Unter uns

Am August-Bebel-Platz sollte jetzt öffentlich nach Lösungen für die nächtlichen Lärmprobleme der Anwohner gesucht werden. Jene, um die es ging, sprach das von OB Wiegand gewählte Format offenbar nicht an.

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Rücken an Rücken: Getrennt durch einen Springbrunnen haben sich Freitagabend am August-Bebel-Platz praktisch zwei Lager gebildet. Ein Dialog zwischen Jugendlichen und der Stadt oder lärmgeplagten Anwohnern kam nur schwer oder gar nicht zustande. (Foto: Jan Möbius)
Rücken an Rücken: Getrennt durch einen Springbrunnen haben sich Freitagabend am August-Bebel-Platz praktisch zwei Lager gebildet. Ein Dialog zwischen Jugendlichen und der Stadt oder lärmgeplagten Anwohnern kam nur schwer oder gar nicht zustande. (Foto: Jan Möbius)

Halle/StäZ – Freitagabend, August-Bebel-Platz in Halle, fragende Gesichter: Die Stadt hatte zu einer weiteren Versammlung eingeladen, in der „Anwohner, Besucher, Gastronomen, Kommunalpolitiker und Vertreter von Stadtverwaltung und Polizei miteinander ins Gespräch kommen“ sollten zum nächtlichen Lärm von Jugendlichen, den Anwohner seit Monaten beklagen. Unter freiem Himmel wurde ein Gedankenaustausch organisiert, der für „Rücksichtnahme und Verständnis“ werben sollte. Wer dabei eine moderierte Veranstaltung erwartet hatte, wurde enttäuscht: Die Stadtverwaltung hatte eine Art Speed-Dating vorbereitet mit in den Stadtfarben eingehüllten Stehtischen und Schildern darauf, wer wo zu stehen hatte. Die für Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) typische Mikrofonanlage fehlte gänzlich – einmal mehr war die Öffentlichkeit praktisch trickreich ausgeschlossen. Die, um die es eigentlich ging, nämlich die Jugendlichen, die abends und vor allem nach Mitternacht am August-Bebel-Platz „bebeln“,  fehlten außerdem.[ds_preview]

„Schön vermischen und ein bisschen diskutieren“

So konnte das, was die Veranstaltung eigentlich erreichen sollte, erst gar nicht oder nur schwer zustandekommen: ein Dialog vor allem zwischen verärgerten Anwohnern und jenen, die für eben diesen Ärger sorgen. Warum die Jugendlichen der von Salzstangen und Kuchen flankierten Veranstaltung zu gesitteter Abendzeit um 19 Uhr fern geblieben sind, das lag für den Linken-Stadtrat Hendrik Lange, zugleich auch OB-Kandidat, auf der Hand: „Man hätte die Chance nutzen sollen, als die jungen Menschen vor zwei Wochen ins Gespräch kommen wollten. Das ist verpasst worden, die Quittung gibt es hier.“ Dass die Stadt weiter den Dialog zwischen allen Beteiligten suche, halte er freilich für richtig. Doch, so Lange, halte er das gewählte Format für falsch. „Ich bleibe beim Vorschlag eines Konfliktmanagements.“ Wiegand indes meinte in seiner knappen Eröffnung, man könne „sich schön vermischen und ein bisschen diskutieren“.

Die "Besucher" fühlten sich offenbar nach dem städtischen Rauswurf aus der ersten Anwohnerversammlung auch am Freitagabend nicht wirklich eingeladen. Ihre Tische blieben leer. (Foto: Jan Möbius)
Die „Besucher“ fühlten sich offenbar nach dem städtischen Rauswurf aus der ersten Anwohnerversammlung auch am Freitagabend nicht wirklich eingeladen. Ihre Tische blieben leer. (Foto: Jan Möbius)

Den Grund für die Verweigerungshaltung der Jugendlichen, die laut Anwohnern den August-Bebel-Platz nachts zur Partyzone machen, könnte eine Anwohnerversammlung am 27. August sein. Zu dieser waren viele von ihnen gekommen. Eingelassen wurden die meisten von ihnen jedoch nicht. Die Stadt hatte sie mit der Begründung, es habe sich um eine nichtöffentliche Anwohnerversammlung gehandelt, ausgesperrt. Auch Stadträte und Presse durften die  Versammlung nicht begleiten – für viele Zeugen des Geschehens freilich ein Skandal. Für jene ausgesperrten Jugendliche hatte Wiegands Protokollteam am Freitag sogar ein eigenes Schild „Besucher“ anfertigen lassen. Doch, so sagte zumindest einer von ihnen am Rande, wolle man sich nicht in dieser Weise die Art der Diskussion vorschreiben lassen.

Jugendliche machen Vorschlag, der als OB-Idee verkauft wird

Immerhin: Mit den wenigen Jugendlichen, die nach der Protest-Fahrradtour „Critical Mass“ am Bebel-Platz strandeten, kamen am Rande des Stelldicheins zumindest ein, zwei Gespräche zustande. So hörte etwa Dirk Herold, Sprecher der Anwohnerinitiative, die sich gegen den nächtlichen Lärm einsetzt, etwas, was er zuvor noch nicht kannte. Einer der Jugendlichen sagte, dass „wir ja auf der Peißnitz sitzen würden, wenn es dort für uns sicherer wäre.“ Der junge Mann, der wegen der ohnehin aufgeheizten Situation seinen Namen nicht nennen wollte, schlug vor, dass auf der Peißnitz eine Fläche geschaffen werden könnte, an der das Ordnungsamt präsent wäre. „Einfach zum Aufpassen. Toll wäre noch ein Kiosk.“ Allerdings fehle es aktuell auf der Peißnitz nachts an ausreichender Beleuchtung und vor allem an Toiletten. Die derzeit aufgestellten Container würden um 20 Uhr von der Stadt abgeschlossen. Genau das hätten die wenigen Jugendlichem, die von der Stadt zur ersten Anwohnerversammlung eingelassen wurden, dort erklärt und auch bemängelt. OB Wiegand habe gemeint, er würde „das so mitnehmen“.

Das tat der Oberbürgermeister offenbar auch und nutzte die Vorlage als Wahlkampfthema. Während des Bebel-Speed-Datings winkte er sich ausgewählte Journalisten heran, um ihnen offenbar die Vorschläge der Jugendlichen als seine Ideen zu verkaufen. So sagte Wiegand zur Mitteldeutschen Zeitung, „im nächsten Sommer auf der Peißnitz rund um die Fontäne einen Bereich schaffen zu wollen, der 24 Stunden abgesichert wird und in dem Jugendliche auch Partys feiern können“. Anfragen der Städtischen Zeitung, wie Wiegand die Veranstaltung resümiert, ließen der OB und sein Pressesprecher Drago seit Freitag obligatorisch unbeantwortet.

Knabberzeug stellte die Stadt auf die Tische, Kuchen steuerten die Anwohner bei. Beim Speed-Dating fehlten jedoch wichtige Partner. (Foto: Jan Möbius)
Knabberzeug stellte die Stadt auf die Tische, Kuchen steuerten die Anwohner bei. Beim Speed-Dating fehlten jedoch wichtige Partner. (Foto: Jan Möbius)
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