Bahnübergang Nietleben: Tauziehen zwischen Stadt und Bahn

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Seit einem Jahr ist der Bahnübergang in Halles Stadtteil Nietleben gesperrt. Er entspricht nicht mehr den geltenden Sicherheitsvorschriften, eine Ausnahmeerlaubnis zum Betrieb ist im Sommer 2018 ausgelaufen. Gebaut wird aber bisher nicht. (Foto: mag)
Seit einem Jahr ist der Bahnübergang in Halles Stadtteil Nietleben gesperrt. Er entspricht nicht mehr den geltenden Sicherheitsvorschriften, eine Ausnahmeerlaubnis zum Betrieb ist im Sommer 2018 ausgelaufen. Gebaut wird aber bisher nicht. (Foto: mag)

Halle/StäZ – Seit einem Jahr ist der Bahnübergang zwischen Halles Stadtteil Nietleben und der angrenzenden Gartenstadt sowie Halle-Neustadt gesperrt. Fußgänger, Radfahrer und Autos müssen einen langen Umweg in Kauf nehmen – auch Rettungswagen, die das Krankenhaus in Dölau ansteuern, können die Gleise nicht passieren. Dabei sollte der Übergang längst saniert, umgebaut und wieder freigegeben sein. Passiert ist bisher aber nichts. Auf Nachfragen von Stadträten antwortete die Verwaltungsspitze meist zurückhaltend. Die Bahn werde bald mit dem Bau beginnen oder man wolle bei der Deutschen Bahn auf einen schnellen Baustart drängen, ließ OB-Büroleiterin Sabine Ernst in den Sitzungen häufig wissen – zuletzt am 26. Juni dieses Jahres  auf Nachhaken von CDU-Stadtrat Andreas Schachtschneider. Dass Ernst dabei nie konkrete Antworten lieferte, könnte wohl daran liegen, dass die Verwaltung in Halle offenbar selbst eine Aktie an der Bauverzögerung hat. Das haben Recherchen der städtischen Zeitung ergeben. [ds_preview]

Die Bahn stehe zwar in den Startlöchern, um den Gleis-Übergang umzubauen. Doch das Projekt habe wegen fehlenden Planrechts mehrfach verschoben werden müssen, so Bahnsprecher Jörg Bönisch auf StäZ-Nachfrage. Zu den genauen Gründen, die dazu geführt haben, dass das Planfeststellungsverfahren für ein aus Sicht der Bahn überschaubares Vorhaben auch nach einem Jahr nicht abgeschlossen ist, wollte er sich nicht äußern und verwies auf das Eisenbahnbundesamt (EBA) als zuständige Aufsichtsbehörde. Deren Pressesprecherin Heike Schmidt teilte mit, dass entsprechende Pläne für den Umbau des Bahnübergangs in Nietleben zwar vorliegen würden. „Allerdings waren darin wesentliche Punkte lange Zeit ungeklärt.“

KOMMENTAR

Gescheiterte Transparenzoffensive

„Ich war es nicht!“ Das dürfte weltweit noch immer Ausrede Nummer eins sein, wenn etwas  gehörig schief läuft. In Halles Stadtverwaltung scheint diese Unart, anderen den Schwarzen Peter zuzuschieben, verbreitet zu sein – bis in die Rathausspitze. Anstatt offen auf klar formulierte Fragen der Städtischen Zeitung zu antworten, macht es sich Stadtsprecher Drago Bock und mit ihm das OB-Büro einfach: Der Ball wird mit einem knappen Satz an eine andere Behörde weitergespielt – mutmaßlich im Wissen um und trotz einer Mitverantwortung der eigenen Ämter im Rathaus. Nicht einmal die Fragen von Stadträten zu den Vorgängen rund um den Bahnübergang in Nietleben werden ordentlich beantwortet. Die Transparenzoffensive, von OB Wiegand vor sieben Jahren großspurig angekündigt, ist sang und klanglos gescheitert.

Stattdessen werden Fragen, egal  wer sie stellt, meist ausweichend und oberflächlich beantwortet. Kritische Sachverhalte fallen gern auch ganz unter den Tisch. Es wäre im konkreten Fall des Bahnübergangs in Nietleben ein Einfaches gewesen, allen Nachfragenden – egal ob Stadträten, Bürgern oder Medien –  mitzuteilen, dass es noch Abstimmungsbedarf zwischen der Stadt und der Bahn gibt. Wo bitte ist das Problem? Stattdessen wird eine andere Behörde vor das Loch geschoben, die dann zur Aufklärung beitragen soll. Freilich muss man davon ausgehen, dass auch die Bahn im Planfeststellungsverfahren Fehler gemacht hat. Von Eigenreflexion gibt es aber zumindest in der Stadtverwaltung keine Spur.

Im Rathaus verspielt man so jede Menge Vertrauen. Bei den Einwohnern der Stadt, ihren gewählten Räten und nicht zuletzt auch bei wichtigen Partnern. Und die sitzen nicht nur in den Chefetagen von Wirtschaftsunternehmen. Ebenso wichtig wie eine guter Draht zu Investoren ist auch ein vertrauensvoller Kontakt zu anderen Behörden, die sich freilich ungern als alleinige Übeltäter hinstellen lassen. In Halles Rathaus muss man das offenbar erst noch lernen. (jam)

Die Straßenentwässerung sei dabei zum größten Problem geworden. „In dem Punkt gab es über weite Strecken Unklarheit zwischen den beteiligten Kreuzungspartnern“, so Schmidt. Das sind die DB Netz AG als Betreiberin der Eisenbahnstrecke und die Stadt Halle als Verantwortliche für den innerstädtischen Straßenbau und vor allem im konkreten als Trägerin der Wasserbehörde. Zwischenzeitlich musste auch das Landesverwaltungsamt im Anhörungsverfahren aktiv werden.

EBA-Sprecherin Schmidt wurde gegenüber zu den von ihr genannten Unklarheiten bei der Straßenentwässerung ebenso wie Bahn selbst nicht konkret. Wie aber zu erfahren war, liegen bei den Planern der Bahn die Nerven blank. Nach Informationen der Städtischen Zeitung soll die Wasserbehörde der Stadt Halle wiederkehrend Auflagen erteilt haben, die in jedem Fall neue und vor allem aufwändige Gutachten erforderlich gemacht hätten, um Planrecht zu erhalten. Wie zu erfahren war, sehe man innerhalb der DB Netz viele Auflagen  als Schikane und als ungerechtfertigt an.

Die Stadt äußerte sich auf Fragen zum Ablauf des Planverfahrens nicht. Dabei zeigte sich die Verwaltung innerhalb der vergangenen zwölf Monate durchaus öffentlich verärgert über den dauerhaft geschlossenen Bahnübergang. Es sei unverständlich und nicht mehr zumutbar, dass die Maßnahme ständig verschoben werde, äußerte ein empörter Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) währen einer Beigeordnetenkonferenz im Februar. Wenig später kündigte Wiegands Sicherheitschef Tobias Teschner an, per Verfügung die durch das EBA aus Sicherheitsgründen veranlasste Sperrung des Bahnübergangs aufheben lassen zu wollen – und scheiterte im Mai nach einem Einspruch der Bahnaufsicht, weil der Übergang ohnehin nur noch per Ausnahmeerlaubnis genutzt werden konnte.

Die StäZ wollte nun von der Stadt konkret wissen, wie sich das Planverfahren aus Sicht der Verwaltung gestaltet hat, welche kommunalen Ämter daran mit welchen Auflagen an die Bahn beteiligt waren und in welcher Form analog der Ankündigungen gegenüber Stadträten direkt Einfluss auf einen zügigen Ablauf genommen wurde. Stadtsprecher Drago Bock antwortete daraufhin: „Bitte richten Sie Ihre Anfrage an das Eisenbahnbundesamt als zuständige Genehmigungsbehörde für das von der DB beantragte Planfeststellungsverfahren.“

Dem EBA scheinen jedoch zumindest mit Blick auf die Dauer des Planverfahrens die Hände gebunden zu sein. „Zwar bedarf jeder Neubau und jede Änderung von Eisenbahnbetriebsanlagen der vorherigen Zulassungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde, also des Eisenbahn-Bundesamtes“, so Sprecherin Schmidt. Das EBA sei dabei nur ein Teil des Gesamtprozesses für ein Bauvorhaben, dessen Steuerung, also auch der Terminplan, immer in den Händen der Bahn bleibe. Der zeitliche Ablauf werde Schmidt zufolge durch viele Faktoren wie Finanzierungsgespräche und den eigentlichen Bau bestimmt. „Bei Maßnahmen an Bahnübergängen spielen auch oft Abstimmungen mit dem Träger der Straßenbaulast über Art, Umfang und Durchführung eine Rolle“, so Schmidt.

Im konkreten Fall des Übergangs Nietleben also mit der Stadtverwaltung. Inwiefern das Planverfahren hätte abgekürzt werden können, blieb offen. Allgemein jedoch, so EBA-Sprecherin Schmidt, sehe das Gesetz verschiedene Verfahrensmöglichkeiten vor. „Wir werden im Rahmen dieser Vorgaben die Art wählen, die den geringsten zeitlichen und inhaltlichen Aufwand bedeutet.“

Die macht Nägel mit Köpfen: Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, wurde am Bahnübergang in Nietleben schon mal mit Bauvorbereitungen begonnen. (Foto: mag)
Die Bahn macht Nägel mit Köpfen: Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, wurde am Bahnübergang in Nietleben schon mal mit Bauvorbereitungen begonnen. (Foto: mag)

Wann die Bahn das Planrecht erhalten wird, das bleibt weiter im Unklaren. Bahnsprecher Bönisch teilte mit, dass die gemeinsame Abstimmung mit der Stadt Halle dazu laufe. Allerdings will der Konzern offenbar keine weitere Zeit verlieren und hat schon den ersten Bagger zur künftigen Baustelle geschickt. „Um schnellstmöglich nach Erhalt des Planrechts starten zu können, hat die Bahn am 30. Juni mit ersten bauvorbereitenden Maßnahmen im Bereich des Bahnübergangs begonnen.“ Dazu gehören Abrissarbeiten an den Sicherheitsanlagen und erste Erdarbeiten. Ziel ist es laut Bahn, den Übergang noch in diesem Jahr für den Verkehr freigeben zu können.

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