auch derzeit schon ist. Auch seien über diese Wege bereits Einbrüche in die Häuser erfolgt. Die kleinen Hintergärtchen der Häuser liegen nur wenige Meter neben dem Weg.

Die Verwaltung listet aber in ihrer Vorlage auch Contraargumente auf: So würde mit einer nachträglichen Änderung des Bebauungsplans unabänderliche Fakten geschaffen. Man hätte nachträglich keine rechtliche Möglichkeit mehr, die Wege für die Öffentlichkeit, also für Fußgänger und Radfahrer zugänglich zu machen. Diese müssten weiter Umwege laufen beziehungsweise fahren. Die ursprüngliche Idee, bessere Verbindungen zwischen den verschiedenen Wohnquartieren zu schaffen, würde aufgegeben.

Der Stadtrat steht also am konkreten Beispiel „Gießereidreieck“ vor einer Richtungsentscheidung: Bessere Rad- und Fußwegverbindungen oder mehr Ordnung und Sicherheit in einem bestimmten Wohnviertel, das damit allerdings praktisch zu einer abgeschotteten Siedlung mitten in der Stadt würde.

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