Hufeisensee: Umweltamtschefin blamiert sich mit alternativen Fakten

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Umweltamtsleiterin Kerstin Ruhl-Herpertz verbreitet in einem Youtube-Video der Stadtverwaltung eine neue Lesart des Hufeisenseepegels. (Foto: Stadt Halle/Screenshot: StäZ)

Halle/StäZ – Der Golfcaddy steht abfahrbereit, direkt dahinter leuchtet das satte Golfplatzgrün, während hundert Meter weiter hinten die Trockenlandschaft beginnt: Halles Umweltamtsleiterin Kerstin Ruhl-Herpertz sorgt derzeit mit einem Youtube-Video für Erstaunen. In dem am Rande der Infoveranstaltung der Stadtverwaltung am vergangenen Sonnabend auf dem Golfplatz am Hufeisensee aufgenommenen Clip rechtfertigt Ruhl-Herpertz die Sondergenehmigung ihrer Behörde für den Golfplatzbetreiber, weiter Wasser aus dem Hufeisensee zur Bewässerung zu pumpen. Umweltschützer machen sich wegen des gefallenen Wasserspiegels seit Wochen Sorgen um den Hufeisensee und protestieren gegen die dem Golfplatz von Ruhl-Herpertz erteilte Sondergenehmigung. Ruhl-Herpertz lächelt die Kritik im Clip einfach weg. Zwischen zwei Zeigefingern zeigt sie an, wie weit der Pegel des Sees derzeit unter der Grenze von 91,5 Metern liegt. 18 Zentimeter. Alles nicht so wild, kein Grund zur Besorgnis – so die unterschwellige Botschaft des Clips.

Doch hat eben jene Aussage zur 91,5‑Meter-Marke aufmerken lassen. Diese, so erzählt Ruhl-Herpertz in dem Clip, sei der Maximalpegel des Sees, der festgelegt sei durch den auf diese Pegelhöhe eingestellten Überlauf des Sees zur Reide, dem kleinen Bachlauf im Osten Halles. Dieser Überlauf des Hufeisensees liegt am Nordwestufer an der Käthe-Kollwitz-Straße am südlichen Ortschaftsausgang von Büschdorf.

Stadt versucht Wasserspiegelhöhe umzudeuten

Maximalpegel? Mehr Wasser kann also im Hufeisensee gar nicht sein? Schnell kam unter Umweltschützern am Sonnabend der Verdacht auf, dass hier plötzlich die hydrologischen Werte durcheinandergewirbelt werden, um die umstrittene Sondergenehmigung für die Golfplatzbewässerung zu rechtfertigen. In der Tat: Schon ein kurzer Faktencheck zeigt, dass die Stadt bisher ganz andere Angaben gemacht hat: Auf eine Anfrage der Grünen im Stadtrat antwortete die Stadt im Mai 2016 wie folgt: „Eine Entnahme unterhalb eines Wasserspiegels von 91.50 m NHN im Hufeisensee ist untersagt.“ 91,5 Meter waren also bis Sonnabend eine nicht zu unterschreitende Minimalgrenze, bevor Ruhl-Herpertz sie plötzlich zur Maximalgrenze erklärte. Im Bebauungsplan für den Golfplatz findet sich gar eine Pegelhöhe von „ca. 92 Metern“ als „eingestellte“ Höhe des Wasserspiegels im Hufeisensee.

Davon ist der See weit entfernt. Derzeit sollen es, so Ruhl-Herpertz, 91,32 Meter sein. Überprüfen lässt sich das nicht. An der Pegelmarke am Überlauf des Sees jedenfalls ließ sich am Montag kein ordentlicher Pegel mehr ablesen. Der Graben liegt trocken. Nach StäZ-Informationen soll die mittlere Pegelhöhe in den einschlägigen hydrologischen Modellen bei 91,7 Metern liegen. Das wäre demnach der Normalzustand. Von diesem ist der Hufeisensee also knapp 40 Zentimeter entfernt, was ein wesentlich dramatischerer Befund wäre, als der von Ruhl-Herpertz verkündete. Bei 73 Hektar Wasserfläche entsprechen 38 Zentimeter einer Wassermenge von 277.400 Kubikmetern oder 277,4 Millionen Litern, die fehlen.

Warum aus einer Untergrenze plötzlich eine Obergrenze mit nach unten praktisch beliebig offenem Ermessensspielraum wird, wollte die Stadt auf StäZ-Anfrage nicht beantworten. „Ihre Annahme, dass für den Hufeisensee eine feste Untergrenze des Wasserspiegels in Höhe von 91,5 Metern festgesetzt sei, ist falsch“, teilt Stadtsprecher Drago Bock mit, ohne auf weitergehende Fragen einzugehen. Der Sachverhalt sei umfangreich am Sonnabend auf der Informationsveranstaltung erörtert worden. Zu der hatte Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) auf den Golfplatz eingeladen. Doch sein Plan, die Gemüter zu beruhigen, dürfte durch das Verbreiten der alternativen Fakten am Sonnabend zunächst einmal nicht aufgehen.

Aldag zieht Fachkompetenz des Umweltamts in Zweifel

Grünen-Stadtrat Wolfgang Aldag zieht inzwischen sogar die fachliche Kompetenz des Umweltamts in Zweifel. „Wenn eine Umweltbehörde ernsthaft sagt, dass aus dem See sehr viel Wasser verdunstet und dass es deshalb unerheblich ist, noch mehr Wasser rauszunehmen, halte ich das für eine fachlich dramatische Aussage“, so Aldag zur Städtischen Zeitung. Es fließe aufgrund der trockenen letzten zwei Jahre viel zu wenig Grundwasser in den See nach. Das Umweltamt nehme diese Fakten aber gar nicht zur Kenntnis. „Mir scheint, dass es nachträglich so hingedeichselt wird, um die Sondergenehmigung für den Golfplatz zu rechtfertigen“, sagt Aldag zur Maximalwertdebatte. Dabei zeige die Vegetation an den Seeufern deutliche Trockenerscheinungen. „Und wenn es diese Trockenerscheinungen gibt, dann heißt das, dass zu wenig Wasser da ist. Dann halte ich es für falsch, noch weiter Wasser rauszunehmen.“

Lange will unabhängige wissenschaftliche Analyse

Stadtrat und OB-Kandidat Hendrik Lange (Linke) vermisst nach dem Durcheinander um Minimal- oder Maximalgrenze eine transparente Zahlenbasis. Auch er vermutet Methode: „Ich glaube, dass die Diskussionen ein Ausmaß angenommen haben, die dem OB unangenehm sind. Man versucht jetzt irgendwie, die Entscheidung für die Golfplatzgenehmigung zu rechtfertigen“, so Lange. Er regt unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen an. „Wir müssen wissen, welche Folgen ein weiteres Absinken des Wasserspiegels auf die Hydrologie hat. Wir müssen wissen, wie hoch das Risiko für die Böschungen und für die Natur ist, wie schwerwiegend zum Beispiel das Trockenlegen des Schilfgürtels für die Pflanzen- und Tierwelt ist. Darüber brauchen wir Erkenntnisse und eine objektive Zahlenbasis“, so Lange.

Zudem plädiert Lange dafür, die unterschiedlichen Interessenvertreter an einen Tisch zu holen. Eine ähnliche Forderung hatte zuvor bereits FDP-Stadtrat Olaf Schöder erhoben. Anlässlich der Protestaktion gegen die Bewässerung des Golfplatzes hatte er gesagt: „Hier jetzt Stimmung gegen einzelne Akteure zu machen, halte ich für falsch.“ Ein ähnliches Problem erlebe man auch am Süßen See, „wo sich Initiativen gegen die Obstbauern in Stellung bringen.“ Anlässlich immer mehr trockener und heißer Jahre werde es zu immer mehr Verteilungskämpfen ums Wasser kommen. „Es wäre zielführender gewesen einen Runden Tisch ins Leben zu rufen, welcher sich mit der Wasserversorgung in der Zukunft beschäftigt,“ so Schöders Vorschlag.

Von einem Runden Tisch war die Infoveranstaltung des Oberbürgermeisters am Sonnabend jedoch weit entfernt.

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Dirk Dirot
4 Jahre her

Der Fachbereich Umwelt, sollte eigentlich Anwalt der Umwelt sein. In anderen Gemeinden und Städten wird die Wasserentnahme verboten. Aber Golfplätze sind ja auch irgendwie Umwelt( Ironieknopf aus)