Wasserstoff voraus

Am Freitag ist in Halle die erste Wasserstofftankstelle der Stadt eröffnet worden. Ministerpräsident Haseloff hält die Technologie für zukunftsweisend.

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Feierliche Eröffnung der neuen Wasserstofftankstelle in der Blücherstraße mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU, 2.v.r.), Fraunhofer-Institutsdirektor Ralf Wehrspohn (r.) und Volker Ciesiolka von PS Union (Mitte). (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Ist das der Aufbruch in die Zukunft des Autoverkehrs? Es rauscht, es zischt ein bisschen, aber merklich ist es kaum, was da an Treibstoff der Zukunft in den Tank des Vorzeigeautos strömt. An der Zapfsäule der ersten Wasserstofftankstelle Halles steht der Ministerpräsident, umringt von etwas mehr als der üblichen Schar an Journalisten und Honoratioren, und tankt. Dann setzt sich Rainer Haseloff (CDU) mit Volker Ciesiolka, dem Geschäftsführer des halleschen Autohändlers PS Union, in den Wasserstoff-Hyundai – Kennzeichen „HAL–H2 E“ („H2“ für Wasserstoff, „E“ für Elektrofahrzeug) – und schnurrt ultraleise auf die Blücherstraße, eine kleine Runde drehen. Der E‑Motor gibt kaum Geräusche von sich. Das Tanken selbst hat keine fünf Minuten gedauert. So einfach könnte sie also sein, die E‑Mobilität der Zukunft?[ds_preview]

Wasserstoff-Autos haben in der Regel einen Elektromotor. Der Strom dafür wird direkt an Bord CO2-neutral produziert und zwar von Brennstoffzellen, in denen der Wasserstoff mit Sauerstoff aus der Luft reagiert. Dabei wird chemisch elektrische Energie freigesetzt. Reststoff ist Wasserdampf.

Ralf Wehrspohn vom Fraunhofer-IMWS wies am Freitag noch auf weitere Vorteile der Brennstoffzellentechnologie in Autos hin: Bei der Reaktion in der Brennstoffzelle entsteht auch Abwärme, die sich im Winter für das Heizen des Fahrzeugs nutzen lasse, anders als bei batteriebetriebenen E‑Autos, die einen Teil des kostbaren Stroms zum Heizen mitverwenden müssen.

Zudem seien die Wasserstoff-Autos gleichzeitig auch „Feinstaubsauger“ und reinigten die Luft. Denn sie benötigten sehr reinen Sauerstoff aus der Luft, so dass die Reinigungskatalysatoren beim Fahren auch eine Menge Feinstaub einsammeln würden. Dafür gebe es sogar eine Anzeige im Fahrzeug, die zeige, wie viel Luft man während der Fahrt verbraucht habe.

Es gebe aber auch noch Nachteile: Brennstoffzellenautos kämen noch nicht an die Beschleunigungsmöglichkeiten und die Fahrdynamik von anderen E‑Autos heran. Hier sei noch viel Forschung nötig. (xkn)

Ministerpräsident hinterm Steuer – mit sprechendem Kennzeichen. (Foto: xkn)

Haseloff zumindest hatte vor seiner Spritztour nicht mit Zukunftstönen gespart. „Wasserstoff ist das entscheidende Molekül des Kosmos.“ Denn es sei die einzig durchgängig zur Verfügung stehende Grundlage für praktisch alles. Daher sei auch die mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle als Antriebsart überlegen. Diesel, Benzin, aber auch batteriebetriebene E‑Autos seien lediglich Brückentechnologien. Die Brennstoffzelle biete vergleichbares Handling, vergleichbare Geschwindigkeit und Reichweite, so Haseloff. Wasserstoff voraus!

Kritischer Blick beim Tanken. knapp 3 Kilo Wasserstoff gingen in den Tank. (Foto: xkn)

Die neue Tankstelle in der Blücherstraße ist nun für die Öffentlichkeit zugänglich. Sie schließt ein Netz zwischen Leipzig und Magdeburg, wo die nächsten beiden Tankstellen sind. Autofahrer, die von der Autobahn kommen, haben allerdings einen weiten Weg durch Halle, um sie zu erreichen. Errichtet hat die Station das Konsortium H2 Mobility, ein Zusammenschluss von den Ölfirmen OMV, Shell und Total sowie von Daimler, Air Liquide und Linde. H2 Mobility wird natürlich englisch ausgesprochen, und so ergibt sich ein hübsches Wortspiel: Man kann nämlich auch „age to mobility“ verstehen, Zeitalter hin zur Mobilität.

Wer allerdings heutzutage schon mit Wasserstoff unterwegs ist, beschränkt sich entweder auf einen bestimmten Radius rund um die Tankstellen oder er nimmt auf Langstreckenreisen Umwege in Kauf. Wer an den inzwischen deutschlandweit 70 Tankstellen tanken will, braucht zudem eine spezielle Tankkarte. Ein Kilo Wasserstoff, das bis zu 100 Kilometer Reichweite bringt, kosten 9,50 Euro. Das ist nicht wesentlich billiger als das fossile reisen, wenn überhaupt. In den Hyundai Nexo (Anschaffungspreis ca. 69.000 Euro) passen gut sechs Kilo. Das Tankstellennetz soll weiter wachsen.

Das Tanken ist nicht schwer. Eine Zapfpistole wird fest mit dem Tankstutzen verbunden, und dann geht es auf Knopfdruck los. (Foto: xkn)

Halle hatte sich bei der Tankstellenausschreibung gegen 30 andere Standorte durchgesetzt. Die Wasserstofftankstelle ist aber nicht nur fürs deutsche Tankstellennetz wichtig. Sie ist auch ein kleines Sinnbild für den regionalen Aufbruch in die Wasserstofftechnologie, vorangetrieben unter anderem von Linde in Leuna und dem halleschen Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen (IMWS), aber auch von den halleschen Stadtwerken und der Autofirma PS Union, die nach E‑Autos nun auch Wasserstoffautos als Carsharingfahrzeuge nutzen wird – eines der ausschlaggebenden Argumente für den Zuschlag. Sachsen-Anhalt verfolge zudem das Ziel, vom bisher noch grauen Wasserstoff zu grünem Wasserstoff zu kommen, also zu Wasserstoff, der ausschließlich mit aus erneuerbaren Quellen gewonnenem Strom produziert wird, so Haseloff.

Bedienfeld der Wasserstoff-Tankstelle. (Foto: xkn)

Mit dem Wasserstoffkonsortium Hypos steht dafür bereits ein Konsortium aus der regionalen Industrie und Wissenschaft bereit. Haseloff kam am Freitag direkt aus Bitterfeld-Wolfen, wo eine Wasserstoff-Testanlage zu Forschungszwecken in Betrieb ging. IWMS-Direktor Ralf Wehrspohn, der auch bei Hypos eine führende Rolle spielt, sagte am Freitag: „Wasserstoff ist der Schlüssel zu Defossilisierung.“

Und in Halle kann man ihn jetzt tanken.

Wasserstofftankstelle Halle in der Blücherstraße. (Foto: xkn)
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