Kommentar: Stahlknecht verpasst die Abfahrt

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Innenminister und CDU-Landeschef Holger Stahlknecht meint, das Vertrauen von Fraktion und Partei zuhaben. Dabei waren die Abstimmungen zu seinen Gunsten nur ein Akt der Verzweiflung. (Foto: xkn/Archiv)
Innenminister und CDU-Landeschef Holger Stahlknecht meint, das Vertrauen von Fraktion und Partei zuhaben. Dabei waren die Abstimmungen zu seinen Gunsten nur ein Akt der Verzweiflung. (Foto: xkn/Archiv)

Halle/StäZ – Plötzlich ist der sonst so wortgewaltige Minister ganz kleinlaut. Mit einem Facebookpost kriecht Sachsen-Anhalts Ressortchef für Inneres und CDU-Landeschef Holger Stahlknecht zu Kreuze. Dort erklärt er, dass auch er nur ein Mensch sei und deshalb eben auch Fehler mache. Vorangegangen war ein Woche des Chaos in der sachsen-anhaltischen CDU. Und eine Woche Schweigen des Ministers und selbsternannten Ministerpräsidentenanwärters. Doch auch am Freitag hat Stahlknecht nicht viel mehr zur Debatte um seine Person und um seine Rolle in der Causa Rainer Wendt beizusteuern als diesen Post. Nicht mehr als ein paar Floskeln, einen Dank für das erneute Vertrauen des erweiterten CDU-Landesvorstands und eine Ansage in Richtung Landtagswahlkampf 2021. Der knappe Post legt dabei ungewollt das ganze Debakel offen: Stahlknecht blendet die Realität aus. Offenen Auges könnte er nämlich von wirklichem Vertrauen in seine Person nicht mehr sprechen. Stahlknecht hat bei seiner Jagd nach Macht und Einfluss auf der politischen Autobahn die Abfahrt verpasst. Er hätte zurücktreten müssen. Weil ihm das sein Ego verbietet, watschelt seine  Partei mit einer „Lame Duck“, einer politisch lahmen Ente, an der Spitze in den Wahlkampf.[ds_preview]

StäZ-Redakteur Jan Möbius (Foto: privat)

Nichts anderes ist Holger Stahlknecht. Das, was er als Vertrauen bezeichnet, kommt bei Lichte betrachtet einem Misstrauensvotum gleich. Der Absturz begann am Freitag schon in der Sitzung der CDU-Landtagsfraktion. 16 von 30 Mitgliedern stimmten für Stahlknecht, eine Abgeordneter enthielt sich, 13 votierten gegen ihn. Nur knapp schaffte es Innenminister Stahlknecht also, im Amt zu bleiben. Was er dort künftig noch zu leisten vermag, darauf braucht man nicht mehr gespannt sein. Vor allem dann nicht, wenn man einmal die Rechnung der vergangenen Monate aufmacht. Was bitte hat denn Stahlknecht erreicht?

In der Haushaltsdebatte im Kabinett um das Antasten der Rücklagen konnte er sich nicht durchsetzen, war an einem Tag dagegen, nur um am anderen doch zuzustimmen. Bei den Straßenausbaubeiträgen war er am Ende der Letzte, der merkte, dass man von diesem toten Gaul besser schon früher abgestiegen wäre. Nach dem Anschlag vom 9. Oktober in Halle piesackt ihn die Opposition – und das eigene Lager springt ihm nicht wirklich bei. Bei der Frage nach dem Standort der neuen Polizeihundertschaft in Halle lässt sich der Innenminister – trotz Ultimatums – von seinem Kabinettskollegen Michael Richter seit Wochen am Ring durch die Manege führen. Der Finanzminister denkt nämlich gar nicht daran, auf Stahlknechts Forderungen zu reagieren und zieht in aller Ruhe sein Ding durch. Und dann der Fall Wendt. Er ist der Tiefpunkt der Glaubwürdigkeit des Politikers Stahlknecht. Ein einfacher „Fehler“, den man mal verzeihen kann, war das nicht. Und es war auch nicht der erste. Kein Wunder, dass auch das „Vertrauensbild“ in Stahlknechts Partei adäquat ausfällt: Der erweiterte CDU-Landesvorstand votierte am Freitagabend ebenfalls nur knapp dafür, dass Stahlknecht sein Amt als Parteivorsitzender weiterführen kann.

Beides waren keine Vertrauensvoten, sondern allenfalls Voten der zögerlichen Vernunft. Vernunft deshalb, weil sowohl die Parteispitze als auch die Fraktion der CDU wissen, dass es in ihren Reihen niemanden mehr gibt, der Stahlknecht in die Ämter folgen könnte. Zumindest jetzt vor den Landtagswahlen. Die Frage stand also im Raum: Pest oder Cholera?

Die CDU hat sich entschieden und einem, wenn auch terminlich schwierigen, Neustart eine Absage erteilt. Damit gehen Sachsen-Anhalts Christdemokraten praktisch mit einer schweren Hypothek in die Wahlen. Die lame duck Stahlknecht lähmt. Das kann sich übrigens auch Ministerpräsident Rainer Haseloff auf die Fahnen schreiben. Er hätte seinen Parteifreund Stahlknecht fallen lassen können. Er tat es aber nicht. Mit der Glaubwürdigkeit aber schwindet auch die politische Macht des Holger Stahlknecht. Als angeschlagener Vorsitzender wird er es jedenfalls erst recht nicht schaffen, die CDU-Flügel in Sachsen-Anhalt zu vereinen. Die gewonnenen Vertrauensabstimmungen dürften deshalb noch nicht das letzte Wort gewesen sein.

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