Wiegand sieht nach Terrorakt keine Schuld bei Behörden: „System der offenen Gesellschaft hat versagt“

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Halles Oberbürgermeister BErnd Wiegand am Dienstag auf einer Pressekonferenz zu den Ereignissen des 9. Oktober. (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) hat sich gegen eine nachträgliche Ursachenforschung zu möglichen Behördenfehlern im Zusammenhang mit dem rechtsextremistischen Terrorakt von Halle ausgesprochen. „Ich halte nichts davon, nach Verantwortlichkeiten und Verantwortlichen im Nachgang zu fahnden“, sagte er am Dienstag auf einer Pressekonferenz. „Niemand von den Einsatzkräften hat versagt. Versagt hat unser System der offenen Gesellschaft. Uns allen ist es nicht gelungen, einen mutmaßlichen Täter im Vorfeld zu identifizieren und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten“, so Wiegand.[ds_preview]

Standort für Polizei-Hundertschaft in Halle ist Wiegand egal

Auf der Pressekonferenz im Ratshof stellten er und die für Sicherheit zuständigen Verwaltungsmitarbeiter die kommunalen Abläufe am 9. Oktober während des Terroranschlags und danach dar, also die Zusammenarbeit städtischer Behörden mit der Polizei, den Einsatz von Rettungskräften, Anweisungen an Kitas und ähnliche Maßnahmen. Wiegand dankte allen Beteiligten für ihren gefahrvollen und professionellen Einsatz, der überall funktioniert habe. Auch die Polizei habe „alles richtig gemacht“, so Wiegand. Dennoch werde die Stadt Veränderungen im eigenen Sicherheitsapparat vornehmen. So soll etwa die städtische Alarmordnung um einen Punkt „Terror“ ergänzt werden, um auch für Fälle gewappnet zu sein, in denen Täter noch auf der Straße herumliefen. Bisher sehe die Alarmordnung lediglich die Evakuierung von Gebäuden vor, was in Terrorfällen jedoch nicht sinnvoll sein könne.

Wiegand forderte zudem die schnellstmögliche Stationierung der für den Landessüden vorgesehenen Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei in Halle. Bisher werden Einsätze in der Region manchmal dadurch verzögert, dass Beamte aus dem Landessüden erst zur Ausrüstung nach Magdeburg müssen – so auch am vergangenen Mittwoch. „Ich brauche dringend diese Hundertschaft. Mir ist es egal, an welchem Ort“, so Wiegand. Die Gewerkschaft der Polizei hatte am Montag gegenüber der Städtischen Zeitung erklärt, es sei unter anderem die Haltung der Stadt gewesen, die bisher eine zügige Ansiedlung in Halle verhindert habe. Wiegand verwies auf StäZ-Nachfrage auf die Verhandlungen zwischen Magdeburger Finanz- und Innenministerium. Die Stadt habe lediglich deutlich gemacht, was aus ihrer Sicht der bessere Standort sei. Priorität habe aber nun die schnelle Ansiedlung.

Stadt will Einsatz gegen Antisemitismus verstärken

Wiegand kündigte auch einen stärkeren Einsatz gegen Antisemitismus und Radikalismus an. „Der Kampf gegen Judenhass wird OB-Thema“, so Wiegand. Auch werde das Novemberprogromgedenken intensiviert. Geplant sei auch eine Dauerausstellung im Stadtmuseum zum 9. Oktober, zur Geschichte Israels und zum „Spannungsfeld arabischer und jüdischer Flüchtlinge“, so Wiegand. „Das Judentum gehört zu Deutschland und zur Stadt Halle“, so der OB weiter.

Auf Nachfrage, wie er seine Aussage zum Versagen der offenen Gesellschaft meine, konkretisierte Wiegand: Es habe sich bei dem Attentäter um einen „einsamen Täter“ gehandelt. „Das herauszufinden und zu bemerken, das obliegt allen von uns.“

Wiegand schloss sich zudem der Einschätzung der Bundesbehörden an, die weiter eine hohe Gefahr weiterer rechtsextremistischer Anschläge in Deutschland sehen. „Die Bedrohungslage ist sehr hoch“, so Wiegand. „Antisemitismus und Radikalismus sind in unserer Gesellschaft angekommen.“ Ein Terroranschlag wie der von Halle könne jede Stadt in Deutschland treffen.

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