Attentäter streamte die Tat im Netz

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Tatort Humboldtstraße. Vor der halleschen Synagoge hat ein Attentäter kurz nach Mittag eine Passantin wahllos erschossen. Zuvor hatte er versucht, in das Gotteshaus zu gelangen. (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Den ganzen Nachmittag lang war in Halle unklar, ob die unfassbaren Taten im Paulusviertel auf das Konto eines oder mehrerer Täter gehen. Stundenlang durchkämmten schwer bewaffnete Beamte das Paulusviertel. Am Abend dann verdichteten sich Hinweise bis zur Gewissheit, dass der Anschlag auf die Synagoge in der Humboldtstraße, der Mord an einer Passantin dort und der Angriff auf ein Dönerimbiss in der Ludwig-Wucherer-Straße mit einem weiteren Toten auf das Konto eines, mutmaßlich rechtsextremen Täters gehen. Denn der Mann, laut Medienberichten ein 27-Jähriger Deutscher aus Sachsen-Anhalt namens Stephan B., filmte die Tat mit einer Helmkamera und streamte die Aufnahmen im Internet. Erinnerungen an andere rechtsextreme Angriffe wie das Attentat von Christchurch in Neuseeland oder das Massaker des Norwegers Anders Breivik auf der Insel Utøya werden wach.[ds_preview]

Neben der tiefen Trauer um die zwei offenbar völlig willkürlich ins Visier geratenen Opfer gerät damit auch in den Blick, wie knapp Halle an diesem 9. Oktober möglicherweise an einer noch größeren Katastrophe vorbeigeschrammt ist. Denn während der Täter vergeblich versuchte, in die Synagoge zu gelangen, waren dort 51 Menschen im friedlichen Gebet vereint. Nicht auszudenken, wenn es ihm gelungen wäre, in das Gotteshaus einzudringen. Der 9. Oktober ist in diesem Jahr Jom Kippur, der höchste Feiertag der Juden. Das Versöhnungsfest, an dem Ruhe und Einkehr sowie strenges Fasten gehalten werden, ist ein besonders verwundbarer Zeitpunkt.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Halle Max Privorozki denkt, dass das Attentat seiner Gemeinde gegolten habe. Wie Privorozki der Stuttgarter Zeitung und den Stuttagrter Nachrichten sagte, habe man den Angriff über die Überwachungskamera mitbekommen. „Unsere Türen haben gehalten“, so Privorozki. Trotzdem der Mann sowohl die Pforte als auch das große Tor in der Mauer versucht habe aufzuschießen. Die Menschen in der Synagoge hätten sich dann in der Synagoge verbarrikadiert. Die Gemeinde musste dann noch stundenlang in der Synagoge ausharren. Man habe den Gottesdienst fortgesetzt, so Privorozki.

Privorozki übte in einem Video mit dem Portal „Jüdisches Forum“ auch Kritik an der Polizei. Sie sei erst zehn Minuten nach seinem Notruf vor Ort gewesen und habe das entsprechende Telefonat unnötig in die Länge gezogen. Zudem kritisierte er, dass die jüdische Gemeinde Halle keinen allgemeinen Polizeischutz habe, wie in größeren Städten üblich.

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J. GL
4 Jahre her

Mich erstaunte irgendwie die Aussage des Herrn Privorozki nicht, dass die Polizei das Telefonat (sicherlich Notruf mit Anzeige einer andauernden Straftat) unnötig in die Länge zog. Selbige Erfahrungen habe ich leider auch schon mehrfach machen müssen. Da wird (übertrieben gesagt) erst einmal der gesamte Hintergrund des Anrufers abgefragt, ehe überhaupt zum eigentlichen Grund des Anrufs Stellung genommen bzw. hierauf eingegangen wird. Habe daher schon mal das Telefonat entnervt abgebrochen und mich selber um die Sache gekümmert. Erst bei solchen gravierenden Ereignissen wier dem gegenständlichen Angriff wird die unprofessionell wirkende Notrufannahme mal wieder diskutiert. Ansonsten kann ich nur meine Trauer und… mehr lesen »