Offenes Wehr beschert der Saale Rhythmusstörungen

Ohne erkennbaren Grund sackt der Pegel binnen weniger Stunden regelrecht ab. Das hatte auch Auswirkungen auf den Mühlgraben in der Innenstadt.

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Um den 4. September herum wies die Ganglinie der Saale auffällige Schwankungen auf. Die Rhythmusstörungen erklärt das zuständige Amt mit Arbeiten am Pulverweidenwehr. (Foto/Montage: Jan Möbius)
Um den 4. September herum wies die Ganglinie der Saale auffällige Schwankungen auf. Die Rhythmusstörungen erklärt das zuständige Amt mit Arbeiten am Pulverweidenwehr. (Foto/Montage: Jan Möbius)

Halle/StäZ – Der Mühlgraben in Halles Innenstadt ist meist auch dann noch als Fluss zu erkennen, wenn die ihn speisende Saale Niedrigwasser führt. Dass deren Pegel ohne Vorwarnung absinkt und damit auch dazu führt, dass der Mühlgraben teilweise trocken liegt, kommt selbst in regenarmen Sommern nicht vor. Anders am 4. September dieses Jahres: Im Mühlgraben wurden plötzlich Geröllinseln sichtbar, durch das wenige, noch verbliebene Wasser schimmerte der Grund. Auch die Linie das Saalepegels in Trotha zeigte wie auf einem EKG Rhythmusstörungen knapp über und dann plötzlich auch deutlich unter dem Wert für das Mittlere Niedrigwasser. Innerhalb weniger Stunden sackte der Wasserstand am Unterpegel Trotha ab. Eine schlüssige Erklärung für die Schwankungen gab es zunächst in Halle nicht. Die Stadtverwaltung hatte gar nicht erst mitbekommen, dass der Mühlgraben nahezu leer war: „Der Stadt liegen keine Hinweise auf einen veränderten Wasserstand vor“, teilte Halles Pressesprecher Drago Bock auf StäZ-Nachfrage mit. Klärung brachte schließlich der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und  Hochwasserschutz (LHW).[ds_preview]

Am Pulverweidenwehr fanden auch am Mittwoch noch Instandhaltungsarbeiten statt. Dazu wurde eine Stauwand aufgebaut und das Wasser zwischen ihr und den beweglichen Wehrtafeln abgepumpt. (Foto: Jan Möbius)
Am Pulverweidenwehr fanden auch am Mittwoch noch Instandhaltungsarbeiten statt. Dazu wurde eine Stauwand aufgebaut und das Wasser zwischen ihr und den beweglichen Wehrtafeln abgepumpt. (Foto: Jan Möbius)

„Im Bereich Halle-Trotha kam es am 4. September zu einer größeren Wasserstandsschwankung. Die hat sich unterhalb des Pegels in abgeschwächter Form fortsetzt“, so LHW-Direktor Burkhard Henning gegenüber der StäZ. Grund dafür seien Instandhaltungsarbeiten am Pulverweidenwehr gewesen. Dort seien die großen Wehrtafeln im Tagesverlauf des 4. September erst abgesenkt und dann angehoben worden. Inzwischen ist die Wehrseite, an der gearbeitet wird, abgedichtet und abgesaugt worden. Somit kann dort, wo sonst das Wasser der Saale gegen die Wehrtafeln drückt, gearbeitet werden. Mit den beweglichen Tafeln des 1986 gebauten Pulverweidenwehrs kann der Wasserstand der Saale im Stadtgebiet vor allem bei Hochwasser reguliert werden. In der Regel passiert das recht langsam. Doch das plötzliche Auf und Ab der riesigen Stahlplatten hat offenbar am 4. September zu den sichtbaren Pegelschwankungen und schließlich zu den Veränderungen im Wasserstand des Mühlgrabens geführt.

Der Mühlgraben mit deutlich zu wenig Wasser am 4. September 2019. (Foto: xkn)

Denn der ist unweigerlich von der Saale abhängig. LHW-Chef Henning: „Eine Wasserspiegelabsenkung um mehr als 30 Zentimeter hat auf das verzweigte Gewässersystem der Saale im Stadtgebiet von Halle selbstverständlich Auswirkungen.“ Der LHW selbst betreibe im Stadtgebiet aber kein eigenes hydrologisches Messnetz. Somit könnten derartige Schwankungen wie vom 4. September „von uns leider nicht quantitativ belegt werden“, so Henning.

Für Henning liegt es also auf der Hand, dass die Schwankungen durch die Arbeiten am Wehr künstlich herbeigeführt wurden. Dürrephasen, wie sie die Region schon im zweiten Sommer in Folge erlebt, würden der Saale und auch der Weißen Elster nämlich kaum etwas anhaben. „Ihre Quellgebiete liegen außerhalb des Trockengebietes im östlichen Harzvorland in niederschlagsreicheren Regionen. Außerdem haben beide Flüsse relativ große hydrologische Einzugsgebiete“, so der LHW-Direktor. Zudem würden die Talsperren in Sachsen und Thüringen an den Oberläufen beider Flüsse als Wasserspeicher wirken, „die eine Mindestabgabe für die Fluss-Unterläufe zu gewährleisten haben“. Im Umkehrschluss seien Saale und Weiße Elster bei kritischen Witterungsverläufen mit langanhaltenden Niederschlägen in den oberen Einzugsgebieten wie etwa 2013 stark hochwassergefährdet.

Am 4. September hatte die Saale Rhythmusstörungen. Grund waren Arbeiten am Pulverweidenwehr, das dafür geöffnet und geschlossen wurde. (Quelle: Pegelonline)
Am 4. September hatte die Saale Rhythmusstörungen. Grund waren Arbeiten am Pulverweidenwehr, das dafür geöffnet und geschlossen wurde. (Quelle: Pegelonline)
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