Gastkommentar: Ernüchternde Erkenntnis

Florian Lutz geht nach Kassel. Zu wünschen ist, dass er dort aus seinen Fehlern in Halle lernt.

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Opernintendant Florian Lutz (Foto: xkn/Archiv)

Hier Furore, Erfolg und Weisheit und da ach, gescheiterte Kleingeisterei. Der Messias der Raumbühne verlässt die Stadt der unbelehrbaren, tumben Entscheidungsträger. Gen Kassel wird der im Kampf gegen schnöde Aufsichtsräte und den bösen Geschäftsführer gestählte Siegfried der Opernerneuerung ziehen

und so manche Dame der Freunde der Oper wird eine letzte Träne des Abschieds an der kommunikativen Brust des Weggeschenkten vergießen oder sofort einen Zweitwohnsitz in Kassel anmelden…

Pardon für die Ironie, aber schön war er nicht, der Streit in Halle, um einen guten Weg für unsere Oper zu finden. Fragt sich, warum eine Kontroverse über einen Intendanten soviel Polarisierung, Streit, Beschimpfung und Beleidigung (gerne auch schriftlich und anonym an Aufsichtsratsmitglieder) auslösen kann. Selbst jetzt noch im Kommentar von Herrn Lange geht es nicht ohne abwertende Adjektive für alle nicht am Lutz-Fieber erkrankten. Natürlich braucht die Kunst Kontroverse, aber nicht Hetze und Verleumdung.

Vielversprechend waren die Ankündigungen des neuen, jungen Intendanten und haben auch mich begeistert. Die Oper, das Musiktheater sollte neuen Schwung bekommen und dafür entschied sich der Aufsichtsrat für das Jungtalent Florian Lutz. Viele Gespräche haben wir geführt, und da war die Rede von einer neu gedachten Oper für ganz andere Bevölkerungs- und Bildungsschichten. Nicht nur für Geld- und Bildungseliten. Was dann aber kam, war wenig musikalisch und sehr theatralisch. Zwar weckten die ersten Premieren noch Neugierde, auch war die Presse beseelt und so mancher Hallenser war beglückt, Halle in der überregionalen Presse strahlen zu sehen. Nicht ganz so glücklich waren das Ensemble und das Orchester, das nach der Premiere noch die zweite oder dritte Vorstellungen vor ausgedünnten Rängen darbieten durfte und denen das ewige Mantra von der erfolgreichen neuen Ästhetik so langsam auf den Docht ging. Der dekonstruktivistische Stil der Inszenierungen war für Kenner der Oper so neu nun auch wieder nicht – manches wirkte aufgesetzt und intellektuell wenig herausfordernd. Zudem rückte die Rolle der Musik klar an die zweite Stelle nach der Regie. Über Geschmack lässt sich streiten, aber musikalische Qualität klingt anders. Auch die Raumbühne ist sicher originell, aber das Konzept überhaupt nicht neu und zudem nicht von allen goutiert, wie die Einbrüche bei den Abonnementverkäufen zeigten.

„Wir haben es satt vor leeren Rängen zu spielen…“, hörte man immer häufiger aus dem Haus. Unruhe machte sich breit und schnell war klar, der ebenfalls neu engagierte Geschäftsführer (von den damaligen Intendanten Werner und Brenner dringlichst herbei gewünscht) war Herd dieser Unruhe, störe den Betriebsfrieden, spalte und rede den Erfolg schlecht. Und wehe, wer intern aufmuckte. Bei der Besetzung war nicht immer Gesangsqualität und immer öfter Gesinnungsqualität gefragt. Unliebsame Kritiker im Hause versuchte der öffentlich so sympathisch auftretende Künstlerintendant schon mal sechs Monate vor der Rente per Rechtsanwalt hinauszuwerfen. Eine idiotische, gespeicherte Sprachnachricht wurde operettenhaft zur Morddrohung stilisiert. Ohlala davon steht nichts in den Lobeshymnen der Internetgazetten, die einen Aufsichtsrat, der nach reiflicher Überlegung gegen eine Verlängerung (nicht für einen Rauswurf!) stimmte, hemmungslos in AfD-Nähe rückten.

Florian Lutz ist in Halle nicht am Aufsichtsrat und auch nicht an den Streitigkeiten mit unserem jetzigen Geschäftsführer gescheitert. Er ist an der Diskrepanz seiner Intendanz zwischen Feuilleton-Hype und Wirklichkeit gescheitert. Er und sein Regieteam haben die große Mehrheit der Kollegen nicht überzeugen können und die Augen vor mancher Tatsache verschlossen. Florian Lutz hinterlässt tiefe Gräben in der TOOH. Auch der vorhandene Kommerzialisierungsdruck war nicht schuld. Jedes Opernticket ist hoch subventioniert, und zudem hat der ach so unselige Geschäftsführer den neuen Theatervertrag mit unter Dach und Fach gebracht, und die TOOH steht finanziell so gut wie lange nicht mehr da.

Nein, er ist an der eigenen Hybris gescheitert, die keine Kritik erträgt und sensationell blind ist für andere Maßstäbe als die eigenen. Selbstreflexion Fehlanzeige!

Auch ich wünsche Florian Lutz in Kassel viel Glück. Und den Mitarbeitern des Staatstheaters Kassel wünsche ich einen Intendanten, der aus seinen Fehlern in Halle gelernt hat. Wenn es gelingt, dann hat zumindest der Streit in Halle etwas genutzt.

Detlef Wend ist Stadtrat (Mitbürger für Halle) und Aufsichtsratsmitglied der Bühnen Halle.

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siggivonderheide@me.com
4 Jahre her

Ich unterschreibe jedes Argument und stimme jedem Wort zu. Schade das diese Stimme im Aufsichtsrat der TOOH so wenig Gewicht hatte.