„Die Umweltzone ist überflüssig“

Im StäZ-Interview erklärt der CDU-Fraktionsvorsitzende die Wahlziele seiner Partei und warum auch Insektenschutz dazugehört, das Wort Klimawandel aber nicht im Wahlprogramm steht.

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Andreas Scholtyssek (CDU) ist Vorsitzender der CDU/FDP-Fraktion im Stadtrat. (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Im StäZ-Interviewmarathon vor der Stadtratswahl äußert sich der Fraktionsvorsitzende der CDU/FDP-Fraktion im Stadtrat Andreas Scholtyssek zu den Wahlaussichten seiner Partei, der CDU. Die wolle stärkste Kraft bleiben, Scholtyssek rechnet aber mit dem Einzug mehrerer neuer Fraktionen, so dass sich die Sitzanzahl der CDU durchaus verkleinern könnte. Die CDU sei eine Volkspartei und habe ein breites Angebot bis hin zu Insektenhotels. Schwerpunkt der Arbeit seien die Themen Ordnung und Sicherheit, wo man viel erreicht, die Stadt aber auch noch einiges mehr umzusetzen habe. In der Verkehrsdebatte hält die CDU die Umweltzone in Halle für überflüssig. Eine Grüne Welle sei wirksamer, um die Schadstoffbelastung zu reduzieren. Zum Klimaschutz sagt Scholtyssek im Gespräch mit StäZ-Redakteur Felix Knothe, dass Halle den beschrittenen Weg zwar weitergehen müsse, das Klima aus Halle heraus aber nicht verändert werden könne. Daher müsse der Fokus eher auf Anpassung an die Folgen der Erderwärmung gelegt werden. Angesichts der Spardebatte sieht Scholtyssek in Halle kaum noch Spielraum für zusätzliche Ausgabenwünsche. [ds_preview]

Herr Scholtysek, Sie sind der Fraktionsvorsitzende der CDU im Stadtrat. Werden Sie es nach der Wahl auch bleiben?
Scholtyssek: Ich sehe im Moment keinen Grund, warum das nicht so sein sollte. Aber letztlich entscheidet es die neue Stadtratsfraktion nach der Wahl, wie auch immer sie sich zusammensetzen wird. Das ist ja gerade das Spannende bei dieser Wahl.

Nur bei dieser Wahl? Man weiß doch nie genau, welcher Kandidat es am Ende in den Stadtrat schafft.
Scholtyssek: Ja, aber bei dieser Wahl ist es besonders unberechenbar, weil es ein paar neue Player gibt.

Sie meinen andere Wählervereinigungen, neue Parteien, die antreten. Wer ist Ihre größte Sorge?
Scholtyssek: Ich habe keine Sorge. Ich finde es einfach insgesamt spannend. Wir haben den Wiegandwahlverein Hauptsache Halle, wir haben eine AfD, die in den bundesweiten Umfragen relativ gut abschneidet, besonders im Osten. Da weiß man nicht genau, wie sich das in Halle niederschlägt. Ich denke nicht, dass sie hier so stark werden, wie in den Umfragen. Trotzdem werden sie zulegen können. Bisher haben wir eine Fraktionsgemeinschaft mit der FDP. Auch die FDP wird künftig sicher wieder eine eigene Fraktion stellen können.

Sie werden als CDU also Federn lassen müssen?
Scholtyssek: Die Anzahl der Sitze insgesamt bleibt ja konstant. Wenn also neue Mitbewerber Sitze erringen wollen, dann muss irgendjemand Sitze abgeben. Und das sind die, die schon drin sitzen im Rat. Das liegt in der Natur der Sache. Unser Anspruch ist aber nach wie vor, stärkste Fraktion zu bleiben.

Auf kleinerem Niveau also.
Scholtyssek: Gerne auch auf dem jetzigen Niveau, gerne auch mehr. Aber in Anbetracht der Gesamtsituation wird es schwer. Die Anzahl der Mandate zu halten wäre schon ein großer Erfolg.

Womit kann ein traditioneller CDU-Wähler rechnen, wenn er Ihrer Partei wieder seine drei Stimmen gibt?
Scholtyssek: Wir werden auch im neuen Stadtrat eine vernünftige und sachorientierte Politik machen. Wie bisher auch. Unser Maßstab ist dabei immer das Wohl und die Fortentwicklung der Stadt Halle. Wir machen keine parteipolitischen Spielchen. Wir tragen keine persönliche Differenzen aus oder begleichen persönliche Rechnungen, wie das andere machen. Unsere Prämisse ist: Was dient der Stadt? Und da sind wir auch nicht pauschal gegen den Oberbürgermeister, wie uns oft unterstellt wird. Bestimmte Dinge sind mit diesem OB umsetzbar und bestimmte Dinge nicht.

Was sagen Sie zu den gerade aktuellen Vorwürfen gegen den Oberbürgermeister in der Affäre um die Wirtschaftsförderungsgesellschaft EVG?
Scholtyssek: Wir sind als CDU ziemlich erschüttert über das, was wir den Medien entnehmen müssen. Es gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Aber es handelt sich um schwere Vorwürfe. Wir erwarten daher zügige Aufklärung, und zwar durch den Oberbürgermeister. Es reicht nicht, wie er es angekündigt hat, die Sache erst irgendwann nach der Wahl aufzuklären. Aber das ist ja mittlerweile eine bekannte Strategie: Bei unbequemen Themen wird erst geleugnet und später geschwiegen. In diesem Fall muss umgehend aufgeklärt werden.

Wo sehen Sie den Schaden, der möglicherweise entstanden ist?
Scholtyssek: Hier entsteht mehrfacher Schaden, am schlimmsten aber ist wohl der Schaden für den Standort Halle. Wir haben in den letzten Jahren die Vermarktung Halles professionalisiert. Das trägt endlich Früchte. Da können wir es uns nicht erlauben, den guten Ruf der Stadt durch solche Skandale aufs Spiel zu setzen. Das zweite Problem ist, dass ein kommunales Unternehmen involviert ist. Die Vorwürfe, die im Raum stehen, sind rufschädigend. Schon deshalb muss das umgehend aufgeklärt werden.

„Ordnungswidrigkeiten müssen auch wirklich geahndet werden.“

Zurück zum Stadtratswahlkampf: Was haben Sie als CDU erreicht in den letzten fünf Jahren?
Scholtyssek: Es waren auf jeden Fall spannende fünf Jahre. Lebhaft begonnen haben sie mit den Entscheidungen zum Hufeisensee und zum Rosengarten.

Mit Hufeisensee meinen Sie den Golfplatz und mit Rosengarten die Verbreiterung der Bahnbrücke.
Scholtyssek: Beides war damals hart umkämpft, und beides waren die richtigen Entscheidungen, mit denen wir uns durchgesetzt haben. Wobei es beim Hufeisensee nicht nur um den Golfplatz geht, sondern um die Weiterentwicklung des gesamten Areals. Der Hufeisensee hat sich inzwischen sehr gut entwickelt. An der Rosengartenbrücke wird das noch passieren. An dem Beispiel sieht man, wie langfristig Stadtratsarbeit wirkt. Weiteres Beispiel für Erfolge der CDU sind Ordnung und Sicherheit: Wir haben uns stark darum bemüht, das Ordnungsamt zu verstärken. Da sind wir mit unserer Initiative einen großen Schritt vorangekommen. Wir haben aber zum Beispiel noch keine 24-Stunden-Bereitschaft des Ordnungsamts. Daran müssen wir noch weiter arbeiten. Wir müssen aber auch vom Land weiter fordern, dass mehr Polizei auf Halles Straßen kommt.

Warum ist die Aufstockung des Ordnungsamts konkret nötig?
Scholtyssek: Es wird zehn Stellen mehr im Vollzugsdienst geben, also Mitarbeiter, die täglich auf der Straße unterwegs sind, und zwar nicht nur auf dem Markt, sondern in der ganzen Stadt. Es geht uns darum, dass die Ordnungswidrigkeiten, die es gibt, auch wirklich geahndet werden. Manchmal hat man den Eindruck, dass Müllwegwerfen oder, den Hundekot nicht zu entfernen, Kavaliersdelikte sind. Das muss aber stärker sanktioniert werden. Dafür haben wir das Ordnungsamt.

Warum setzen Sie genau diesen Schwerpunkt: Ordnung und Sicherheit? Im Wahlkampf hört man oft das geflügelte Wort von der „gefühlten Sicherheit“. Sollte man das subjektive Befinden der Hallenser so in den Vordergrund stellen, obwohl die Zahlen eigentlich nicht signifikant steigen?
Scholtyssek: Ordnung und Sicherheit ist eines unserer Kernthemen, denn man muss diese Fragen auf jeden Fall sehr ernst nehmen. Tatsächlich gibt es eine Diskrepanz zwischen den objektiven Zahlen und der gefühlten Sicherheit. Letztere kann man allerdings auch schwer messen. Tatsächlich ist es aber auch objektiv so, dass wir in Halle ein Problem mit Straftaten haben. Es gibt immer wieder Schlägereien oder sogar Messerstechereien, nicht nur auf dem Markt. Das ist nicht hinnehmbar, und natürlich sind die Menschen dann auch verunsichert. In der bundesweiten Statistik der unsichersten Städte liegen wir weiter auf Platz sechs, was Straftaten pro 100.000 Einwohner angeht. Das ist Sache der Polizei. Das Ordnungsamt ist zum Beispiel aber für nächtliche Ruhestörungen da. Und da gab es ja in den letzten Jahren ebenfalls Probleme genug.

Was hat sich seit 2014 konkret in Sicherheitsfragen verändert in Halle?
Scholtyssek: Ein Einflussfaktor ist sicherlich die Zuwanderung, aber es ist nicht der einzige. Es gibt bundesweit einen Trend, dass die Gewaltbereitschaft immer weiter zunimmt. Bei Zugewanderten ist es zudem oft die Gewalt zwischen den unterschiedlichen Gruppen untereinander, die mir Sorge macht.

Sie persönlich haben in letzter Zeit die Schlosserstraße in Halle in den Vordergrund gerückt. Wie lässt sich das Problem dort lösen?
Scholtyssek: Zuletzt hat es da eine sehr gute Recherche des MDR gegeben, die gezeigt hat, dass sich in der Schlosserstraße vor allem EU-Bürger aus Rumänien, zum Großteil aus ein und derselben Stadt ansiedeln. Das ist eine organisierte Wanderungsbewegung in die Schlosserstraße, um hier in Halle Sozialleistungen zu erhalten. Diese falschen Anreize lassen sich nur schwer aus Halle heraus abstellen. Man müsste von EU-Seite an das Thema rangehen. Aber mehrere Initiativen in Brüssel sind bisher gescheitert.

Was sollte Brüssel Ihrer Ansicht nach tun?
Scholtyssek: Es wäre sehr zu begrüßen, wenn man die Höhe der Sozialleistungen an das Lebensniveau der jeweiligen Herkunftsländer anpasst.

Was kann Halle tun, um die Lage in der Schlosserstraße zu verbessern?
Scholtyssek: Die Stadt muss die Probleme ernst nehmen. Bisher sagt die Verwaltung immer nur, dass ihr keine Probleme von Ordnung und Sicherheit bekannt seien. Man weigert sich anzuerkennen, dass es mit Migranten überhaupt Probleme geben könnte. Wenn man aber Probleme nicht anerkennt und verharmlost, verschafft man denen Auftrieb, die man eigentlich politisch bekämpfen möchte.

Was haben Sie denn für Vorschläge, wie man das Problem angehen könnte?
Scholtyssek: Die Stadt hat ein Jobcenter, das stärker kontrollieren muss, wer dort welche Leistungen bezieht und ob diese Leistungen zu Recht bezogen werden. Man muss als Stadt auch den direkten Kontakt zu den Vermietern suchen und mit ihnen sprechen, ob ihnen die Problematik bewusst ist. Die Stadt hat außerdem Sozialarbeiter, die man dort verstärkt hinschicken könnte. Das Ordnungsamt ist zwar immer mal wieder vor Ort, könnte aber noch mehr Präsenz zeigen: mit Fußstreifen, die dann auch mal Parkverstöße und ähnliches direkt ahnden. Die Stadt braucht aber auch eine Gesamtstrategie.

In Ihrem Wahlprogramm steht: „Konzentration verhindern“. Damit meinen Sie Konzentration bestimmter Bevölkerungsgruppen. Wie kann man das erreichen?
Scholtyssek: Das meine ich mit Gesamtstrategie. Das geht nicht von heute auf morgen, und ist in vielen Fällen auch schwierig. Aber das Problem zu negieren, hilft niemandem weiter.

Thema Umwelt: In Ihrem Wahlprogramm steht, sie wollen die Umweltzone abschaffen. Warum?
Scholtyssek: Abschaffen haben wir nicht gesagt. Wir halten sie nur für überflüssig. Gegenfrage: Was ist denn der Nutzen der Umweltzone? Gibt es irgendeinen Effekt?

Womöglich lägen die Feinstaub- und Stickoxidwerte in Halle ohne Umweltzone noch höher?
Scholtyssek: Wir sehen keinen Effekt. Bei Feinstaub liegen wir seit Jahren unter den Grenzwerten. Bei Stickoxyd konnten wir den Grenzwert erstmalig auch einhalten. Ob das alles an der Umweltzone liegt, ist fraglich. Viel eher dürfte es an den moderneren Autos liegen. Ja, beim Stickoxid haben wir die Problematik der Diesel-Abgasmanipulation. Die hat die Bilanz in den letzten Jahren verhagelt. Aber beim Feinstaub sieht man den Effekt sehr deutlich. Dort ist der Effekt des Verkehrs außerdem nicht sehr groß. Deshalb ist das Konzept Umweltzone aus unserer Sicht überflüssig. Wirksamer ist eher unser Vorschlag einer Grünen Welle. Wenn man den Verkehr ständig an den Ampeln anhalten lässt, trägt das nicht zur Schadstoffreduktion bei.

„Biodiversität ist nicht nur ein Thema für die Grünen.“

Wie soll die Grüne Welle umgesetzt werden? Bisher scheint die Verkehrsplanung daran zu scheitern.
Scholtyssek: Das ist aufwendig. Dazu braucht man ein Konzept, das auch etwas Geld kostet. Das ist bisher nie in Angriff genommen worden.

Was heißt für Sie Grüne Welle genau? Freie Fahrt von Trotha bis Ammendorf? Vom Riebeckplatz bis Neustadt-West?
Scholtyssek: Auf so langen Relationen wird sich das schwer umsetzen lassen. Aber die Ampeln auf den Hauptstrecken zu vernetzen, ist möglich. Man muss es nur wollen.

Scheitert es nicht zumeist daran, dass der ÖPNV Vorrang hat?
Scholtyssek: Das müsste man dann natürlich aufeinander abstimmen. In den allermeisten Fällen ist das aber gar kein Widerspruch. Wenn die Straßenbahn grün hat, kann doch der PKW-Verkehr mitrollen. Voraussetzung ist, dass es separate Haltestellen gibt, was wir mit dem Stadtbahnprogramm an vielen Stellen umsetzen.

Ein anderes Umweltthema, das ich bei Ihnen gefunden habe, sind Insektenhotels. Die CDU fordert den Bau von Insektenhotels in städtischen Grünflächen.
Scholtyssek: Wir sind eine Volkspartei und haben natürlich Ideen für alle Themen. Das Insektensterben ist in aller Munde, und Biodiversität ist nicht nur ein Thema für die Grünen. Das geht uns alle an. Da müssen wir in der Stadt schauen, was wir tun können, um Insekten in der Stadt eine Heimat zu bieten. Insektenhotels statt steinerner Vorgärten sind da ein guter Weg. Wir können auch mit dem Vorschlag der Grünen leben, Blühwiesen auf städtischen Flächen anzulegen – da, wo es sich anbietet. Auch wir finden, dass Insekten ein wichtiges Thema sind.

Was ich in ihrem Programm gar nicht gefunden habe, ist das Wort Klimawandel. Ist das kein wichtiges Thema?
Scholtyssek: Das kann man so nicht sagen. Aber der Begriff Klimawandel ist etwas einseitig besetzt. Natürlich erleben wir im Moment eine Veränderung des Klimas. Auf diese Entwicklung müssen wir uns als Stadt einstellen. Aber man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass wir als Stadt den Klimawandel verhindern können. Das wird uns nicht gelingen. Die Stadt muss sich anpassen an die geänderten klimatischen Bedingungen.

Was bedeutet das?
Scholtyssek: Wir werden stärkere Hochwasser haben. Wir brauchen also endlich ein Hochwasserschutzkonzept, und zwar für alle Stadtteile. Das haben wir schon 2013 gefordert. Wir haben es bis heute nicht. Im Sommer wird auch Halle mit verstärkter Trockenheit zu kämpfen haben. Also braucht die Stadt womöglich auch ein Bewässerungskonzept, damit die Bäume und speziell die Straßenbäume nicht eingehen. Auch über zusätzliche Bäume kann man nachdenken. Denn Bäume haben eine ökologische Funktion. Ein weiteres Problem werden Starkniederschläge sein. Auch damit muss die Stadt umgehen. Die Kanalisation schafft es heute schon nicht immer, große Wassermengen auf einmal abzutransportieren.

„Was wir in Halle tun oder nicht tun, hat auf das Klima keinen Einfluss.“

Also Anpassung an Klimafolgen ja, aber einen Beitrag zum Klimaschutz halten Sie in Halle eher nicht für möglich?
Scholtyssek: Man kann auch auf lokaler Ebene bestimmte Maßnahmen ergreifen, aber das Klima machen wir nicht in Halle, auch nicht in Deutschland oder Europa. Das Klima ist global. Insofern ist es der richtige Weg, wenn die Bundesregierung versucht, internationale, globale Regelungen zum Klimaschutz zu finden. Was wir in Halle tun oder nicht tun, hat auf das Klima insgesamt keinen Effekt. Das heißt aber trotzdem nicht, dass wir uns komplett zurücklehnen können und gar nichts zu tun brauchen. Und die Stadt tut schon einiges. Wir haben einen guten ÖPNV, die Stadt beschafft neue, sparsamere Busse. Wir haben Photovoltaikprojekte, die von den Stadtwerken umgesetzt werden. Am Kraftwerk Dieselstraße steht der neue große Fernwärmespeicher. Das sind richtige Projekte, und auf dem Weg müssen wir weiter gehen.

Thema Wirtschaft: Ein großes Thema der nächsten Jahre werden Gewerbegebiete sein. Wo sehen Sie Entwicklungsmöglichkeiten und Standorte?
Scholtyssek: Wir brauchen neue Gewerbegebiete. Der Star Park I ist fast voll, also müssen wir uns überlegen, wie es weitergeht. Unsere Gewerbesteuereinnahmen sind im Vergleich viel zu gering. Oberstes Ziel muss also sein, die Wirtschaftskraft Halles zu stärken. Nur wenn wir das schaffen, können wir auch die Finanzkraft stärken. Wir sagen, wir sollten auf dem Weg hin zu einem neuen Gewerbegebiet weitergehen. Die Stadtverwaltung hat sich einen Standort ausgeguckt, gegen den es Proteste gab. Also hat man alles wieder auf Eis gelegt, ein offensichtlich wahltaktisches Manöver.

Sie meinen Halle-Tornau als Standort. Welchen Standort favorisieren Sie?
Scholtyssek: Wir haben bisher nur eine Analyse von Standorten innerhalb Halles. Vielleicht macht es Sinn, stärker mit dem Umland zu sprechen, um zu klären, ob es nicht doch noch Alternativen zu diesem einen Standort gibt. Der Star Park I ist auch ein interkommunales Projekt. Vielleicht kann man jenseits der Stadtgrenzen auch größere Flächen erschließen. Aber im OB-Büro scheint es keine Bereitschaft zu geben, mit dem Umland zu sprechen. Herr Wiegand denkt an Tornau und ansonsten, wenn es um Kooperationen geht, immer nur an Leipzig. Zwischen Halle und Leipzig gibt es aber auch noch viele Flächen.

Neben den Steuereinnahmen sorgt auch die Sparauflage des Landesverwaltungsamts für Debatten. Wo soll gespart werden?
Scholtyssek: Wir sind gespannt auf das Konzept der Stadtverwaltung. Das wird nicht einfach. Der Anteil der gebundenen Ausgaben im Haushalt ist sehr hoch. Da bleibt ganz wenig Spielraum.

Kann es Halle überhaupt schaffen in der vorgegebenen Zeit?
Scholtyssek: Ich glaube, das wird kaum zu machen sein. Wenn man die Sparauflagen so umsetzen würde, wie gefordert – mit rund 40 Millionen pro Jahr – dann ist das nicht zu machen. Ein Beispiel: Die TOOH wird von der Stadt mit über 20 Millionen Euro pro Jahr gefördert. Die Havag hat einen Zuschussbedarf von 23 Millionen Euro, davon vier Millionen durch die Stadt, der Rest von den Stadtwerken. Sie erkennen die Dimensionen. Niemand wird fordern, die TOOH zu schließen. Und die Straßenbahn-Ticketpreise sind auch kaum erhöhbar. Im Gegenteil: Viele fordern jetzt, immer mehr kostenlos fahren zu lassen. Die Straßenbahnen sollen außerdem klimatisiert werden. Niemand aber schlägt vor, mehr einzunehmen. Wir müssen aber insgesamt in Halle die Einnahmen erhöhen. Und wir werden irgendwo sparen müssen. Die Diskussionen dazu müssen wir im Sommer führen und sie werden sicher hart.

Das ist kein konkreter Sparvorschlag.
Scholtyssek: Wir haben uns in den letzten Jahren Dinge geleistet, die man sich nicht unbedingt leisten muss. Stichwort: freie Kulturszene. Wir haben eine kommunale Kultur-GmbH, die wir mit Millionen fördern. Da darf man schon die Frage stellen, ob wir uns darüber hinaus noch diese üppige Ausstattung der freien Szene leisten können. Denn man muss doch auch einmal die Frage stellen, ob es in Halle überhaupt so viele Kulturkonsumenten gibt, um beide Angebote auszulasten. Das als ein Beispiel.  Alle Fraktionen sind jedenfalls gut beraten, sich mit zusätzlichen Ausgabewünschen in Zukunft zurückzuhalten.

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Stefan Weißhampel
4 Jahre her

„Natürlich erleben wir im Moment eine Veränderung des Klimas. Auf diese Entwicklung müssen wir uns als Stadt einstellen. Aber man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass wir als Stadt den Klimawandel verhindern können.“
Solch eine Hasenfüßigkeit macht mich sprachlos. So geht es im Klimaschutz nicht voran. Die CDU kann noch so laut“ Fake News“ zum viralen Zerstörungsvideo rufen, wenn die Stichhaltigkeit auf lokalpolitischer Ebene so eindrucksvoll vorgelebt wird. Jeder tut was er kann. Als Leitidee stünde das auch der CDU gut zu Gesicht.