Gedruckt wird weiter analog, irgendwann sogar ganz ohne Gift

Zwei Künstlerinnen aus Halle wollen auch im Digitalzeitalter ihr Handwerk für künftige Generationen bewahren. Dafür tüfteln sie an neuen Techniken und Verfahren.

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Iris Trostel Santander in ihrem Atelier mit Handwerkszeug, der Druckpresse. Die Verfahren, die die junge Hallenserin dort anwendet, sind nicht immer gesund. Deshalb tüftelt die 35-Jährige an neuen Möglichkeiten. Foto Luca Schooß Neves
Iris Trostel Santander in ihrem Atelier mit Handwerkszeug, der Druckpresse. Die Verfahren, die die junge Hallenserin dort anwendet, sind nicht immer gesund. Deshalb tüftelt die 35-Jährige an neuen Möglichkeiten. Foto Luca Schooß Neves

Halle/StäZ – Wer glaubt, die analoge Druckkunst so ganz ohne Computer und anspruchsvolle Designprogramme sei tot, irrt. Davon sind zumindest die Künstlerinnen Iris Trostel Santander und Marianne Thurm überzeugt. Deshalb öffnen die beiden Hallenserinnen ihr Atelier am Böllberger Weg jetzt für Neugierige. Es wird zu einem von mehr als 200 Veranstaltungsorten in Deutschland, an denen am 15. März, dem „Tag der Druckkunst“, in Workshops und Ausstellungen die Bedeutung dieser Kunstform vermittelt werden soll. Die Aktion geht auf die Entscheidung der deutschen UNESCO-Stiftung zurück, die Druckkunst zum immateriellen Erbe zu erklären. Die beiden halleschen Künstlerinnen wollen dieses Erbe nicht nur weiterführen, sondern auch gleich weiterentwickeln. Ihr Ziel: gesund drucken können. Denn ihre Kunst ist noch immer durch die bisher angewendeten Stoffe und Methoden nicht nur analog, sondern durchaus auch giftig. „Non-toxic printing“ ist deshalb das Stichwort. Doch was in anderen Ländern schon üblich ist, steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen.[ds_preview]

Iris Trostel Santander hat über die alten Meister die Grafik für sich entdeckt. Die in Berlin geborene und in Spanien teilweise aufgewachsene Künstlerin war schon während ihrer Schulzeit daran interessiert, figürlich zu zeichnen und die Natur als Vorbild zu nehmen. „Doch das wurde in Westberliner Schulen nicht gefördert“, sagt die 35-Jährige. So habe sie suchen müssen, bis sie die Druckkunst für sich entdecken konnte. Nach der Schule schloss die Künstlerin zunächst ein Architekturstudium in Potsdam ab, um daraufhin an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Kunst auf Lehramt zu studieren. Hier malte sie anfänglich und wurde in die Klasse von Professor Rainer Schade aufgenommen. Daraufhin begann sie sich mit verschieden Drucktechniken auseinanderzusetzen.

Kaltnadelradierung mit dem Titel „immaculata1afterVelazquez“ Foto: Iris Trostel Santander
Druck von Marianne Thurm: „noun O lll“ Foto: Marianne Thurm

„Am Drucken gefällt mir vor allem das Körperliche und Aggressive. Denn mit der Nadel fügt man der Oberfläche Verletzungen zu“, sagt Iris Trostel Santander. Während die Malerei sehr fließend sei, brauche man beim Drucken Kraft und Stärke. Ihr gefalle, dass der Prozess sehr etappenhaft und systematisch sei. „Künstlerische Freiheit habe ich nur bei den Radierungen, also, wenn ich in die Platten zeichne.“ Der Rest sei immer gleich. Nach der Radierung färbt Iris Trostel Santander die Platte. Daraufhin wischt sie mit einer Gose, einem mullartigen Stoff, die Platte wieder sauber. Nur in den Vertiefungen bleibt dabei die Farbe erhalten. Schon am Tag zuvor, werde das Papier in Wasser eingelegt und in einer Folie feucht gehalten. „Die Druckplatte mit der Farbe wird dann in einer 400 Kilo schweren, mechanisch betriebenen Presse auf das feuchte Papier gepresst“, erklärt die Künstlerin ihre durchaus kraftvolle Arbeit. Feuchtigkeit und Druck bewirken, dass das Papier die Farbe aus den Vertiefungen aufnimmt.

Die Werkzeuge der Druckkunst. Gose, zum Entfernen der Farbe, Radiernadel, Kupferplatte und vollendetes Werk aus der Reihe „immaculata“ (Foto: Luca Schooß Neves)

Problematisch beim Drucken sei Iris Trostel Santander zufolge, dass dabei häufig gesundheitsschädigende Stoffe verwendet würden. „Viele Lacke oder auch Asphaltkörner, die bei dem Aquatinta-Verfahren gebraucht werden, sind gesundheitsschädlich und häufig krebserregend.“ Die Künstlerin erzählt, dass sie sich früher beim Drucken häufig schlecht gefühlt habe und ihre Nase ständig gelaufen sei. „Das führte dazu, dass ich nur noch mit Schutzmaske drucken konnte.“ Die Schwangerschaft ihrer Atelierpartnerin Marianne Thurm und eine Allergie veranlassten die beiden Hallenserinnen, sich mit alternativen Materialien auseinanderzusetzen, um das Drucken weniger schädlich zu machen. Ungiftig seien zwar immer noch nicht alle von ihnen verwendeten Materialien, sagt Iris Trostel Sanatander. „Aber zumindest weniger schädlich.“

Noch sind die beiden Künstlerinnen dabei, zu forschen und auszuprobieren. Sie folgen dem Prinzip „learning by doing“ und waren nach eigenen Worten schon erfolgreich. „Mit wasserlöslichen Farben können wir die Kaltnadeltechnik bereits im Non-toxic-Verfahren anwenden“, so Iris Trostel Santander. Bei der Aquatinta hingegen, ein Verfahren, bei dem mithilfe eines Staubkastens eine Staubschicht auf die Platte aufgetragen wird, hätten sie „die richtige Methode noch nicht geknackt.“ Was sie mittlerweile zu mindest wissen: „Puderzucker ersetzt nicht in einem befriedigenden Maß die bisher genutzten giftigen Asphaltkörner.“

Druckpresse mit Werk (Foto: Iris Trostel Santander)

Für die Künstlerinnen sei die Entwicklung von Non-toxic-Druckverfahrens „wie gesundes Essen. Wir machen das erstmal für uns, wir wollen aber auch andere informieren.“ Noch sei nicht klar, ob es zukünftig auch Workshops oder Ähnliches zu den neuen Verfahren geben werde. „Wir sind aber sicher, dass es auch in der digitalen Welt weiter einen Platz für die Grafik geben wird. Drucken, das ist das Gegenteil zum Internet“, sagt Iris Trostel Santander, und genau darin sehe sie die Chancen und Möglichkeiten dieser Kunstform. Während das Internet schnell und digital sei, sei das Drucken eben langsam und analog. Nicht nur deshalb begreift die Künstlerin die Grafik als Gegenpol zur digitalen Welt. Sondern auch, weil die unterschiedlichen Arbeitsschritte sich nicht beliebig beschleunigen lassen und so eine beruhigende Wirkung entfalten. Die Systematik, die Zeit, und das sinnliche oder haptische Gefühl, mit einem Gegenstand zu arbeiten, ihn zu berühren und zu verändern, das zusammen könne entschleunigend wirken.

Iris Trostel Santander sagt aber auch, dass sich Digitalisierung und Grafik nicht notwendigerweise ausschließen, sondern sich auch ergänzen können. Durch das Zeichnen lasse sich viel besser nachvollziehen, wie zum Beispiel digitale Bildbearbeitungsprogramme funktionieren. Und nach einer dreijährigen Abstinenz vom Internet nutze auch sie wieder die sozialen Medien, um sich und ihre Arbeiten zu präsentieren. Für problematischer als die Digitalisierung hält sie aber die zunehmend steigenden Preise für Ateliers: „Halle ist zwar noch lange nicht Berlin, aber in der Vergangenheit war es günstiger.“

Tag der Druckkunst in Halle: 15. März 10 bis 18 Uhr, im Atelierhaus Bölli 8 am Böllberger Weg 8. Es werden Werke ausgestellt und eine offene Radierwerkstatt angeboten.

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