Der musikalische Zauber der Sprache

In Bad Lauchstädt wurde die deutsche Sprache bereits zum zwölften Mal mit einem Festspiel gefeiert - diesmal auch mit viel Musik!

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Zauberflöte nach Goethe in Bad Lauchstädt, mit Sava Vemic als Sarastro. (Foto: David Nuglisch)

Halle/Bad Lauchstädt/StäZ – Es ist eine späte, aber innige Liebe. Die Sopranistin Edda Moser gehörte bis Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts aktiv zur Weltspitze ihrer Zunft. Als Königin der Nacht etwa war sie legendär. Auch wenn sie naturgemäß viel in Italienisch gesungen hat, hinderte sie das nicht daran, ihre Liebe zur eigenen Muttersprache wachsen zu lassen. Sie beließ es aber nicht dabei, sondern rief ein Festspiel der Deutschen Sprache ins Leben. Als sie einen passenden Ort dafür suchte, riet ihr ihr Freund, der Hallenser Hans-Dietrich Genscher, zum Goethe-Theater Bad Lauchstädt vor den Toren seiner Heimatstadt.

Was sich dort seit 2007 mit dem Festspiel der Deutschen Sprache ereignet, würde man bei anderer Gelegenheit wohl eine Win-Win-Situation nennen und den Gewinn meinen, den Edda Moser, ihr Anliegen, also die Deutsche Sprache, Bad Lauchstädt und das Land Sachsen-Anhalt aus der alljährlichen September-Einladung in Goethes eigenes Theater ziehen. Aber Anglizismen sind dort nicht erwünscht. Hier gilt’s tatsächlich zu allererst der deutschen Sprache. So auch diesmal bei der Lesung am vergangenen Freitag und einer „Zauberflöte“ am Sonnabend und Sonntag. [ds_preview]

Prominente Schauspieler des ganzen Landes folgen Jahr für Jahr dem Ruf der hochberühmten Kammersängerin und lesen Texte der Klassiker. Längst hat sich zu den zelebrierten Sprachjuwelen das gelehrte und politische Gespräch gesellt. Längst ist Musik hinzugekommen. Diesmal war es Edda Mosers aktive Kollegin Anne Schwanewilms mit einem Liedprogramm.

Und eine eigens produzierte „Zauberflöte“, die aus der Masse ihrer Art herausragt, weil sie kein Geringerer als Goethe höchstselbst seinen Theaterzwecken gemäß eingerichtet hat. Mozarts einst für das Vorstadttheater in Wien gemachtes Singspiel passt – in welcher Version auch immer – ohnehin wie maßgeschneidert in dieses liebevoll bewahrte historische Theater vor der Stadt. Mit den alten Seilzügen für die Versenkungen, den unbequemen Sitzbänken und den Seiten- und Hintergrundprospekten für handgemachtes Theater. Wer nach Bad Lauchstädt aufbricht, der erwartet nicht den großen Gegenwartstest einer hinterfragenden Regie. Eher eine Vergewisserung in Sachen des Woher.

Gerade dafür bietet die jüngste, mit Bundesmitteln geförderte Koproduktion des Goethetheaters  mit der Oper Leipzig (speziell dem Chor) und dem Thüringer Landesmusikarchiv an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ ein Beispiel. Im schmalen Graben sitzen die Musiker des vor 15 Jahren gegründeten, auf historischen Instrumenten spielenden Orchesters l’arte del Mondo unter Leitung ihres Gründers Werner Ehrhardt. Sie steuern die Vitalität historischer Klangfarben bei. Das Ensemble führt der wie immer schnell zum Publikumsliebling avancierende Papageno von Florian Götz an. An seiner Seite der Koreaner Taejun Sun als ein geschmeidig lyrischer Tamino. Guilia Montanari ließ sich als Königin der Nacht (unter den Augen einer ihrer größten Vorgängerinnen in dieser Rolle) den Koloraturschneid nicht abkaufen. Anke Krabbe fügte Paminas Gefühl eine Prise dramatisches Selbstbewusstsein hinzu, und auch Sava Vemic setzte weniger auf das fast klischeehaft Salbungsvolle Sarastros, sondern mehr auf den selbstbewussten Herrschertyp. Fabelhaft die drei Damen der Königin (neben Anke Berndt von der Oper Halle, Sylvia Rena Ziegler und Jana Markovic).

Hier war insgesamt ein Ensemble beisammen, das zusammen mit den Abgesandten des Leipziger Opernchores für hohes musikalisches Niveau sorgte!

Mit seiner Inszenierung und Ausstattung nutzt Igor Folwill  geschmeidig die Möglichkeiten der Bühne, steuert Pappbilder von Drache, Giraffe, Löwe und Krokodil bei, verpasst Papageno ein rotes Gefieder, dem Prinzen eine edle Jacke, der Prinzessin ein hübsches weißes Kleid, ihrer Mutter gleich mehrere Nobelroben, Sarastro und seinen Leute priesterliches Gold. Ganz so, wie man es in Bad Lauchstädt erwartet, wie es niemanden aufregt, aber alle freut.

Taejun Sun als Tamino in Bad Lauchstädt. (Foto: David Nuglisch)

Das besondere war diesmal die Fassung, die Goethe als Chef des Weimarer Hoftheaters 1794 mit Texteingriffen von Christian August Vulpius eingerichtet hat und mit der er nach der Weimarer Uraufführung noch im selben Jahr mehrfach in Bad Lauchstädt gastierte. Diese aktuelle Festspielproduktion bleibt diesem Anlass vorbehalten und wird nicht touren. Es ist das Verdienst von René Schmidt, dass diese anhand des erhaltenen originalen Aufführungsmaterials rekonstruierte Version nach langer Zeit erstmals wieder zu erleben ist.

Natürlich bleibt die „Zauberflöte“ die „Zauberflöte“, auch wenn sie vom Zwei- zum Dreiakter wird. Was in der Vergangenheit schon mancher Regisseur hineininterpretiert hat, das ist hier drin: Es geht um die Erbfolge innerhalb einer Familie. Sarastro ist der Schwager der Königin der Nacht, Pamina also die Tochter von Sarastros verstorbenem Bruder, Tamino der erwünschte männliche Regent. Ansonsten gibts Änderungen eher im Detail – so mutiert etwa die Schlange zum Drachen. Die Statements zu den Frauen im Allgemeinen („Ein Weib tut wenig, plaudert viel“; „Ein Mann muss eure Herzen leiten, denn ohne Mann, wird jedes Weib leicht seine Grenzen überschreiten“) klingen freilich heute so überholt wie immer oder nicht viel anders als („pflegt jedes Weib aus ihrem Wirkungskreis zu schreiten“) bei Schikaneder. Zu den letzten Worten des Chores „Ihr liebt euch; seid glücklich und heiter und froh“ lässt Folwill seinen Tamino den Sonnenkreis, den er gerade von Sarastro erhalten hat, an Pamina weiterreichen. Worauf Sarastro seinen golden Mantel beiden umhängt. Na ja.

Interessant und festspieladäquat ist eine solche historische Rekonstruktion allemal. Man darf darauf gespannt sein, was der Herr über das Theater und die Kuranlagen René Schmidt in Sachen Goethe und die Oper noch so in petto hat.

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