Kommentar: Wo war Wiegand?

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Wo ist Wiegand? Im großen Saal des Stadthauses warten am Wahlsonntag Bürger und Medienvertreter auf die Kandidaten. (Foto: Jan Möbius)
StäZ-Redakteur Felix Knothe kommentiert. (Foto: StäZ)

Ein Wahlabend ohne Amtsinhaber. Wo hat man das schonmal erlebt? In Halle hat am Sonntag der amtierende Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) vorgeführt, wie man es nicht macht, erst recht nicht in Zeiten wie diesen. Er verbrachte den Abend lieber im Kreise von Getreuen in einer halleschen Bar, medial umsorgt von Reportern der Mitteldeutschen Zeitung, anstatt sich der Öffentlichkeit insgesamt zu präsentieren. Im Stadthaus, das seine eigene Stadtverwaltung genau zu diesem Zweck an jedem Wahlabend öffnet: damit sich Politik und Bürger auf Augenhöhe begegnen können, um gemeinsam die Ergebnisse der Wahl zu verfolgen. Jedoch warteten den ganzen Wahlabend hindurch im Stadthaus interessierte Hallenser und Medienvertreter auf den Amtsinhaber. Wo ist Wiegand? Kommt er noch? Nein, er kam nicht. Wer Wiegand sehen wollte, oder mit ihm sprechen, der musste schon zu ihm kommen.

Auch Einzelbewerber, aber faire Verlierer: Daniel Schrader (r.) und Rolf Lennart Thiemann (l.) am Wahlsonntag im Stadthaus. (Foto: xkn)

Freilich: Auch die anderen Lager hatten ihre Anhänger nicht im Stadthaus sondern in umliegenden Gastronomien versammelt. Doch als das Wahlergebnis verkündet wurde, waren beinahe alle Kandidaten zur Stelle. Sie gratulierten sich gegenseitig, Gewinner (Hendrik Lange) und Verlierer (Andreas Silberack, Daniel Schrader, Dörte Jacobi, Rolf Lennart Thiemann, Martin Bochmann), um dann auch mit Bürgern und Journalisten über die Ergebnisse zu sprechen und auch zu debattieren.

Das alles hat nichts mit demokratischer Folklore zu tun. Es ist wichtiger Teil der demokratischen Gepflogenheiten in einer Republik. Die Wahl ist der Festakt der Demokratie, der Wahlabend mit der Verkündung des Ergebnisses der Höhepunkt. Dabei zu fehlen, muss schon gut entschuldigt sein. Es muss ja nicht wie in England sein, wo Kandidaten in Reih‘ und Glied auf einer Bühne stehen, wenn das Ergebnis verkündet wird. Aber ins öffentliche Zentrum der Stadt zu kommen, ins Stadthaus – früher hätte man gesagt, aufs Forum –, das gehört sich für einen Politiker. Hinzu kommt: Bei einer Wahl ist man Kandidat unter Kandidaten, Bürger unter Bürgern, egal ob man vorher das Amt bereits innehatte oder nicht. Und nach der Wahl schaut man sich in die Augen und schüttelt sich die Hand, wenn man es gemeinsam mit der Demokratie hält. Ein Ritual, ja sicher, aber eines, das im Wesen dieser Republik wurzelt.

Wiegand hat sich diesem Ritual bewusst entzogen und sich einmal mehr als parteiferner, einsamer Politiker inszeniert. Dass er sich dabei auch als bürgerferner Politiker inszeniert hat, ist ihm offenbar entgangen.

Mag sein, dass er in den Tagen der Trauer nach dem feigen Mordanschlag von Halle vom Mittwoch nicht als Triumphator auftreten wollte. Aber gerade jetzt ist das Stadtoberhaupt eigentlich gefragt, sich zu zeigen und Halle zu vereinen. Dass man an einem Wahlabend beides kann, die Demokratie in Würde feiern und gleichzeitig den richtigen Ton treffen, haben die Kandidaten, die im Stadthaus waren, am Sonntagabend allesamt gezeigt.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Kommentars gab es eine Formulierung, die mit Blick auf die Ereignisse der letzten Woche als deplatziert wahrgenommen werden konnte. Eine Verwendung in diesem Sinne war nicht beabsichtigt. Wir haben die Formulierung inzwischen verändert. 

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