Kommentar: Klare Kante weiter wichtig

Klare Abgrenzung, aber auch das Angehen der sozialen Probleme Halles wären die richtige Konsequenz aus dem Wahlerfolg der AfD, meint Luca Schooß Neves.

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Halle/StäZ – Als die NPD 2004 in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern zog, einigten sich die demokratischen Parteien auf den sogenannten „Schweriner Weg“. Die NPD sollte mit allen zur Verfügung stehenden parlamentarischen Mitteln ignoriert und isoliert werden. Anders als in Sachsen gelang es den Parteien, von Linke bis CDU, eine einheitliche Linie gegen die Nationaldemokraten zu entwickeln.

StäZ-Mitarbeiter Luca Schooß Neves. (Foto: xkn)

Mittlerweile rutscht die NPD in die Bedeutungslosigkeit ab. Jedoch ist die AfD mit vergleichbaren Positionen erfolgreicher, als es die NPD je hätte sein können. Die Europa- und Kommunalwahlen haben gezeigt, was längst bekannt ist: Die AfD hat sich in den demokratischen Gremien dieses Landes etabliert. Vor allem in Ostdeutschland bleibt sie eine relevante politische Kraft. Das ist in Halle nicht anders, auch wenn die Situation hier weniger dramatisch als in den angrenzenden Kreisen ist.[ds_preview] Die Beispiele aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen zeigen, dass es unterschiedliche Möglichkeiten im Umgang mit rechtsradikalen Parteien gibt. In der letzten Legislaturperiode hat sich der hallesche Stadtrat gegenüber der AfD für eine ähnliche Linie wie in Schwerin entschieden. Trotzdem hat die AfD ihre Sitze mehr als verdoppelt. Das erschwert die Fortsetzung des Schweriner Wegs. Doch eine konsequente und geschlossene Gegenposition zur AfD ist wichtiger denn je. Denn die AfD versucht sich als konservative Partei zu stilisieren, die vorgibt, an einer konstruktiven Politik interessiert zu sein. Durch ihre voranschreitende Normalisierung wächst auch ihre Akzeptanz. Ziel der Partei ist es, dass ihre Positionen als gleichwertig mit denen von Linken, Grünen oder der CDU verstanden werden. So ließen sich die Grenzen des Sagbaren weiter nach rechts verschieben. Das jedoch darf nicht geschehen. 
Denn bei der AfD handelt es sich nicht um eine konservative Partei, die lediglich die Interessen von Dieselfahrern vertritt. Das zeigt nicht nur ihr Verhalten in den Parlamenten, sondern auch ihre Verankerung im rechtsradikalen Milieu. Um das zu sehen, muss man gar nicht auf Höcke schauen. Auch die Kandidaten in Halle haben es in sich. So kandidierten für den Stadtrat unter anderem Hannah-Tabea Rößler, Christopher Lehmann und Thorben Vierkant. Alle drei gehören erwiesenermaßen zum Umfeld der Identitären Bewegung oder der rechtsradikalen Burschenschaft HLB Germania. Der zukünftige AfD-Stadtrat Donatus Schmidt läuft mit Montagsdemo-Nazi Sven Liebich und will politische Gegner nach Hause verfolgen. Gegen eine Partei mit solchen Leuten in den eigenen Reihen muss weiterhin Haltung und eine klare Kante gezeigt werden.
Die Wahlerfolge der AfD werden aber nicht allein durch die Isolierung oder Bekämpfung der Partei aufzuhalten sein. In allen Wahlbereichen konnte die AfD beträchtliche Stimmanteile gewinnen. Jedoch ist sie nach wie vor in den Großwohnsiedlungen wie der Neustadt oder der Silberhöhe am stärksten. Linke und AfD kämpfen dort um die Vorherrschaft, wobei die Trends eher gegensätzlich sind. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet diese beiden Parteien dort so stark verankert sind. Wenngleich sich ihre Problemanalysen und Lösungsvorschläge fundamental unterscheiden, geben beide vor, die Stimmen der sozial Schwächeren zu vertreten. Die soziale Ungleichheit ist Nährboden für die AfD.

Wenn die AfD aufgehalten werden soll, müssen daher Lösungen für die sozialen Probleme der Stadt gefunden werden. Halle ist eine ungleiche Stadt. Nur in fünf anderen deutschen Städten sind die Einkommensunterschiede räumlich noch stärker getrennt als hier. Die Tendenz ist steigend. Regressive Maßnahmen wie eine schärfere Asylpolitik oder mehr Ordnungskräfte lösen diese Probleme nicht. Halle braucht eine Debatte um die soziale Sicherheit in der Stadt. Soziale Teilhabe und Schutz vor Armut sind Mittel, mit denen die AfD aufgehalten werden kann. Bleibt nur die Frage, ob bei einer anhaltenden Schwäche der SPD und der Linken, die Grünen in der Lage sein werden, eine solche Debatte zu führen.

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