Nach dem Attentat: OB-Wahl ohne Wahlkampf

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An Wahlkampf ist in diesen Tagen in Halle nicht zu denken. Der Markt ist, statt Arena für die letzten politischen Debatten vor der OB-Wahl, zentraler Gedenkort, wie hier am Donnerstag. (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Der Anschlag vom Mittwoch hat die Stadtpolitik mitten im OB-Wahlkampf getroffen, und das nur vier Tage vor der Wahl. In den Stunden und Tagen danach ist an eine normale politische Auseinandersetzung natürlich nicht zu denken. Dennoch wird die Wahl am Sonntag stattfinden. Sowohl Andreas Silbersack (FDP) als auch Hendrik Lange (Linke) haben als chancenreichste Herausforderer von Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) dennoch keine Zweifel aufkommen lassen: In diesen Tagen, wo sich Halle in Solidarität mit den Opfern und der Jüdischen Gemeinde vereinen soll, wäre Wahlkampf das völlig Falsche. Beide Lager haben reagiert. Silbersack hatte bereits am Mittwoch seinen für Donnerstag geplanten Wahlkampfhöhepunkt mit FDP-Bundeschef Christian Lindner abgesagt. Beide waren am Donnerstag zwar auf dem Markt, hielten aber keine Ansprachen. Hendrik Langes Wahlkampfauftritt mit Juso-Chef Kevin Kühnert ist dagegen komplett abgesagt worden. [ds_preview]

Beide zeigen sich seit Mittwoch, wie auch Freie-Wähler-Kandidat Falko Kadzimirsz, als einfache Hallenser bei diversen Gedenkveranstaltungen unter den Trauernden. Mit Vertretern ihrer politischen Lager haben sie jeweils am Donnerstag Blumen an der Synagoge niedergelegt. Öffentlich geäußert hatten sie sich nach dem Anschlag mit kurzen Pressestatements und in ihren Social-Media-Kanälen. Eine detailliertere Bewertung der Situation in Halle nach den Anschlägen nehmen Lange und Silbersack in zwei Videostatements vor, die sie am Freitag gegenüber der Städtischen Zeitung am Rande einer weiteren Gedenkveranstaltung auf dem Markt gemacht haben.

Silbersack äußert sich darin sehr betroffen über den Anschlag. Es zeige sich, dass Halle zusammenrücke. Die Stadt müsse auch zeigen, dass sie Rückgrat habe, und der Staat müsse in aller Härte die Strukturen der Brandstifter bekämpfen. „Halle steht für Mitmenschlichkeit und Toleranz, und wir sind nicht der Nährboden für solches rechtsextremes Gedankengut“, so Silbersack.

Auch Hendrik Lange äußerte Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer und denen, die den Angriff auf die Synagoge miterleben mussten. Er glaube, dass die Stadt nicht mehr die gleiche sei. „Es ist etwas zerstört worden in unserer Gesellschaft.“ Halle sei eine freundliche und zugewandte Stadt. „Gleichwohl wissen wir, dass wir seit Jahren ein Problem mit Rechtsextremismus haben“, so Lange. Nach den Tagen der Besinnung und der Trauer müsse aufgearbeitet werden, was in der Gesellschaft passiere. Die Strukturen rechtsextremistischen Terrors rüsteten seit Jahren auf.

Anders die Situation für Bernd Wiegand (Hauptsache Halle). Er ist im Amt und hat in den letzten Tagen viele ungeplante Repräsentationspflichten gehabt: Bundespräsident, Ministerpräsident, Bundesinnenminister, der Präsident des Zentralrats der Juden. Sie alle waren in Halle, und der OB bei den Besuchen an ihrer Seite. Zugleich muss ein OB natürlich in solchen Stunden seiner Stadt Halt und Orientierung geben und sie auch gegenüber den nationalen und internationalen Medien vertreten. Im ZDF-Morgenmagazin am Donnerstag  stellte Wiegand dar, wie die Stadt unmittelbar auf die Bedrohungslage reagiert hat und was die Stadt erfolgreich im Kampf gegen rechts unternommen habe. Halle sollte nicht als rechtsextreme Hochburg herüberkommen. Die Arbeit der Polizei und den mangelhaften Schutz der Synagoge wollte er nicht bewerten. Als Oberbürgermeister sei er dafür nicht zuständig. Hinterher musste er sich in der gleichen Sendung die Kritik von Stern-Journalist Hans-Ulrich Jörges gefallen lassen, der fand, dass auch ein Oberbürgermeister Verantwortung für die Sicherheitslage in der Stadt trage. Wiegand konnte dem jedoch nichts entgegenen. Seine Schalte war beendet. Wiegand veröffentlichte am Donnerstag zudem ein eigenes Videostatement:

Erst am Abend auf dem Marktplatz fand er auch die Herzen der Hallenser berührende Worte, auch wenn seine Rede, trotzdem er sie ablas, nicht ohne Verhaspler auskam. Wiegand legte auch hier noch einmal Wert darauf, die Aktivitäten der Stadt im Kampf gegen rechts und für Verständigung und ein offenes Miteinander herauszustellen. Wichtig war ihm auch klarzumachen, dass nicht Halle allein mit dem Terror identifiziert werde. Halle sei am Mittwoch stellvertretend für Deutschland von dem Anschlag getroffen worden. Dass Synagogen in Deutschland wieder geschützt werden müssten, sei ein Armutszeugnis für das ganze Land. Wiegand rief die Hallenserinnen und Hallenser auch auf, das jüdische Leben in Halle kennenzulernen und zu schützen.

Auch die Freien Wähler und ihr Kandidat Falko Kadzimirsz äußerten sich am Freitag. „Wir verurteilen jede Form von politischem und religiösem Terror“, heißt es in einer Stellungnahme. „Unser tiefes Mitgefühl und aufrichtiges Beileid gelten den Angehörigen und Freunden der Opfer. Zurück bleiben Trauer Fassungslosigkeit und Wut. Unser besonderer Dank richtet sich an die Polizei und Einsatzkräfte an diesem schlimmen Tag, die unter Einsatz ihres Lebens unser Leben beschützen.“

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