„Satiriker sind Idealisten“

Die Satirepartei Die PARTEI will wieder in den Stadtrat einziehen. Ein Gespräch mit Martin Bochmann über die vergoldete Silberhöhe und Ernsthaftigkeit in der Kommunalpolitik.

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Martin Bochmann, Vorsitzender der PARTEI in Halle. (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative, die PARTEI, ist bei der Stadtratswahl 2014 ein Überraschungserfolg gelungen: Ein Stadtrat zog für die Satirepartei damals in die Kommunalvertretung ein. 2019 will sie wieder Mandate in Halle erringen, und zwar in Fraktionsstärke, wie der Stadtvorsitzende und Spitzenkandidat im Wahlbereich 2 Martin Bochmann im Gespräch mit StäZ-Redakteur Felix Knothe erklärt. Satire sei dabei ein Mittel, um vor allem junge Menschen für Politik zu interessieren. Trotz der durchgängig nicht vollends ernst gemeinten Forderungen wollen die PARTEI-Aktivisten in Halle offenbar nicht nur als Spaßpolitiker wahrgenommen werden. Und diese Art, Politik zu machen, scheint in bestimmten Kreisen zu ziehen. Der Auftritt des Europakandidaten der PARTEI Martin Sonneborn am 14. Mai in Halle zog bisher das meiste Publikum auf den Markt. Martin Bochmann will aber nur abwechselnd mit Ja und Nein stimmen, wie es Sonneborn in Straßburg macht, wenn er von einem Thema keine Ahnung habe.[ds_preview]

Herr Bochmann, Ihre Wahlkampfveranstaltung mit Martin Sonneborn auf dem Markt war bisher die mit dem meisten Publikum. Lässt das Rückschlüsse auf das Wahlergebnis zu?
Martin Bochmann: Ich hoffe ja. Die Ergebnisse der U18-Wahl bestätigen das. Da sind wir nach den Grünen die zweitstärkste Kraft geworden.

Das heißt, Ihr Wahlziel, die SPD abzulösen, liegt in greifbarer Nähe?
Bochmann: Bei den Unter-18-Jährigen hätten wir sie schon abgelöst, wie gesagt. Wir liegen jetzt gleichauf mit der CDU.

„Wir können sehr gut mit Fridays for Future und die mit uns.“

Was bedeutet das für Halle?
Bochmann: Nur das Beste natürlich. Wir wollen in den Stadtrat und wollen dort auch etwas erreichen. Wir haben viele Jugendliche bei uns. Wir haben den jüngsten Schnitt bei den Stadtratskandidaten. Wir kennen uns aus mit den Problemen der Jugendlichen.

Zum Beispiel?
Bochmann: Wir können sehr gut mit Fridays for Future und die mit uns. Spätestens mit dem Entschuldigungsschreiben von Martin Sonneborn sind wir bei den Schülern sehr bekannt. Die letzten Unterstützerunterschriften für Wahlbereich 5 hatten wir danach in Nullkommanix zusammen. Ein anderes Beispiel: Letztes Jahr haben wir eine Aktion vor dem Landesmuseum gemacht, die hieß: Demo gegen Ruhe in den Wohngebieten. Damit haben wir einfach nur darauf aufmerksam gemacht, dass die Kids keinen Raum haben, wo sie sich treffen können. Danach haben wir die Zuschrift einer 16- oder 17-Jährigen Berufsschülerin bekommen, die gesagt hat: Vielen Dank, dass Ihr auf das Problem aufmerksam gemacht habt. Diese Kids wollen keinen belästigen. Die wollen auch keinen Müll produzieren. Aber sie haben keinen Raum, und die Ziegelwiese ist zu weit und zu unsicher.

Das klingt eher nach ernsthafter Politik, die Sie machen wollen.
Bochmann: Natürlich. Wir sind keine Politikverächter. Satiriker sind auch Idealisten. Wir wollen Halle auf unsere Art ein bisschen besser machen. Und Provokation ist da oft effektiver als ein Stadtratsantrag.

Die müssten Sie aber dann ja im Zweifel auch stellen.
Bochann: Das würden wir auch tun.

Martin Sonneborn (Die PARTEI) im Wahlkampf in Halle (Foto: xkn)

Ist Satire heutzutage die bessere Form, sich mit Politik auseinanderzusetzen?
Bochmann: Viele Jugendliche holen sich heute ihre politische Bildung eher aus der Heute-Show als aus den Heute-Nachrichten. Aber das ist nichts Schlechtes. Satire ist eine Kunstform der politischen Bildung. Ein Böhmermann ist bei allem Quatsch ein politisch denkender Mensch und bringt das rüber. Die Diskussion über Mindestvergütung von Paketboten hat praktisch er angestoßen mit seinem bitterbösen Beitrag zu dem Thema. Wir sind im Moment auch die einzige Partei, zu der die Leute hinkommen, ohne dass man sie anlocken muss. Die Leute wollen unsere Plakate haben. Sie fangen sogar jetzt schon an, sie zu klauen. Das dürfen sie auch, aber bitte erst nach der Wahl.

Apropos Plakate: Steht zu erwarten, dass Sie die Vergoldung der Silberhöhe tatsächlich im Stadtrat fordern werden wie auf ihren Wahlplakaten?
Bochmann: Höchstwahrscheinlich nicht. Außerdem ist auf dem Plakat ja Halle-Neustadt zu sehen.

Wie ist es gemeint?
Bochmann: Wir hatten gehofft, dass sich Leute darüber aufregen.

„Es gibt genug Leute im Stadtrat, die tun so, als wären sie tierisch kompetent. Sind sie aber nicht.“

Aber eigentlich finden es alle gut? Ist es also doch eine gute Forderung?
Bochmann: Selbstverständlich. Es ist ja auch ein gutes Wortspiel. Und in Hamburg wurde ja tatsächlich ein ganzer Wohnblock in einer nicht so schicken Gegend mit Blattgold überzogen im Rahmen einer Kunstaktion. Das sah gar nicht so schlecht aus.

Worauf kommt es der Partei noch an?
Bochmann: Ein Bereich ist die Kultur. Die bearbeite ich jetzt schon als sachkundiger Einwohner im Kulturausschuss. Da ist einiges im Argen, auch wenn es jetzt zum Beispiel Mittel für die freie Szene gibt. Dafür habe ich im Kulturausschuss hart gekämpft. Aber man wird als Sachkundiger nicht wirklich ernst genommen, auch wenn man manchmal der Sachkundigste von allen dort ist. Man ist trotzdem nicht mal Zählkandidat. Das war auch ein Grund zu sagen: Jetzt wollen wir es als PARTEI wirklich wissen.

Werden Sie, wie Martin Sonneborn im Europaparlament, dann im Stadtrat immer abwechselnd mit Ja und Nein stimmen?
Bochmann: Bei Sachen, von denen ich keine Ahnung habe, ja. Es gibt genug Leute im Stadtrat, die tun so, als wären sie tierisch kompetent. Sind sie aber nicht.

Wie hoch ist denn die Gefahr, dass das passiert, was nach der letzten Stadtratswahl passiert ist. Damals hat Ihr einziger Stadtrat Thomas Schied kurz nach der Wahl das Lager gewechselt und ist zur Linken gegangen. Jetzt ist er dort Spitzenkandidat.
Bochmann: Die Gefahr besteht dieses Mal nicht. Damals hatten wir auch nicht damit gerechnet, dass wir in den Stadtrat kommen. Diesmal ist es uns wirklich ernst.

In der PARTEI spielt auch Bier eine große Rolle…
Bochmann: … nicht mehr! Wir wollen davon wegkommen, denn wir sind nicht die APPD 2.0.

Sie werden also nicht mit Bierpulle im Stadtrat auftauchen?
Bochmann: Nein…. [Überlegt] Weiß ich nicht. Ich kann nicht für alle sprechen.

Was fordern Sie noch?
Bochmann: Wir fordern die SK-Maut, also eine Maut für die Stinkdiesel-SUVs aus dem Saalekreis, die die ganze Zeit durch Halle fahren. Das meinen wir ernst. Die Dinger sind zu gar nichts gut.

„Neben der AfD möchte man nicht sitzen.“

Sie fordern stattdessen kostenlosen Nahverkehr, aber nur für Schüler am Freitag.
Bochmann: Damit sie zu den Fridays-for-Future-Demos fahren können. Viele klagen ja immer, dass kostenloser Nahverkehr nicht bezahlbar sei. Unser Kompromiss ist also: Okay, nur am Freitag. Das können dann sicher auch alle unterstützen, die die Schulpflicht hochhalten.

An anderer Stelle fordern Sie dann aber auch montags zwischen 1 Uhr und 3 Uhr kostenlosen ÖPNV. Ein Widerspruch?
Bochmann: Nein, denn da fährt nichts. Also gar nichts. Die Forderung kommt von unserem Straßenbahnfahrer.

Was hat es mit der Forderung auf sich, an den Bühnen Halle täglich das Stück „Ich – einfach unverbesserlich“ aufzuführen?
Bochmann: Da geht es um Herrn Rosinski [Geschäftsführer der Bühnen Halle, Anm. d. Red.], der dort seinen Egotripp schiebt.

Sie haben sich im halleschen Theaterstreit auf einen Schuldigen festgelegt?
Bochmann: Was heißt schuldig? Sagen wir mal so: Er hat sich bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden.

Sie fordern auch den Erhalt illegaler Grafitti.
Bochmann: Die Forderung haben wir von Hauptsache Halle geklaut. Wir haben in dem Satz nur Grafitti und Hundewiesen vertauscht. Er lautet jetzt: „Wir fordern den Erhalt und die Pflege illegaler Graffiti und die schnelle Beseitigung städtischer Hundewiesen auf der Grundlage einer Fördermittel-Richtlinie.“ Eine sinnvolle Forderung.

Hand aufs Herz: Wie hoch soll Ihr Wahlergebnis werden?
Bochmann: So hoch, dass es für eine Fraktion reicht, also für drei.

Mit welchen anderen Parteien sehen Sie die größten Schnittmengen?
Bochmann: Das ist verdammt schwierig in Halle, weil bei einigen die Bundesparteien in Ordnung sind und die Hallenser Trottel, bei anderen sind die Hallenser in Ordnung und die Bundesparteien Scheiße. Das muss man dann wirklich austarieren, wenn das Wahlergebnis feststeht.

Anders gefragt: Neben welcher Partei würden Sie gerne sitzen?
Bochmann: Neben der NPD, um sie mit Papierkügelchen zu bewerfen. Aber die kommen ja leider nicht mehr rein.

Das würde dann vermutlich den Platz neben der AfD bedeuten.
Bochmann: Nee. Neben der AfD möchte man nicht sitzen. Sonneborn hat gesagt, die riechen schlecht.

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