Gasgeruch: Große Mengen Ammoniak entweichen offenbar aus Grube Teutschenthal

In Angersdorf bei Halle entweicht aus einer Kaligrube das Gas Ammoniak. Anwohner mussten den Rettungsdienst rufen. Die Ursache ist unklar.

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Unscheinbar liegt der Grubenzugang am Rand von Angersdorf. Doch nähert man sich, steigt beißender Geruch in die Nase. Ammoniak strömt offenbar ungehindert aus. (Foto: Jan Möbius)
Unscheinbar liegt der Grubenzugang am Rand von Angersdorf. Doch nähert man sich, steigt beißender Geruch in die Nase. Ammoniak strömt offenbar ungehindert aus. (Foto: Jan Möbius)

Teutschenthal/StäZ – Ein faulig-stechender Geruch liegt seit Tagen am westlichen Stadtrand von Halle in der Luft. Je nach Windrichtung verbreitet er sich bis in die südlichen Teile der Innenstadt. Der Gasgeruch sorgte inzwischen für etliche Feuerwehreinsätze. Zu den Alarmen mussten vor allem die Einsatzkräfte aus Teutschenthal im Saalekreis ausrücken. Die Ursache des Übels liegt, wie sich inzwischen herausgestellt hat, dort im Ortsteil Angersdorf. Auf einem alten Grubengelände  entweicht laut Bürgermeister Ralf Wunschinski (CDU) offenbar Ammoniak in hohen, giftigen Dosen aus unterirdischen Hohlräumen. Einwohner sollen bereits Übelkeitsattacken gehabt haben und Tiere verendet sein.

Die vergiftete Luft in und um Angersdorf habe Wunschinski zufolge inzwischen dazu geführt, dass eine Anwohnerin wegen Schwindelgefühlen einen Rettungswagen rufen musste. Die Einsatzkräfte hätten sich aber sofort wieder aus dem betroffenen Haus zurückziehen müssen, nachdem sie die Bewohnerin in ihrer Obhut hatten. „Das gesamte Gebäude hat extrem nach Gas gerochen“, so Wunschinski. Der Bürgermeister habe inzwischen mit dem Grubenbetreiber gesprochen, das Bergamt und den Landkreis eingeschaltet und sei bereit, angrenzende Gebiete räumen zu lassen.

Grube Teutschenthal: Millionen Tonnen Müll unter Tage gelagert

Die Gemeinde Teutschenthal ist unterirdisch von riesigen Hohlräumen durchzogen, aus denen Salz abgebaut wurde. Über 75 Jahre hinweg war das Kalibergwerk in Betrieb. In einer Tiefe von 600 bis 900 Metern bieten nun die Hohlräume in sieben Kilometer langen Stollen Platz für rund zwölf Millionen Tonnen Verfüllmaterial. 1982 legte die DDR das Werk still, ohne aber seinerzeit die unterirdischen Hohlräume mit Versatz zu sichern. Das macht nun das Unternehmen Grube Teutschenthal. Um das Bergbaugebiet zu sichern, betreibt es die ehemalige Kaligrube als Versatzbergwerk. Die unterirdischen Hohlräume werden dazu mit großen Abfallsäcken verfüllt. Nach Angaben des Unternehmens handelt es sich dabei um Abfälle aus der Rauchgasreinigung von Verbrennungsanlagen, Schlacken und Aschen, kontaminierte Bauabfälle, Produktionsabfälle aus der Industrie und Schlämme aus der Reinigung von Industrieabwässern.

Gebirgsschlag und Brände in der Vergangenheit

Dass die Grube Teutschenthal mit ihren Ausläufern aber längst nicht sicher ist, das zeigte sich überdeutlich 1996. Auf einer Fläche von 2,5 Quadratkilometern waren damals am 11. September in 700 Metern Tiefe Hohlräume im Ostfeld der Grube eingestürzt, etwa dort, wo heute offenbar das Ammoniak entweicht. Stützpfeiler hatten dort reihenweise nachgeben. Das Beben, genauer der Gebirgsschlag, hatte eine Stärke von 5,5 auf der Richterskala und wurde auch in Thüringen und Sachsen registriert. In Halle-Neustadt schwankten Hochhäuser. Sechs Millionen Euro kosteten die Reparaturarbeiten in der Region Teutschenthal und Halle. 2002 und 2003 sorgten schließlich Brände in gut 700 Metern Tiefe für Besorgnis. In unterirdischen Kammern war Sondermüll in Brand geraten. GTS-Mitarbeiter berichteten damals von Problemen bei der Be- und Entlüftung unter Tage.

Unterirdischer Brand für hohe Ammoniakkonzentration verantwortlich?

Brennt es nun wieder unter der Erde von Teutschenthal? Immerhin  gehört Ammoniak zu den jenen Gasen, die neben Stickstoff und Kohlenmonoxid bei Verbrennungen entstehen und freigesetzt werden. Dass Teutschenthals Bürgermeister Wunschinski den Stoff genau benennen kann, der für erneute Unsicherheit sorgt, ist aber Zufall. „Wir hatten am Sonntag die Möglichkeit, Messungen mit einem Spezialfahrzeug der Feuerwehr durchzuführen. Das Auto war gerade in der Nähe“, sagte er zur StäZ bei einem Vor-Ort-Termin am Dienstagabend. Dabei sei man in der Umgebung des Angersdorfer Schachtes auf eine Ammoniakkonzentration von 3,5 Prozent in einem Meter Höhe gestoßen. „Bei 0,02 Prozent sprechen wir von einer Geruchsbelästigung“, so Wunschinski, der von inzwischen fünf Feuerwehreinsätzen wegen des beißenden Geruchs spricht.

Tote Tiere und hohe Gift-Werte

In der Umgebung des Angersdorfer Schachtes seien inzwischen auch tote Tiere gefunden worden. „Wir haben im Käfig eines toten Hahns  eine Ammoniakkonzentration von 9,7 Prozent gemessen.“  Eigentlich müsste bei jedem Notruf aus Angersdorf der Gefahrgutzug des Saalekreises ausrücken. Doch davon rücke man in zwischen ab, so Teutschenthals Bürgermeister. Zunächst erkunde Gemeindewehrleiter Dirk Moebius die Lage und entscheide dann mit dem Verwaltungschef, wie gehandelt werden muss.

Wunschinski wisse inzwischen nach einer Information des Landkreises auch von acht Strafanzeigen gegen Grubenbetreiber GTS. Dabei gehe es vor allem um den beißenden Geruch in der Umgebung der Schachtanlagen, der sich nach StäZ-Informationen auch am Mittwochmorgen wieder über ganz Teutschenthal ausgebreitet hat. Inzwischen sei es Wunschinski gelungen, beim Bergamt zumindest Langzeitmessungen durchzusetzen. Zwei Stunden habe er am Dienstag dort dazu vorgesprochen. „Es haben alle den Ernst der Lage erkannt“, sagte er.

Grubenbetreiber will Anwohner informieren

Auch Grubenbetreiber GTS geht in die Offensive. Nachdem der zuständige Unternehmenssprecher am Dienstag für die StäZ nicht erreichbar war, wurde inzwischen eine Pressemitteilung sowie Informationen für die Öffentlichkeit nach der Störfallverordnung herausgegeben. Auf das Gift Ammoniak will man sich aber nicht festlegen und schreibt: „Infolge von Geruchswahrnehmungen in der Umgebung des Schachtes Halle (Angersdorf) während der letzten Hitzeperiode Ende Juli bis Anfang August 2018 war mehrfach die örtlich zuständige Feuerwehr ausgerückt, ohne dass deren Messungen etwas ergeben haben. Ergebnisse von Messungen mit Spezialmessgeräten auf den Geruchsträger Ammoniak sollen jetzt durch amtliche Messungen durch ein unabhängiges anerkanntes Messinstitut verifiziert werden.“ GTS werde nun einen Messplan erarbeiten, der mit Zulassung durch das Bergamt eine sichere Datenbasis zur Entscheidung über Langfristmaßnahmen bilden soll. Das Unternehmen wolle am heutigen Mittwoch die betroffene Anwohner in der Begegnungsstätte der Volkssolidarität in Teutschenthal informieren. Ein Uhrzeit wurde aber nicht bekanntgegeben.

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