Kommentar: „Stimmenkönigin“ macht noch keine OB-Kandidatin

Die Stadtratswahl hätte beinahe das rot-rot-grüne Bündnis zur OB-Wahl in Halle ins Wanken gebracht. Für diesen Urnengang ist das Ergebnis ein Fingerzeig.

1
StäZ-Redakteur Jan Möbius (Foto: privat)

Groß war die Aufregung am Wahlsonntag in Halles Stadthaus. Kaum war klar, dass die Grünen ein für sich gesehen grandioses Wahlergebnis einfahren, machte sofort auch die Runde, dass man sich in der Partei vorbehalte, über das rot-rot-grüne Bündnis zur OB-Wahl nachzudenken. Wenig später war die fixe Idee, dem gemeinsamen Kandidaten für die Wahl zum Oberbürgermeister Hendrik Lange (LINKE) die Unterstützung aufzukündigen, wieder eingefangen. Für Überfliegerpläne gibt es trotz des stattlichen Ergebnisses der Grünen in Halle auch keinen Grund. Jetzt mit den Vorschusslorbeeren der Stadtratswahl auf einen eigenen Kandidaten oder wohl eher eine eigene grüne Kandidatin zu setzen, wäre zu kurz gedacht.[ds_preview]

Immerhin besetzt Lange seit Beginn des Stadtratswahlkampfes auch deutlich grüne Themen. Das seit dem vergangenen Jahr aufgebaute Bündnis jetzt aufzukündigen, würde deshalb den gemeinsamen Kandidaten von LINKE, Grüne und SPD schon Wochen vor der Wahl im Längen zurückwerfen. Die Grünen würden es zudem wohl kaum schaffen, einen eigenen Kandidaten oder eine eigene Kandidatin so in Stellung zu bringen, dass ein Erfolg wahrscheinlich erscheint. Daran ändert auch das Wahlergebnis von Inés Brock nichts. Inzwischen gefeiert als Stimmenkönigin von Halle, ist ihr Wahlergebnis zwar gut, aber nicht überraschend und macht noch lange keine OB-Kandidatin.

Brock ist in einem Wahlbereich angetreten, der traditionell grün wählt. Dabei ist sie auf der bundesweiten Erfolgswelle ihrer Partei geschwommen, und nur so konnte sie die höchste Stimmenzahl aller Stadtratskandidaten einfahren. Kein Grund also für überschwängliche Euphorie oder Gerede von der „beliebtesten Politikerin“.  In einem anderen Stadtteil als etwa dem Paulusviertel wäre ihr das mit Sicherheit nicht gelungen. Immerhin: Inzwischen macht R2G nach außen wieder klar, dass das Bündnis weiter an Lange für das OB-Amt festhält. Zu vermuten ist, dass die Offensive das Ergebnis eines klärenden Gesprächs ist.

Für Amtsinhaber Bernd Wiegand ist das Ergebnis der Stadtratswahl dagegen ernüchternd. Der Verein „Hauptsache Halle“, in dem er Mitglied und seine Büroleiterin sogar im Vorstand ist, hat seine großen Ziele nicht erreicht. Vier Sitze bekommt der Verein im neuen Stadtrat. Die Zugpferde Manuela Hinniger, die von Wiegand beruflich gefördert wird, und Heidebad-Pächter Mathias Nobel haben den Sprung ins Kommunal-Plenum nicht geschafft, ebenso wenig wie Vereinschef Lothar Rochau. Liest der OB die Zahlen richtig, wird er merken müssen, dass die Ergebnisse seines Unterstützer-Vereins für sein Abschneiden bei den Wahlen zum künftigen Rathauschef am 13. Oktober kein wirklich gutes Omen ist.

Zumal der angekündigte Offensiv-Wahlkampf von „Hauptsache Halle“ so gar nicht stattgefunden hat. Von Überraschungen sprach der Vorsitzende Lothar Rochau noch zum Wahlkampfauftakt seines Vereins. Während die meisten anderen Parteien und Wählergruppen aber offensiv soziale Medien als Plattform für ihren Wahlkampf genutzt haben, setzte „Hauptsache Halle“ nur wenig auf das Internet und lud lieber zu einer Dampferfahrt ein. Die Zeichen der Zeit hat der Verein offenbar erst spät erkannt und mit seinem zögerlichen Wahlkampf seinem OB-Kandidaten Wiegand einen Bärendienst erweisen.

Der gerät deshalb trotz seines Amtsbonus‘ auch gegen seinen anderen Gegenkandidaten Andreas Silbersack (FDP) deutlich ins Hintertreffen. Denn der kann durchaus auf dem Ergebnis der FDP aufbauen. Immerhin haben es die Liberalen geschafft, aus der politischen Versenkung aufzutauchen und wieder mit Fraktionsstärke in den Stadtrat einzuziehen. Diese Steilvorlage wird Silbersack nutzen. Man darf also gespannt sein, ob der Kampf um den Rathaussessel in Halle tatsächlich zu einem Kampf und mit welchen Waffen er dann geführt wird.

[bws_pdfprint display=„pdf,print“]
0 0 votes
Article Rating
Subscribe
Benachrichtigen Sie mich zu:
1 Kommentar
älteste
neuste beste Bewertung
Inline Feedbacks
View all comments
siggivonderheide@me.com
4 Jahre her

Ein peinlicher Fehler der Grünen und ein Affront gegenüber denjenigen Wählenden die schon jetzt die rot/rot/grüne Koalition und deren Kandidaten stärken wollten. Oder aber eben schon mal ein Einblick die Geisteshaltung der Grünen Partei was Verlässlichkeit in Bündnissen angeht? Sehr unschöne Geste. Umso lustiger der Flop des Wiegand-Wahlvereins der aber anscheinend finanziell gut ausgestattet ist, die Ausflugsdampferfahrt war bestimmt nicht preisgünstig aber vielleicht auch ein klares Bekenntnis zum Lobbyistencharakter dieses Vereins. Wer jetzt nicht im Stadtrat sitzt bekommt schon noch sein Pöstchen, gell!? Zu hoffen ist das diese Kommunalwahl der erste Schritt zur Abwahl von Donald T. Wiegand ist, ich… mehr lesen »