Abriss eines Denkmals: HWG spricht von „bedauerlichem Missverständnis“

Die HWG spricht beim Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes in der Hafenstraße 7 von einem bedauerlichen Missverständnis -- eine Erklärung, die Kritiker nicht überzeugt.

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Da war das „Missverständnis“ noch nicht passiert: Ein Bagger der Firma Papenburg schiebt am Mittwoch Abrisstrümmer zusammen. Rechts im Hintergrund das 124 Jahre alte Kessel- und Reglerhaus der alten Gasanstalt, das nun Geschichte ist. (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Einen Tag nach dem Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes in der Hafenstraße 7, auf dem früheren Hasi-Gelände, wird klar, dass der Abriss ohne Genehmigung erfolgte. Ein Bagger der Baufirma Papenburg, die offenbar im Auftrag der Halleschen Wohnungsgesellschaft auf dem Gelände gearbeitet hatte, hatte das 124 Jahre alte Kessel- und Reglerhaus der ehemaligen Gasanstalt am Donnerstag praktisch dem Erdboden gleichgemacht, nur einen Tag, nachdem sich Oberbürgermeister Bernd Wiegand vor Ort über die Arbeiten informiert hatte. Laut einer Stellungnahme der HWG nun war der Abriss ein „sehr bedauerliches Missverständnis“. Kritiker des Vorgehens überzeugt diese Aussage indes keineswegs. Grünen-Stadtrat und HWG-Aufsichtsrat Christian Feigl, der am Donnerstag auf den Abriss aufmerksam gemacht hatte, bezeichnete die Erklärung als „Dreistigkeit“.[ds_preview]

Obere Denkmalschutzbehörde ist überrascht

HWG-Sprecher Steffen Schier teilte am Freitag auf StäZ-Nachfrage mit, dass die HWG ihr Grundstück, dass sie vor einer Woche von den Hasi-Hausbesetzern zurückerlangt hatte, von Müll beräumt habe und andere Nebengebäuden habe abreißen lassen. Dabei sei versehentlich auch das Kesselhaus abgerissen worden. Die Stellungnahme der HWG im Wortlaut:

Mit der Rückgabe des Grundstückes Hafenstraße 7 am Abend des 14. Dezember 2018 konnten wir uns erstmals nach drei Jahren wieder einen Eindruck vom Zustand des Haupthauses, des Nebengebäudes, der Gasometertassen sowie des Grundstückes machen. Wir fanden dabei ein sehr stark vermülltes Grundstück und Haupthaus vor. In den Tage nach der Rückgabe ließen wir große Mengen an Müll entfernen sowie dringend notwendige Sicherungsmaßnahmen am Haupthaus durchführen. Um den ursprünglichen Zustand des denkmalgeschützten Grundstückes wieder herzustellen, ließen wir auf dem Außengelände sämtliche durch die Nutzer errichteten Bauten und Nebengebäude abreißen. Hierbei kam es zu einem sehr bedauerlichen Missverständnis, da auch das in einem augenscheinlich sehr schlechten Zustand befindliche, ehemalige Kessel- und Reglerhaus abgerissen wurde.

Die Denkmalschutzbehörden, die einen Abriss hätten genehmigen müssen, waren vom Vorgehen der HWG offenkundig nicht informiert, zumindest nicht die obere Denkmalschutzbehörde, also das Landesverwaltungsamt. Sprecherin Denise Vopel sagte auf StäZ-Anfrage, ihrer Behörde sei nichts von einer Genehmigung bekannt, auch nicht „für das Befahren des Geländes mit schwerem Gerät oder Erdeingriffe“.

Hafenstraße 7 ist auch „archäologisches Denkmal“

Die Überreste des abgerissenen Kesselhauses der Gasantalt in der Hafenstraße 7. (Foto: Jan Möbius)

Hätte also die HWG gar nicht mit Baggern auf das Gelände fahren dürfen? Stadtrat Feigl hatte bereits am Donnerstag gegenüber der StäZ vermutet, auch zur Beseitigung von später errichtete Bauten auf dem Gelände, etwa eines Gewächshauses, bedürfe es denkmalschutzrechtlicher Genehmigungen. Doch offenbar geht der Denkmalschutz für das Hasigelände noch weiter. In einem Schreiben der Stadt als unterer Denkmalschutzbehörde an die HWG aus dem Jahr 2015, das der Städtischen Zeitung vorliegt, heißt es, die Hasi sei nicht nur ein Baudenkmal – wobei das nun abgerissene 1894 erbaute Kesselhaus explizit als Bestandteil des Denkmals genannt wird – sondern auch „Bestandteil eines archäologischen Flächendenkmals“.

Zumal Hasi-Aktivisten schon lange vermuten, dass sich auf dem Gelände möglicherweise Kampfmittelreste befinden aus der Zeit, als 1945 ein Gasometer offenbar als Weltkriegsbunker genutzt wurde. Eine Beräumung des Geländes durch den Kampfmitteldienst habe es nie gegeben, waren Hasi-Leute überzeugt. Ob das stimmt, ist unklar. Wenn es stimmt, wäre ein Einsatz schwerer Bagger zumindest nicht ungefährlich.

Bei Denkmalszerstörung ist Freiheitsstrafe möglich

Grünen-Stadtrat Christian Feigl hat den Abriss am Donnerstag entdeckt. (Foto: xkn)

Grünen-Stadtrat Christian Feigl findet die Aussage der HWG „abenteuerlich“. „Mit Baggern vorzurücken und ein gründerzeitliches Gebäude einfach wegzuhauen: So viel Dreistigkeit ist schon der Hammer.“ Auch die Behauptung der HWG, das Haus sei in einem schlechten Zustand gewesen, weist Feigl zurück. „Das Haus war alles andere als baufällig. Und selbst wenn, ist es ein Gebäude, das geschützt war und somit hätte erhalten werden müssen.“

Laut Aussage des Landesverwaltungsamt kann es sich „bei ungenehmigten Maßnahmen an Kulturdenkmalen“ um Ordnungswidrigkeiten oder gar Straftaten handeln. Geregelt ist das im Denkmalschutzgesetz. Demnach kann mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, wer vorsätzlich ohne Genehmigung „ein Kulturdenkmal oder einen wesentlichen Teil eines Kulturdenkmals zerstört oder in seiner Denkmaleigenschaft wesentlich beeinträchtigt.“ Der Knackpunkt ist wohl der Vorsatz der Tat. Bei einem „Missverständnis„könnte dann wohl eher eine Ordnungswidrigkeit in Frage kommen.

Ein anderer Gesetzespassus lässt indes aufhorchen: Demnach könnten Kulturdenkmale, „die infolge strafbarer oder ordnungswidriger Handlungen wesentlich beschädigt oder zerstört wurden“, eingezogen werden, heißt es in §21 Absatz 2. Auch eine Enteignung zum Erhalt von Kulturdenkmalen ist möglich. Bekommt also der Fall Hasi durch das „Missverständnis“ der HWG noch einmal eine völlig neue Wendung?

Was wusste OB Wiegand?

Über die Feiertage wird wohl Ruhe sein an der Hafenstraße 7. Die Bagger zumindest sind wieder abgezogen. (Foto: Jan Möbius)

Über Weihnachten und Neujahr passiert wohl nichts. Das Landesverwaltungsamt will erst klären, was genau passiert ist und was davon genehmigt wurde. „Leider ist derzeit niemand in der Stadtverwaltung zu erreichen“, so Sprecherin Vopel. Auch die Staatsanwaltschaft ist laut Staatsanwältin Heike Geyer auf die Informationen der zuständigen Behörden angewiesen. Die Stadtverwaltung hat auf mehrere Anfragen der Städtischen Zeitung bislang nicht reagiert.

So bleiben, neben Zweifeln an der Erklärung der HWG, viele offene Fragen, auch Fragen nach dem Gespräch, das Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) am Mittwoch, also während der laufenden Entrümpelungs- und Abrissaktion, am früheren Hasi-Gelände mit Vertretern der HWG führte. War der Abriss Thema bei der Besprechung? Was wurde überhaupt besprochen? Wer hat an der Besprechung teilgenommen? Und wusste der Oberbürgermeister vom möglicherweise doch geplanten Abriss des Nebengebäudes?

Über allem aber wird wohl in den nächsten Wochen die Frage stehen: Wer ist verantwortlich?

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