Die neue Radweg-Schikane vom Dautzsch

Ein aus Radfahrersicht völlig fehlgeplanter Radweg sorgt bei der neuen Osttangente am Dautzsch für Diskussionen. Die Stadt indes sagt, es sei alles in Ordnung.

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Halle/StäZ – Noch ist die Berliner Straße unter der neuen Brücke der halleschen Osttangente im Baustellenmodus. Erst Ende des Jahres soll die neue Haupterschließungsstraße (HES) eröffnet werden. Autos müssen hier zwischen Diemitz und dem Dautzsch langsam und auf Baustellenspuren fahren. Es ist Brückenbauwerk 9 und Knoten 13 des Großprojekts. Die Auf- und die Abfahrt auf die neue Umgehungsstraße sind schon asphaltiert, wie auch die Tangente selbst, die nur wenige hundert Meter weiter nördlich dann an der B100 enden wird. Auch der neue Radweg ist schon so gut wie fertig – und erregt die Gemüter. Nicht nur, dass auf der stadtzugewandten Seite der Brücke mehrere Ampelmasten mitten auf dem Radweg stehen, wie die Mitteldeutsche Zeitung am Sonnabend (Printausgabe) berichtete. Radfahrer, die den neuen Weg täglich vom und zum Dautzsch nehmen stören sich zudem vor allem an einer Stelle, die äußerst schwierig zu befahren ist. Ein StäZ-Leser, der die Strecke täglich fährt, hatte die StäZ-Recherchen angestoßen.[ds_preview]

Die neu gebaute Radwegschikane vom Dautzsch erhitzt die Gemüter. Moniert wird auch, dass die Ampelmasten direkt auf dem Radweg stehen. (Foto: xkn)

Es geht um die Überquerung der neuen Auffahrt auf der Dautzscher Seite der Brücke. Die Planer haben hier für eine regelrechte Schikane gesorgt, wie man sie von Autorennstrecken kennt – um Tempo aus dem Rennen zu nehmen. Statt am Knoten 13 den Radweg einfach geradeaus, parallel zur Fahrbahn der Berliner Straße über die Kreuzung zu führen, biegt er mit der Auffahrt leicht nach rechts ab und knickt dann, kurz bevor er über die Straße führt, jäh nach links ab. Radfahrer müssten hier einen sehr gewagten Schulterblick machen, wohl mehr als 180 Grad, um überhaupt zu sehen, was von hinten kommt. Sie müssten außerdem praktisch stehenbleiben. Hinzu komme, so der Bericht des Betroffenen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, dass sich direkt an die schwierige Stelle tiefe Böschungsgräben anschließen, in die man als ortsunkundiger Fahrer bei dem schwierigen Fahrmanöver schnell stürzen könne. Es habe schon Stürze an der Stelle gegeben, freilich keine in den Graben, zumindest soweit er es beobachtet habe. Er hält den Radweg an der Stelle für eine komplette Fehlplanung.

Stadt: Radweg wurde gebaut, wie er geplant war.

Die Stadt verteidigt die Streckenführung bei dem Radweg. Auf StäZ-Nachfrage teilt sie mit, dass das gebaute Stück genau den Planungen entspreche. Stadtsprecher Drago Bock: „Die Anschlussstellen sind planmäßig ausgeführt. Die Bauausführung entspricht der genehmigten Ausführungsplanung. Nach der Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen sind Furten rechtwinklig zur Fahrbahn zu führen.“ Die Ausführungsvariante sei mit der Stadt abgestimmt. „Zur Vermeidung von Unfällen wurde der Verlauf der Verkehrsanlage für Fußgänger und Radfahrer so gewählt“, so Bock, „dass eine sichere, konfliktfreie Querungsmöglichkeit der Abbiegefahrspur für Fußgänger und Radfahrer zur Verfügung steht. Der von der Berliner Straße rechts abbiegende Fahrzeugverkehr hat Vorrang.“

Verkehrszeichen 239 mit Zusatzzeichen 10–2210

Letztere Information ist neu und wohl die entscheidende Erklärung. Statt wie bei normalen Straßen, wo Radfahrer und Fußgänger mit der Hauptstraße Vorrang vor rechtsabbiegenden Fahrzeugen haben, wird diese Regelung hier zugunsten der Autos, die von der Berliner Straße in Richtung B100 auf die Tangente fahren wollen, außer Kraft gesetzt. Möglich macht das ein Kniff: Nach StäZ-Informationen soll der Radweg nämlich gar kein Radweg werden, sondern ein Gehweg, auf dem Radfahrer mitfahren dürfen. Verkehrszeichen 239 mit Zusatzzeichen 10–2210. Das bedeutet aber auch: Radfahrer dürften theoretisch die Fahrbahn in der Berliner Straße mitbenutzen – und hätten dann natürlich Vorfahrt.

Planung wurde im Stadtrat anders beschlossen

Radfahrer schütteln den Kopf darüber, dass ausgerechnet an einer neu gebauten Kreuzung, an der auch keinerlei Platzmangel herrscht, so geplant worden ist. Auch Marco Gergele, Mitblogger bei der halleschen Radfahr- und Fußgängerseite halle-verkehrt.de, ist bass erstaunt: „Gemeinsame Geh- und Radwege sollten auf das absolute Minimum beschränkt sein“, sagt er. Auch wundert er sich, dass ausgerechnet hier die Stadt Radfahrer praktisch auf die Straße dränge, obwohl sie es an anderen Stellen normalerweise vermeiden wolle, zum Beispiel in der Magdeburger Straße. Dort hatte es lange Gerichtsprozesse gegeben, in denen die Radfahrlobby die Radwegregelung teilweise gekippt hatte. „Es handelt sich um eine klare Behinderung des Rad- und Fußverkehrs“, sagt Gergele mit Blick auf die Radwegschikane am Dautzsch. „Warum ist es nötig, den Rechtsabbiegeverkehr dort so zu beschleunigen?“, fragt er.

Der ursprüngliche Plan, wie ihn der Stadtrat 2012 verabschiedet hat. (Quelle: Bürgerinformationssystem Stadt Halle)

Zusätzlich pikant wird die Planung und Bauausführung der Stadt, wenn man in die Beschlüsse des Stadtrats zur entsprechenden Kreuzung schaut. Dort nämlich führt der ausweislich der Legende als „Radweg“ deklarierte Fahrstreifen praktisch geradeaus, parallel zur Fahrbahn. Ohne Schikane. Der Stadtrat hatte die Planungen zur HES nach jahrelangen Debatten 2012 beschlossen. Wie es seitdem zu der offenkundigen Umplanung und abweichenden Bauausführung kommen konnte, dazu hält sich die Stadt bedeckt. Denn nach ihrer Version wurde der Radweg – beziehungsweise der Fußweg mit freiem Nutzungsrecht für Radfahrer – ja völlig plangemäß gebaut. Das letzte Wort jedoch ist hier indes wohl noch nicht gesprochen. Es dürfte zumindest Nachfragen im Stadtrat geben.

Die StäZ hatte übrigens auch gefragt, ob bei möglichen Nacharbeiten an der Kreuzung der Eröffnungstermin der HES eventuell verschoben werden müsse. Die Antwort „entfällt“, so die Stadt.

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U. Geiß
5 Jahre her

Wirklich typisch RadwegVERbau! Einem Kfz würde man niemals solche Schikanen zumuten. Ich hoffe, dass das noch geändert wird. Dazu gehören m.M. auch die Masten mitten im Weg.