EVG-Skandal: Wiegand schweigt, sinnt aber auf Rache

Die Reaktionen auf den mutmaßlichen Datenskandal zwischen OB-Büro und der kommunalen Entwicklungsgesellschaft EVG changieren zwischen Bestürzung und Fassungslosigkeit. Der OB selbst schiebt die Wahlen vor.

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Hat sich im Ratshof von Halle ein großer Datenskandal zugetragen? Stadtratsfraktionen fordern Aufklärung. (Foto: StäZ)

Halle/StäZ – Am ersten Arbeitstag nach dem exklusiven StäZ-Bericht über einen mutmaßlichen Datenangriff aus dem OB-Büro auf das kommunale Unternehmen EVG haben die Fraktionen im Stadtrat fast unisono eine schnelle Aufklärung der Affäre gefordert. Stadt und Stadtwerke müssten sich dazu erklären, ob und wenn ja wie es zu einem unbefugten Zugriff auf das Datennetz der EVG auf Anweisung von Oberbürgermeister Bernd Wiegand oder seiner engen Vertrauten, OB-Büroleiterin Sabine Ernst (beide Hauptsache Halle), kommen konnte, so die Forderung aus verschiedenen Lagern.[ds_preview] Wiegand selbst zog sich gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung (Dienstagsausgabe) angesichts der bevorstehenden Stadtratswahl hinter sein Amt als Gemeindewahlleiter zurück. Als solcher und aufgrund der Strafanzeige von EVG-Chef Jan Hüttner gegen ihn werde er sich nicht zu den Vorwürfen äußern. Diese dienten dazu, „wenige Tage vor der Kommunalwahl Personen zu beschädigen“. Er behalte sich vor, „zu einem späteren Zeitpunkt die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“, so Wiegand gegenüber der MZ. Die StäZ, die die Vorwürfe Hüttners im Detail enthüllt hatte, strafte er auch am Montag mit Missachtung.

„Worst Case“, „Katastrophe“, „Stadt als Beute“

Die Fraktionen fordern jedoch genau das von ihm: sich schnell zu äußern. Mitbürger-Fraktionsvorsitzender Tom Wolter sagte zur Städtischen Zeitung: „Der Oberbürgermeister muss so schnell wie möglich Klarheit schaffen. Hier findet ein worst case statt: die Beschädigung zweier kommunaler Unternehmen. Wenn der Vorgang so stattgefunden hat, ist es eine Katastrophe.“ Wolter forderte eine Befassung des Stadtratsfinanzausschusses schon am Dienstag sowie zusätzliche Aufklärung im Aufsichtsrat der Stadtwerke. Dieser tagt am Donnerstag. Die Firma IT-Consult (ITC), gegen die sich die Vorwürfe ebenfalls richten, ist eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke. Die ITC soll dem OB-Büro unbefugt Zugang zum EVG-Datennetz verschafft haben, indem der eigentlich gesperrte Dienst-Account der bei der EVG beurlaubten Ansiedlungsmanagerin Manuela Hinniger wiederhergestellt worden war, ohne dass EVG-Chef Jan Hüttner davon wusste. Seitdem seien unter anderem Unterlagen verschwunden, und es sei nicht klar, ob etwas gelöscht oder kopiert worden sei, hatte Hüttner am 9. Mai im Aufsichtsrat der EVG erklärt. Er sieht einen Bruch des Datenschutzes und einen Eingriff in die unternehmerische Autonomie der kommunalen GmbH, schweigt aber gegenüber der Öffentlichkeit zu der Sache.

Für die Linke ist die eigentliche Tragweite des mutmaßlichen Skandals noch nicht absehbar. Fraktionsvorsitzender Bodo Meerheim erklärte am Montag, die Aufklärung durch Staatsanwaltschaft und Landesdatenschutzbeauftragten müsse jetzt höchste Priorität haben. Unabhängig davon sei der Vorgang an sich unfassbar, so Meerheim. „Wenn im Zweifel eine Anweisung aus dem Büro des Oberbürgermeisters reicht, um die IT-Consult auf fremde Netzwerke loszulassen, muss man sich das potentielle Ausmaß solcher Möglichkeiten klar machen.“ Die Stadträte, deren E‑Mail-Adressen von der IT-Consult administriert würden, „dürften nun schwer ins Grübeln kommen, was mit Ihren Daten und ihrem vertraulichen Mailverkehr – auch mit vielen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt – unter Umständen geschehen könnte bzw. schon geschehen ist.“ Oberbürgermeister Wiegand habe „womöglich endgültig die Bodenhaftung verloren“ und wolle „sich die Stadt womöglich mit Gesetzesbruch zur Beute machen“, was auf keinen Fall hingenommen werden könne, so Meerheim.

Datenschutzbeauftragter startet „Sachverhaltsermittlung“

SPD-Fraktionschef Johannes Krause erklärte, es gehe nicht nur um die mutmaßlich strafrechtliche Relevanz eines Sachverhaltes. „Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, wird damit das Vertrauen in Politik insgesamt beschädigt – und das eine Woche vor der Kommunalwahl und ein halbes Jahr vor der Oberbürgermeisterwahl“, so Krause. Die Vorwürfe zeichneten ein erschreckendes Bild. Grünen-Stadtvorsitzende und ‑Stadträtin Melanie Ranft fragte auf Faacebook: „Wenn die ITC dem OB- Büro hörig ist, wie sicher sind dann andere Daten? Liest der OB nach Bedarf bei uns Stadträten mit, checken die unsere Mails?“ Ranft forderte ebenfalls schnelle Aufklärung. „Wenn das stimmt, ist das ein bisher in Halle einmaliger Vorgang und ein Riesenskandal“, so Ranft.

Der Landesdatenschutzbeauftragte Harald von Bose bestätigte inzwischen eine Anzeige Hüttners bei ihm. „Die Sachverhaltsermittlung wurde aufgenommen. Zwischenergebnisse und zumal rechtliche Bewertungen sind noch nicht möglich“, so von Bose zur Städtischen Zeitung auf Anfrage.

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