In eigener Sache: StäZ trotzt der Medienkrise

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StäZ-Journalist Jan Möbius und StäZ-Gründer Felix Knothe (Foto: StäZ)

Halle/StäZ – Die Nachricht vom drohenden Verkauf der Mitteldeutschen Zeitung ist dramatisch. Dramatischer noch als der Auflagenverlust des einstigen Zeitungsmonopolisten. Die Abokurve zeigt seit Jahren straff nach unten; es ist eigentlich weniger eine Kurve, sondern mehr eine Gerade. Wer sie gedanklich verlängert hat, konnte sich schon zeitig ausrechnen, dass der Tanker nur noch schwer zu wenden werden würde. Der Crash scheint schon länger unausweichlich. Die Zukunft der halleschen Dumont-Dependance ist nach der Nachricht vom beabsichtigten Verkauf erst recht ungewiss. Kauft sie ein anderer Verlag? Filetiert dieser dann das Unternehmen? Werden Redaktionen geschlossen oder zusammengelegt? Oder kommt es gar zum schlechtesten Fall, der sang- und klanglosen Abwicklung der MZ? Auszuschließen ist das alles nicht mehr. Am bittersten ist das sicherlich für die Kolleginnen und Kollegen der MZ, die täglich Blatt machen. Bitter wäre der plötzliche Tod der MZ oder die Vereinheitlichung mit einem anderen kriselnden Verlag zu journalistischer Einheitskost aber auch für Halle.

Nicht nur hier greift die Medienkrise um sich. Die Digitalisierung verändert das Leseverhalten, Social Media und die Kostenloskultur tun ein Übriges. Die großen Verlage reagieren seit Jahren mit der Aushöhlung des journalistischen Angebots und der journalistischen Vielfalt. Ebenfalls seit Jahren gibt es deshalb bei der MZ einen Exodus guter Journalisten.

Hinzu kommt: Ein Monopolist mit bombensicheren Einnahmen ist die aus dem einstigen SED-Blatt „Freiheit“ entstandene Zeitung MZ schon lange nicht mehr, erst recht nicht in Halle. Doch statt auf die Konkurrenz der Kostenlosportale mit der Stärkung von journalistischer Qualität und Relevanz zu reagieren, passte man sich in der Delitzscher Straße dem Billigmarkt an: Im Internet – und verspätet auch im Blatt – begann ein Wettlauf um die schnellste und die klickversprechendste Meldung. Relevanz für die Region tritt in den Hintergrund. Die Aushöhlung der journalistischen Marke der MZ ist frapant.

Die Hallenserinnen und Hallenser müssen sich fragen, was ihr Beitrag zu einer lebendigen Medienlandschaft sein kann.

Natürlich betrachtet auch die Städtische Zeitung als kleine lokale Konkurrenz die Entwicklung bei der „großen“ MZ mit Aufmerksamkeit. Die StäZ ist in gewisser Weise qua Geburt eine Reaktion auf den Niedergang des halleschen Branchenprimus und des Journalismus in Halle. Sie ist der Versuch, andere Schlüsse und Lehren aus der Digitalisierung abzuleiten. Als Journalisten haben wir beizeiten versucht, Konsequenzen aus der Medienkrise zu ziehen. Der Erfolg der ersten anderthalb Jahre ermutigt uns. Unsere Abozahlen sind im Vergleich klein, aber die Kurve zeigt nach oben. Halle will guten Journalismus. Aber will es ihn auch zahlreich genug? Noch ist auch die StäZ nicht so erfolgreich, dass sich die Kosten selbst tragen.

Journalismus ist jedoch auch im Internetzeitalter ohne Erlösmodell nicht möglich. Die Leserinnen und Leser bezahlen bei der StäZ mit wenig Geld für guten Journalismus. Woanders bezahlen sie mit ihren guten Daten – die sie über Facebook oder Google Analytics abgeben – für wenig Journalismus. Die StäZ stemmt sich gegen diese Mechanismen. Wir wollen das, was an Journalismus gut und wichtig ist, weiter hochhalten und die Leserinnen und Leser in Halle für das Wesentliche begeistern: Für Information, für Aufklärung, für informierte Meinung, für öffentliche Debatte.

Klar ist aber auch: Die Hallenserinnen und Hallenser müssen sich fragen, was ihr Beitrag zu einer lebendigen Medienlandschaft sein kann. Keine demokratische Gesellschaft kann auf unabhängigen und vielfältigen Journalismus verzichten, so sehr sich mancher auch daran reiben mag. Idealerweise kommt er aus mehreren Quellen. Nur so entsteht wirkliche Öffentlichkeit. Wer statt dessen immer öfter von Lügenpresse spricht, und sei es nur im Scherz, sollte sich fragen, ob ihm gar keine Presse lieber ist. Ja: Medien sind selten gänzlich objektiv. Medien machen auch Fehler. Aber professionelle Medien haben nichtsdestotrotz eine wichtige Rolle. Sie sorgen für einen öffentlichen Raum, in dem demokratische Debatten überhaupt erst möglich werden. Und sie übernehmen Verantwortung für das, was sie schreiben. Das kann man im Netz nicht von jeder Seite behaupten.

Erst wenn der letzte Journalist nicht mehr arbeitet, wird auch eine Stadt wie Halle merken, dass man allein von kopierten Pressemitteilungen, Social-Media-Kanälen voller Hasskommentare und sonstiger interessengeleiteter Propaganda keine freiheitliche und friedliche Stadtgesellschaft aufrecht erhalten kann. Es braucht unabhängige Journalisten, sonst entstehen weiße Flecken auf der Landkarte. Wohin über Jahre sich selbst überlassene Strukturen führen, kann man derzeit exemplarisch vor den Toren Halles, in Teutschenthal beobachten.

Die StäZ wird weiter ihre Arbeit machen, wird den Hallenserinnen und Hallensern im Rahmen ihrer noch bescheidenen Möglichkeiten ein Angebot machen, wird wachsen. Die StäZ wird weiter der Bioladen für lokale Nachrichten sein, der kleine journalistische Handwerksbetrieb, der der Medienkrise trotzt. Unterstützen Sie uns dabei, indem Sie Abonnentin oder Abonnent werden beziehungsweise es bleiben. Es ist Ihr Beitrag, auf den es in der Medienkrise ankommt.

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Stephan Schirrmeister
5 Jahre her

Können Sie recherchieren, wieviel man bei DuMont für das MZ-Imperium aufrufen möchte? Dann könnte man mal Gedankenspiele anstellen: Gründung einer Genossenschaft zum Beispiel.

Knothe, Felix
5 Jahre her

Interessanter Gedanke. Mal sehen, was wir da rausbekommen können. Vielleicht recherchiert es sich aber leichter, wenn man nicht von der Konkurrenz kommt. Für ein Brainstorming zur freundlichen Übernahme bin ich aber jederzeit zu haben…

Stephan Schirrmeister
5 Jahre her
Reply to  Knothe, Felix

Dieses und die Fragen, die Sie im Beitrag aufwerfen, sollten die Hallenser öffentlich diskutieren. Es geht um viel. Vielleicht ein Forum im Literaturhaus?