Schüler demonstrieren gegen braunen Terror

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Rund 200 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer hallescher Schulen haben am Mittwoch gegen rechtsradikalen Terror demonstriert. (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Was macht man als „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“, wenn in der eigenen Stadt ein rechtsextremer Attentäter die Synagoge angreift und Menschen erschießt? Diese Frage haben sich in Halle viele Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer gestellt. Eine Intitiative der Saaleschule aus Trotha hat am Mittwoch nun mehrere hundert Schüler verschiedener hallescher Schulen auf die Straße gebracht, um ein weiteres Zeichen zu setzen gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Eine von den Schülern selbst, allerdings im Schulrahmen, organisierte Demo führte vom Steintor zum angegriffenen Dönerimbiss und dann weiter zur Synagoge. Ein Zeichen der halleschen Jugend, das beim Gemeindevorsitzenden Max Privorozki auf Dankbarkeit stieß.[ds_preview]

„Wir fanden einfach, dass es die beste Art ist zu zeigen, dass wir eben eine Schule ohne Rassismus und mit Courage sind“, sagt Elias Zöge, einer der Organisatoren. Er ist 20 und besucht die 13. Klasse der Saaleschule. Wie an vielen Schulen der Stadt waren die Schüler auch in der Saaleschule noch aufgewühlt und berührt, als die Schule nach den Herbstferien und gerade fünf Tage nach den Ereignissen wieder begann. Wie an vielen Schulen wurde auch an der Saaleschule viel im Unterricht über die Taten gesprochen und diskutiert. „Am Tag, als die Taten passiert sind, haben wir uns natürlich zuerst alle gegenseitig gefragt, ob es uns gut geht. Viele unserer Mitschüler wohnen im Paulusviertel oder der Umgebung“, so Zöge. „Als die Schule wieder losging, haben wir uns dann gefragt, wie man als junger Mensch dazu kommt, so etwas zu tun. Das war ja ein Typ, der nicht von vornherein als dummer Nazi zu erkennen ist. Er hatte Abitur, wie wir es gerade machen“, erzählt Zöge weiter. „Und dann steht er eines Tages auf mit der Vorstellung, heute Menschen umzubringen. Uns macht das fassungslos.“ Deshalb habe man in der 13. Klasse beschlossen, ein Zeichen zu setzen, dann die anderen Klassen und die Lehrer überzeugt und dann in wenigen Tagen diese Demo organisiert.

Schulleiter David Loreck betont, dass man, neben der nötigen Beschäftigung mit den Ereignissen in der Schule, zwar den Schülern Schulzeit für die Vorbereitungen und auch für die Demo selbst zur Verfügung gestellt habe, dass aber kein Schüler verpflichtet worden sei, an der Demo teilzunehmen. Man habe zudem auch andere Schulen eingeladen, sich an der Demo zu beteiligen und auch Rückmeldungen erhalten. So seien auch von anderen Schulen Schüler und Lehrer gekommen. So sind nach unvollständigen StäZ-Beobachtungen an diesem Mittwochnachmittag auch Schüler und Lehrer vom Genscher-Gymnasium, von der IGS am Steintor, vom Cantorgymnasium oder vom Christian-Wolff-Gymnasium da. Den Großteil der Demo stellt aber die Saaleschule, die als freie Ganztagsschule auch andere Möglichkeiten hatte, ihren Schülern eine Teilnahme zu ermöglichen.

Auch die Reden werden von Schülern gehalten. Pia Schade, ebenfalls aus der 13. Klasse der Saaleschule, schlägt einen großen Bogen. Sie zitiert Anne Frank und das Grundgesetz. Sie sei froh, dass Deutschland angesichts der schrecklichen Verbrechen der Vergangenheit gelernt habe und beispielsweise religiöse Freiheit und andere Grundrechte garantiere. Auch die Verbrechen des 9. Oktober seien schrecklich und mahnten. „Wir wollen ein Zeichen setzen gegen den braunen Terror. Wir repräsentieren dabei nicht nur die Saaleschule“, so Schade, „sondern einen Großteil der halleschen Jugend. Und wir stehen hier, damit die Erinnerung an die Verbrechen in den Köpfen der Menschen weiterleben.“ Man müsse sich laut machen, wenn fremdenfeindliche Sprüche im Alltag zu hören seien und dürfe rechtsextreme Ansichten anderer nicht einfach schlucken. Gemeinsam trete man für ein buntes und weltoffenes Halle ein.

Es soll ein Signal sein, das in die ganze Stadt wirkt. Aus den Schulen ohne Rassismus und mit Courage solle eine ganze Stadt ohne Rassismus und mit Courage werden, steht auf dem Transparent, das der Demozug voranführt. Am Dönerimbiss legen die Schüler dann Blumen nieder und ziehen nach kurzem Innehalten weiter durch die Schillerstraße zur Synagoge. Dort wartet schon der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Max Privorozki auf die Kinder. Er ist sichtlich überwältigt von der Menge. „Normalerweise geht ein Mensch in die Zukunft, Tag für Tag. Heute habe ich Glück. Denn die Zukunft ist zu uns gekommen“, ruft er der Menge zu. „Ich hoffe, dass Ihr glücklich seid. Vielen Dank, dass Ihr – so viele – heute gekommen seid.“

Auch Andreas Slowig, der Schulleiter des Christian-Wolff-Gymnasiums aus Halle-Neustadt ist gekommen. „Es war eine phantastische Idee der Saaleschule, alle Schulen einzuladen. Wir sind alle immer noch betroffen in der Stadt.“ Es sei traurig, dass 81 Jahre nach der Progromnacht in Deutschland wieder Synagogen angegriffen würden und Synagogen geschützt werden müssten.

Umso wichtiger das Zeichen, das die Jugend am Mittwoch gesetzt hat.

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siggivonderheide@me.com
4 Jahre her

Der Attentäter hatte ja Abitur und sah nicht aus wie ein dummer Nazi… Wäre es nicht an der Zeit das Abiturient*innen etwas mehr Realitätssinn entwickeln lernten?

siggivonderheide@me.com
4 Jahre her
Reply to  Felix Knothe

Das Zitat verdeutlicht eine Sichtweise wie „Nazis“ aussehen und das sie „dumm“ sind, also wahrscheinlich kein Abitur haben. Verdammt kurz gedacht besonders von Abiturient*innen. Frage nach politischer Bildung an Gymnasien. Herr Heydrich hatte Abitur, spielte konzertreif Klavier und sein Vater leitete das Konservatorium der Stadt Halle…
Demonstranten gegen Nazis sind auch manchmal dumm.

siggivonderheide@me.com
4 Jahre her

Korrektur: Er spielte Geige und sein Vater gründete und leitete eine Musikschule in Halle. Heydrich machte Abitur an einem Reformgymasium…

U. Geiß
4 Jahre her

Der Begriff „dummer Nazi“ muss nicht unbedingt den IQ der so genannten Person meinen.
Es ist gut, dass auch junge Menschen ihre Solidarität für die Opfer des Terroranschlages vom 9. Oktober zeigen.