Gysi in Halle: Linke keine Protestpartei mehr

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Gregor Gysi und OB-Kandidat Hendrik Lange auf dem Universitätsplatz von Halle. (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Der frühere Vorsitzende der Linken im Bundestag und jetzige Präsident der Europäischen Linkspartei Gregor Gysi sieht seine Partei in Ostdeutschland nicht mehr als Protestpartei. „Wenn eine Partei wie wir durchgängig in den Landtagen sitzt und in drei Landesregierungen, dann gilt sie irgendwann automatisch als etabliert“, sagte Gysi am Rande eines Stadtspaziergangs durch die Innenstadt von Halle (Saale) zur Städtischen Zeitung. Wähler, die der gesamten Politik einen Denkzettel verpassen wollten, wählten dann eben die AfD, so Gysi. „Für viele ist es das einzige Motiv, dass es der Politik insgesamt weh tut.“ Nur die wenigsten AfD-Wähler wählten die AfD, weil sie deren rassistische Positionen teilten.

Das schlechte Abschneiden der Linkspartei bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg erklärte Gysi auch mit einer falschen politischen Schwerpunktsetzung in der Vergangenheit. „Wir haben unsere Ostkompetenz zu wenig betont“, so Gysi, „weil wir uns gefreut haben, dass wir im Westen angekommen sind.“ Dabei sei die Linke laut Umfragen nach wie vor die Partei, der von den Ostdeutschen die höchste Ostkompetenz zugesprochen werde. „Das müssen wir wieder stärker deutlich machen.“ Zudem habe seiner Partei geschadet, dass die amtierenden Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (Sachsen) und Dietmar Woidke (Brandenburg) vor der Wahl aus Furcht vor der AfD den gefährdeten Ruf des Landes zum Thema gemacht hätten. Das habe zehntausende Linken-Wähler bewogen, die Regierungsparteien zu unterstützen.

Als einen Grund für das große Potenzial an Protestwählern nannte Gysi die „Unglaubwürdigkeit der etablierten Politik“. Wer wie in Jugoslawien einen völkerrechtswidrigen Krieg geführt habe, heutzutage aber mit Waffenexporten nach Saudi-Arabien gleichermaßen einen verbrecherischen Krieg im Jemen unterstütze, benutze Argumente, “ wie er sie gerade brauche“. Nötig sei aber eine „Politik mit Prinzipien“.

Gregor Gysi als Festredner beim Sommerfest der Landtagsfraktion der Linken in Halle. (foto: xkn)

Gysi war als Wahlkampfunterstützer für den Kandidaten der Linkspartei für das Oberbürgermeisteramt Hendrik Lange in Halle. Lange wird auch von Grünen und SPD unterstützt. Am Abend hielt Gysi zudem eine Rede beim Sommerfest der Landtagsfraktion der Linken, das in diesem Jahr ebenfalls in Halle stattfand. Auch hier wiederholte Gysi seine Analyse. Die Linken rief er angesichts der nächsten bevorstehenden Landtagswahl in Thüringen zu Geschlossenheit auf. Ziel müsse es sein, dass der erste linke Ministerpräsident Bodo Ramelow wiedergewählt werde. Die Partei dürfe sich nicht nur, „sondern höchstens zu 20 Prozent“ mit sich selbst beschäftigen und sich nicht zerfleischen. Es brauche die Linke, denn außer ihr habe keine Partei den Mut, „sich mit den Mächtigen anzulegen“, so Gysi.

Anmerkung: Einen Bericht zum Stadtspaziergang Gregor Gysis lesen Sie morgen in der StäZ.

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Dirk Dirot
4 Jahre her

Ich teile die Ansicht nicht, das jene die Aftler wählen nur der Politik eins auswischen wollen. Nach vielen O‑Tönen von vermeintlichen Protestwählern komme ich eindeutig zu anderen Ergebnissen: Blue is the new Brown