Stilkritik Stahlknecht: Grüße aus dem Stall

Der neue CDU-Landesvorsitzende wendet sich mit zwei skurrilen Youtube-Clips an die Mitglieder. Eine Rezension.

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Halle/StäZ – Das war stilistisch wohl ein Griff, nun ja, in den Mist. Innenminister und CDU-Landesvorsitzender Holger Stahlknecht (CDU) sorgt derzeit mit zwei skurrilen Grußbotschaften auf Youtube für Verwunderung bei seinen Parteifreunden. Kurz vor Weihnachten wandte er sich, mit Bezug auf die christliche Stallmetapher auf einen Strohballen gestützt, an die Öffentlichkeit. Kurz nach Neujahr folgte dann Folge zwei: Stahlknecht hockt mit zwei CDU-Nachwuchspolitikerinnen vor einer Stallwand und tätschelt eine Horde Hausschweine. Botschaft „lebendiges Glücksschwein“. Spätestens seitdem sorgen Stahlknechts Grüße aus dem Stall bei vielen CDU-Mitgliedern für gespaltene Reaktionen: Während die einen entzückt ob des christlich-demokratischen Pet-Contents im neuen CDU-Youtube-Kanal sind, üben sich andere in vernichtender Stilkritik. Schlecht gemacht und belanglos, so der Tenor. [ds_preview]

Schlechtes Licht, gackernde Hühner

Und in der Tat lassen die Videos aus rein stilistischer Sicht sehr zu wünschen übrig. Im Weihnachtsvideo, das „aus einem kleinen Stall in Magdeburg“ kommen soll, spricht Stahlknecht 39 Sekunden lang über Jesu Geburt und die christlichen Werte. Das Video ist so schlecht ausgeleuchtet, dass sich Stahlknecht, der auch noch eine schwarze Jacke trägt, kaum vom dunklen Hintergrund abhebt. Vom symbolischen Weihnachtslicht und ‑glanz keine Spur. Stahlknecht will offenbar Spartanität und die bescheidenen Verhältnisse des Magdeburger Stalls in den Mittelpunkt stellen. Hier könnte Jesus geboren sein, und habe trotzdem „viel erreicht und bewegt“ im Leben, so die vermittelte Botschaft. Im Hintergrund der Landeshauptstadt gackern ein paar Hühner. Bescheidener kann die Sicht auf das Land, das der CDU-Mann irgendwann regieren will, nicht ausfallen.

Auch der Inhalt wirkt seltsam zusammengewürfelt. Von Jesus und den bescheidenen Umständen seiner Geburt kommt Stahlknecht ohne Umschweife auf „unser Christentum“, das uns „am Ende“ und „über die ganze Zeit“ geprägt habe. Ein Text-Script gibt es offenbar nicht, oder es ist hastig geschrieben worden, bevor der Innenminister die letzten Weihnachtsgeschenke einpacken musste. Am Ende wünscht Stahlknecht „im Rückblick auf das Natürliche und das Wirkliche“ eine besinnliche Weihnacht. Da gackern die Hühner noch einmal laut dazwischen. Unwirklich.

Skurriler noch die Neujahrsbotschaft des CDU-Landesvorsitzenden. Stahlknecht hockt da zwischen zwei Damen, übrigens selbst offenbar in den gleichen Klamotten wie im Weihnachtshühnerstall, hinter einer Ferkelbande und grinst, als die Frau zu seiner Rechten die Eingangsfrage stellt. „Wisst Ihr eigentlich, warum es Glücksschwein heißt?“ Immerhin ist das Bild hier etwas besser. Die Wärmelampe im Stall lässt die Ferkel noch rosaer aussehen, als sie ohnehin schon sind. Der Ton dagegen ist digital leicht verzerrt. Das Grunzen der Schweine immerhin hört sich echt an.

Mitmachpartei CDU: Hier kann man Schweine streicheln

Die Frau mit der Eingangsfrage heißt Carolin Lichtenstein und ist von der Jungen Union (JU). „Nee, keine Ahnung“, entgegnet ihr Stahlknecht. „Nö, keine Ahnung“, sagt dann auch die JU-Landesvorsitzende Anna Kreye, die linkerhand von Stahlknecht hockt. Offenbar gab es hier zumindest ein Script, wenn auch kein gutes, oder man hat lange dafür geübt. In dem Stil „lockeres“ Stallgespräch jedenfalls geht es weiter. Schweine stünden für Fruchtbarkeit und Stärke, erläutert Lichtenstein, und Stahlknechts Grinsen wird immer breiter. Der Mann hat hier tatsächlich so etwas wie Spaß, soll das heißen. Sonst kennt man Stahlknecht eher als ernst dreinblickenden Innenpolitiker mit einer Riesenverantwortung für die Sicherheit im Land.

„Das war traurig als Landesvorsitzender“ – Holger Stahlknecht im Schweinestall. (Screenshot: StäZ)

Hier macht er auf sanft: Kommt im Video ein Ferkel vorbei, tätschelt er es leicht. Cut. Botschaft des Vorsitzenden: „So viel Schwein, wie wir heute haben, das wünschen wir alles unseren Parteifreundinnen und Freunden unserer CDU“, sagt Stahlknecht mit Blick zum Boden. Dann gratuliert er Kreye zu 100 Prozent bei ihrer Wahl, um ohne Umschweife zu postulieren: „Wir sind die dynamische Mitmachpartei.“ Hier kann man Schweine streicheln, sagt dazu das Bild. Wem das zu viel Schauder verursacht, der sollte die Youtube-eigene Untertitel-Funktion anklicken. „Mitmachpartei“ wird dort zu „Mischung wird verzeigt“; das ist wenigstens etwas lustig. Er bedanke sich auch nochmal „für das Vertrauen als Landesvorsitzender“ , sagt Stahlknecht dann noch (Youtube-Untertitel: „… das war traurig als Landesvorsitzender… “), aber da kommt schon wieder ein Ferkel vorbei.

Es ist tatsächlich viel Schwein im Bild. Unwillkürlich fragt man sich, ob die Tiere das Jahr 2019 überleben werden, für das Stahlknecht, Lichtenstein und Kreye nun ihren Parteifreunden „viel Schwein“ wünschen. Und wenn nicht, was das dann für die CDU in Sachsen-Anhalt zu bedeuten hat? Und was die Botschaften aus dem Stall nun über die neue Stahlknecht-CDU aussagen? Bei den Mitgliedern jedenfalls sind nicht alle überzeugt von der Performance ihres neuen Chefs. Nur eine Handvoll Facebook-Seiten der Partei hat die Videos bisher geteilt. „Das alles wirkt wie gewollt und nicht gekonnt, und in den inhaltlichen Botschaften ist es dünn“, sagt ein Magdeburger CDU-Mitglied zur StäZ. Ein hallescher CDU-Mann sagt: „Nette Idee, aber merkwürdig umgesetzt.“

Imagewandel schon im Ansatz gescheitert.

Mehr wollen sie ihrem neuen Chef noch nicht zumuten. Stahlknecht ist als CDU-Landeschef noch keine 100 Tage im Amt. Erst Mitte November 2018 ist er in Röblingen am See gewählt worden, nicht im Stall sondern in einer Festscheune, immerhin. Eines der zentralen Anliegen – außer dem persönlichen Aufgalopp des Innenministers für das Amt des Ministerpräsidenten – ist es, die selbsternannte Sachsen-Anhalt-Partei zu einer sogenannten Mitmachpartei zu machen. Bürgernähe, Modernität – so etwas.

Nach Stahlknechts erstem Versuch der Umsetzung darf man sich festlegen: Das wäre, bei aller Hemdsärmeligkeit, dem bördeverwurzelten Vorgänger im Amt Thomas Webel wohl nicht passiert. Aber unter dessen Regie gab es auch noch keinen CDU-Youtube-Kanal, der nun gefüttert werden will. Die Videos aus dem Stall sind überhaupt erst Clip Nummer vier und fünf. Aber Stahlknecht als Stallknecht: Das nimmt man dem Juristen und Reserveoffizier nicht ab. Sollte es der Versuch eines Imagewandels sein, er wäre schon im Ansatz gescheitert. Stahlknecht sollte ihn im Stall von Magdeburg schleunigst an die Schweine verfüttern. Die fressen ja bekanntlich beinahe alles.

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