Wunschinski-Affäre: Stahlknecht ging als Minister gegen StäZ vor

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Innenminister und CDU-Landeschef Holger Stahlknecht (Foto: Tobias Koch)
Innenminister und CDU-Landeschef Holger Stahlknecht (Foto: Tobias Koch)

Halle/StäZ – Lange war gerätselt worden, nun steht es fest: Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) ist nicht als Privat- oder CDU-Mann gegen die StäZ-Berichterstattung über die Affäre Wunschinski in Teutschenthal vorgegangen, sondern als Innenminister des Landes. In dieser Funktion hat er auch Strafanzeige gegen einen StäZ-Autoren gestellt, so dass nun dem Vernehmen nach die Staatsanwaltschaft ermittelt. Stahlknechts Rollenwahl, die nicht ohne politische Brisanz ist, geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der halleschen Landtagsabgeordneten Henriette Quade (Linke) hervor, deren Vorabversion der Städtischen Zeitung vorliegt. Aus der Antwort geht auch hervor, wie eng Innenministerium und das Wahlkreisbüro des Abgeordneten Stahlknecht zusammengearbeitet haben, um der StäZ-Berichterstattung mit eigenen Veröffentlichungen zu begegnen. Stahlknecht hat also als Mitglied der Exekutive und der Legislative gleichzeitig gehandelt und droht zudem als Innenminister einem Journalisten mit Strafverfolgung. Er steht wegen seines harschen Vorgehens und wegen der möglichen Vermischung seiner Ämter, Posten und Mandate in dem Streit mit der Städtischen Zeitung in der Kritik.[ds_preview]

Ministerium wollte Anwürfe abwehren

Die Antwort, die seit Wochenbeginn überfällig war, dürfte in den nächsten Tagen veröffentlicht werden. Darin macht das Innenministerium deutlich, dass die zivilrechtlichen Schritte, die Stahlknecht gegen einen StäZ-Bericht zum Abwahlverfahren gegen Teutschenthals Bürgermeister Ralf Wunschinski (CDU) unternommen hatte, durch ihn als Minister eingeleitet wurden. Das Ministerium engagierte die renommierte Berliner Rechtsanwaltskanzlei Schertz Bergmann, die bekannt ist für ihr rigoroses Vorgehen in Medienrechtsstreitsachen. Auch die Strafanzeige sei „durch den Minister in seiner Funktion als Minister für Inneres und Sport“ gestellt worden. Stahlknecht habe die Abteilungsleiterin für Sicherheit und Ordnung seines Ministeriums gebeten, die Strafanzeige an die Polizeiinspektion Halle weiterzuleiten, heißt es in der Antwort.

Stahlknecht, der auch CDU-Landesvorsitzender ist, sah sich durch den Bericht vom 27. Februar, der im Vorfeld der entscheidenden Gemeinderatssitzung in Teutschenthal erschienen war, zu Unrecht in Zusammenhang gebracht mit mutmaßlichen Versuchen des Landtagsabgeordneten Frank Bommersbach (CDU) aus dem Saalekreis, Gemeinderatsmitglieder vor der Abstimmung über Wunschinski zu beeinflussen. Noch am Abend desselben Tages veröffentlichte Stahlknecht einen Post auf seiner persönlichen Facebook-Seite, und das Innenministerium gab eine gleichlautende Presseerklärung heraus. Darin wirft Stahlknecht der StäZ pauschal wahrheitswidrige Berichterstattung vor und erklärt, den betreffenden StäZ-Autoren wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung angezeigt zu haben. Die Veröffentlichung der Presseerklärung sei erfolgt, so die Antwort auf die Kleine Anfrage, „um Anwürfe gegen das Ministeramt, das Ministerium für Inneres und Sport als oberste Kommunalaufsicht und beider Ansehen in der Öffentlichkeit abzuwehren“. Laut Innenministerium hatte es dazu auch eine enge Abstimmung zwischen der Ministeriums-Pressestelle und dem Abgeordnetenbüro Stahlknechts gegeben: „Die Pressemitteilung wurde nach deren Fertigstellung dem Wahlkreisbüro des Abgeordneten Stahlknecht zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt und von dort auf dessen Facebookseite eingestellt.“ Tatsächlich erschien der Facebook-Post einige Minuten vor der Erklärung des Innenministeriums. Laut Innenministerium sei die Behörde berechtigt, auf wahrheitswidrige Berichterstattung hinzuweisen.

StäZ kassiert Niederlage, dennoch Kritik an Stahlknecht

Die Städtische Zeitung, die gegen diese Veröffentlichungen vorgegangen war, hat in der Zwischenzeit eine erste gerichtliche Niederlage kassiert. Das Landgericht Magdeburg hatte vorige Woche im Eilverfahren mehrere in dem StäZ-Bericht enthaltene Sätze zu Stahlknecht als unzulässige Tatsachenbehauptungen gewertet, ein Fingerzeig auch für ein von Stahlknecht angestrengtes Zivilverfahren gegen die StäZ, das noch anhängig ist und in dem die Städtische Zeitung nun eine gütliche Einigung anstrebt. Die Städtische Zeitung hat die erste Gerichtsentscheidung akzeptiert und den Bericht mit den von Stahlknecht monierten Passagen inzwischen zurückgezogen. Eine Gegendarstellung des Innenministers hatte die Städtische Zeitung bereits Anfang März veröffentlicht.

Nicht nur in den Augen von Henriette Quade hat Stahlknecht, der quasi mit voller Breitseite gegen den StäZ-Bericht vorgegangen war, in der Sache dennoch deutlich überreagiert. „Mein Eindruck ist, dass der Minister hier nicht Tatsachen geraderücken, sondern ein Zeichen an Journalistinnen und Journalisten senden wollte. Er hat mit dem Strafrecht zur ultima ratio gegen ein kleines Lokalmedium gegriffen, statt einfach mit einer Richtigstellung und transparenter Pressearbeit den Sachverhalt aufzuklären. Das erscheint mir ein unverhältnismäßig hartes Vorgehen gegen Journalisten und wirft Fragen nach dem Umgang des Ministers und seines Ministeriums mit der Presse auf.“

Auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) hatte das Vorgehen Stahlknechts als unverhältnismäßig kritisiert. „Mit einer Strafanzeige gegen die Veröffentlichung vorzugehen, muss als Versuch gewertet werden, die Medien einzuschüchtern. Der einzig richtige Weg bei Falschdarstellung ist die Gegendarstellung, wie sie in den Pressegesetzen der Länder verankert ist“, hatte Claudia Petasch-Becker, stellvertretende DJV-Landesvorsitzende, bereits im März gesagt. Das Innenministerium wollte sich auf StäZ-Anfrage nicht äußern zum Beispiel zu Fragen über die mögliche Vermischung von Partei- und Regierungsamt, solange die Antwort auf die Kleine Anfrage nicht veröffentlicht sei.

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U. Geiß
5 Jahre her

Das Amt/das Ministerium bzw. das jeweilige Ansehen war gefährdet? Als ob Herr Stahlknecht als Minister in einer parteipolitischen Angelegenheit agieren würde! Für mich ist das eine missbräuchliche Nutzung von staatlichen Mitteln.
Über die Unverhältnismäßigkeit der von ihm gewählten Mittel gegen die StäZ-Berichterstattung steht im Artikel genug – volle Zustimmung.