Brenner oder Rosinski: Verfahrene Kiste

Der Theaterstreit in Halle hat sich so zugespitzt, dass alles auf ein Entweder-oder zwischen beiden Akteuren hinausläuft.

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Unversöhnlich: nt-Intendant Matthias Brenner und TOO-Geschäftsführer Stefan Rosinski (v.l.). (Fotos/Montage: xkn/Archiv)

Halle/StäZ – Wenn der sonst sehr medienscheue Geschäftsführer der halleschen Bühnengesellschaft TOO (Theater Oper und Orchester GmbH) Stefan Rosinski in die Medienoffensive geht, dann muss die Lage schon sehr bedeutend sein. Rosinski hatte sich am Montag gleich zweimal zu Wort gemeldet: Am Morgen gab er ein gut halbstündiges Interview im Radiosender MDR Kultur, um auf Vorwürfe zu reagieren, die seit Tagen und Wochen immer lauter werden. Von Mobbing ist da die Rede. Außerdem machte eine Nacktbildaffäre die Runde. Über allem aber schwebt der angedrohte Rücktritt von nt-Intendant und Publikumsliebling Matthias Brenner, der Rosinski in herzlicher Abneigung verbunden ist. Rosinskis Tenor in der Sache: Deeskalieren und auf die Gegner zumindest dem Anschein nach zugehen. Er schlug einen Runden Tisch zur Lösung der innerbetrieblichen Konflikte vor. Rosinskis zweiter Gang in die Öffentlichkeit folgte dann am Montagnachmittag: Er reagierte, ebenfalls entgegen seiner bisherigen Art, auf einen offenen Brief der nt-Belegschaft gegen ihn. Es war nicht der erste offene Brief, der mit Rosinski ins Gericht ging, aber offenbar maß der Geschäftsführer ihm so große Bedeutung bei, dass er reagieren wollte oder musste. Der Machtkampf in der TOO ist nach Einschätzung vieler Beobachter und mancher Beteiligter derart zugespitzt, dass er inzwischen auch Rosinski, der bisher vor allem im Hintergrund agiert hatte, gefährlich werden kann. Am Ende könnte es heißen: Brenner oder Rosinski.[ds_preview]

Das zumindest hatte nt-Intendant Matthias Brenner einmal mehr deutlich gemacht in jenem internen Brief an den Aufsichtsrat, in dem er mit Rücktritt gedroht hatte. Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) hatte den Brief Ende März als Beleg für die verworrene Situation herangezogen und daraus öffentlich zitiert, um seine geplante Konkretisierung der Geschäftsordnung der TOO voranzutreiben. Er sieht den Theaterstreit inzwischen als vor allem zwischenmenschliches Problem. Wiegands Plan lässt sich so zusammenfassen: Ein wenig die Kompetenzen der verschiedenen Akteure konkretisieren, um den Intendanten in der Auseinandersetzung mit Rosinski ein wenig mehr Mittel an die Hand zu geben. Sie sollen in Zukunft im Aufsichtsrat ständig dabei sein und die Öffentlichkeitsarbeit ihrer Sparten allein verantworten, unter anderem. Von der Anfang des Jahres angekündigten Diskussion über die grundlegenden Strukturen der TOO ist das weit entfernt. Ein Reförmchen.

Mobbingvorwürfe in verschiedene Richtungen

Die Debatte im Stadtrat Ende März ließ dann auch den Eindruck zu, dass Wiegands Versuch nach hinten losgehen wird. So meldeten sich vor allem die offenkundigen Unterstützer des Kurses von Stefan Rosinski zu Wort: SPD-Stadtrat Detlef Wend und CDU-Stadträtin Ulrike Wünscher, beides Aufsichtsräte der TOO. Die Position des parteilosen und für die Linke ebenfalls im TOO-Aufsichtsrat sitzenden Stadtrats Rudenz Schramm war nicht vollends auszumachen. Er kritisierte vor allem den OB dafür, den Vorgang in die Öffentlichkeit zu tragen. Grünen-Aufsichtsrätin Inés Brock dagegen sprach von offenem Mobbing, das an der TOO stattfinde. Sie meinte: gegen Brenner und Lutz.

Ein anderes Mobbing, jene Nacktbildaffäre, die eine von Rosinski engagierte und im Brenner- und Lutz-Lager sofort umstrittene neue Angestellte der PR-Abteilung betraf, ist ein Vorgang von eigenartiger Obskurität. Die Bild-Zeitung hatte zuerst darüber berichtet, ein in TOO-Kreisen kursierendes Nacktbild der Frau habe dazu geführt, dass sie die TOO nach wenigen Tagen wieder verlassen habe. Dem trat wiederum der Betriebsrat der TOO entgegen, der zwar den Vorgang selbst scharf verurteilte, gleichzeitig aber bestritt, dass das Bild von vielen innerhalb der TOO überhaupt gesehen worden war. Die Arbeitnehmervertreter äußerten zudem deutliche Kritik an Stefan Rosinski, weil der sich im MDR-Fernsehen öffentlich zu dem Vorgang geäußert hatte. In einem Interview auf dem Portal nachtkritik.de hat die Frau, die sich als PR-Managerin bezeichnet, nun am Donnerstag erklärt, die Veröffentlichung des Fotos in der Bild-Zeitung wiederum sei mit ihrer Zustimmung erfolgt und es sei zuvor sehr wohl von vielen TOO-Beschäftigen gesehen worden.

Öffentlich jedenfalls ist der hallesche Theaterstreit nicht erst seit dieser Affäre, sondern schon seit Wochen, mit der Nichtverlängerung von Opernintendant Florian Lutz als erstem Höhepunkt. Am Freitag nun findet hinter verschlossenen Türen die nächste Diskussion statt, die Brenner am Mittwoch mit einer Last-minute-Entgegnung auf die Entgegnung Rosinskis noch einmal befeuert hat: Die Arbeitsverhältnisse in der TOO, schreibt Brenner wiederum in einem offenen Brief, seien unerträglich geworden. Die Schuld sieht er auch darin, dass sich der Aufsichtsrat zu lange der Probleme verschlossen habe. Brenner erwähnt namentlich die Stadträte Wend und Wünscher, die nicht auf Kosten der Kunst Politik machen sollten. „Ich erwarte, dass der Aufsichtsrat endlich seine Zuschauerhaltung bei diesem Trauerspiel aufgibt.“ Rosinskis Vorschlag eines Runden Tisches wies Brenner zurück. Er sitze mit Rosinski monatlich beim Oberbürgermeister „völlig erfolglos“ an einem runden Tisch. Rosinskis Vorschlag zeuge von dessen Willen, „den Status quo aufrechtzuerhalten“, so Brenner. „Dazu bin ich nicht bereit.“

Öffnet sich zweite Tür für Florian Lutz?

Es könnte also zur Entweder-Brenner-oder-Rosinski-Entscheidung kommen. Wie die Karten im Aufsichtsrat diesmal gemischt sind, ist offen. Fällt die Entscheidung gegen Rosinski aus, könnte zudem ein bisher nur hinter vorgehaltener Hand kolportierter und beim Opernpaukenschlag um Florian Lutz nur kryptisch angedeuteter mutmaßlicher Plan von Oberbürgermeister Bernd Wiegand zum Zuge kommen. Demnach könnte sich für Lutz womöglich doch noch eine zweite Tür in Halle öffnen. Voraussetzung wäre ein nach der Stadtratswahl im Mai in Teilen neu zusammengesetzter TOO-Aufsichtsrat. Wiegand hatte direkt nach der Nichtverlängerung Lutz‘ von einem sich abzeichnenden „guten Kompromiss“ gesprochen.

Doch die TOO-Kiste wäre nicht so verfahren, wenn nicht auch diese Variante wieder Fallstricke hätte: So sind Lutz und die in der kommenden Spielzeit ihr Amt in Halle antretende Generalmusikdirektorin Ariane Matiakh nach StäZ-Informationen inzwischen bei den künstlerischen Planungen zwischen Oper und Staatskapelle bereits mehrmals aneinandergeraten. Beobachter halten auch dieses Verhältnis inzwischen für zerrüttet, bevor es überhaupt richtig begonnen hat. So soll Matiakh das Dirigat der ersten Opernpremiere der neuen Spielzeit bereits wegen Differenzen über die Besetzung der Gesangspartien abgesagt haben. Unter normalen Umständen wäre das bereits ein heller Aufreger. Im halleschen Theaterstreit taugt es jedoch bisher nur zur Randnotiz.

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