Uni Halle: Duell um Sträter-Nachfolge

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Halle/StäZ – Seit acht Jahren ist Udo Sträter im höchsten Amt der Uni Halle und ist damit der am längsten amtierende Rektor der halleschen Universitätsgeschichte. Am Mittwoch nun wird sein Nachfolger gewählt. Die Entscheidung fällt zwischen einem Musiker und einem Juristen, die sich beide am Montag der Universitätsöffentlichkeit präsentierten.

Georg Maas und Christian Tietje (v.l.) sind die Kandidaten für das Rektorenamt an der Uni Halle. (Foto: xkn)

Die Veranstaltung im Audimax am Universitätsplatz war also so etwas wie ein Kandidatenduell, nur eben ein akademisches. Ansprache des Vorsitzenden der Findungskommission, nüchterne Regeln, keine direkten Dialoge, sondern Vorträge (jeweils unter Ausschluss des Konkurrenten) mit anschließendem Frage-Antwort-Spiel. Und doch: Es wurde schnell deutlich, wo die Unterschiede zwischen den Kandidaten liegen.

Da ist zum einen der Musikpädagoge Georg Maas, 60 Jahre alt. Er ist seit 1995 an der Uni Halle als Professor tätig und zur Zeit Dekan der Philosophischen Fakultät II. Die Entscheidung zu kandidieren habe er erst vor einer Woche getroffen, gibt er freimütig zu Protokoll. Auf der anderen Seite ist da der Wirtschaftsjurist Christian Tietje, 51. Er ist früherer Dekan der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und aktuell Senator der Universität, also eines von vielen Mitgliedern im höchsten Beschlussgremium der Uni. Tietje, so erklärte er selbstbewusst, bereitet sich seit vielen Monaten auf seine Kandidatur vor. Es sei ja seit 2014 bekannt, dass diese Wahl 2018 anstehen werde. Er sei uniweit breit unterstützt und auch politisch bestens vernetzt.

Christian Tietje und Georg Maas (v.l.) sind die Kandidaten für das Rektorenamt an der Uni Halle. (Foto: xkn)

So ist es ein ungleiches Duell, das sich vor den rund 200 Zuhörern im Audimax entfaltet. Hier Maas, der angesichts seiner kurzen Vorbereitungszeit für das Amt „noch nicht so viel sagen kann“, wie er ein ums andere Mal betonte. Auch er habe „viel Zuspruch“ für seine Kandidatur bekommen. Dort Tietje, der mit ausgefeiltem Plan antritt und auch für die Gruppen der Mitarbeiter und Studierenden politische Angebote in petto hat. Das sind die angesichts der Professorenmehrheit an der Uni zwar notorisch unterrepräsentierten Gruppen, sie können aber zur Rektorwahl am Mittwoch bei gespaltener Professorenschaft das Zünglein an der Waage sein.

Einigkeit herrscht bei beiden Kandidaten mit Blick auf die Herausforderungen, vor denen die Uni steht. Der anstehende Generationenwechsel in der Professoren- und Mitarbeiterschaft erfordere weitsichtige Personalplanung. Auch müsse sich die Uni in der Forschung so aufstellen, dass sie „eine stolze, forschungsstarke Volluniversität“ bleibe (Maas) und „nicht in die 2. oder 3. Liga“ abrutsche (Tietje). Auch die Internationalisierung wollen beide vorantreiben und bei der Werbung von internationalen Studierenden und Wissenschaftlern neue Wege gehen. Interessant auch: Beide wollen das Thema Ökologie forcieren. Maas nennt etwa die Einrichtung von Ladesäulen für Elektroautos auf den Campus der Universität. Tietje will die Grundlagen dafür schaffen, dass die Uni in absehbarer Zeit CO2-neutral wird.

Christian Tietje, Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni Halle (Foto: xkn)

Es sind die kleinen Nuancen und das zwischen den Zeilen Gesagte, das am Montag den Unterschied zwischen den Kandidaten macht. Tietje attackiert Maas in seinem Eröffnungsvortrag, als der wegen der Debattenregeln nicht im Raum ist: Es sei seit langem Tradition und gelte seines Wissens auch weiterhin, dass amtierende Dekane nicht für das Rektorat kandidieren sollten, denn Dekane seinen noch zu nah an ihrer Heimatfakultät und könnten nicht im Gesamtinteresse der Uni handeln. Eine unverhohlene Spitze gegen den Konkurrenten: Maas ist amtierender Dekan, wohingegen Tietje es seit 2014, offenbar in strategischer Vorbereitung seiner Kandidatur, nicht mehr ist.

Maas setzt dagegen eher auf die Tonalität: Er stehe auch für Humor, sagt er zum Beispiel. Ohne Humor sei die Leitung einer Uni nicht möglich. Er wolle außerdem zuhören und sich mit einem starken Team einarbeiten in das Amt – „Learning on the job“, wie er sagt. Das soll wohl auch Demut und Kooperationsbereitschaft vermitteln. Die betont freilich auch Tietje, der die Kommunikation zwischen Unileitung, den Statusgruppen und den Fakultäten auch personell anders und damit besser aufstellen will. Er spricht von einer Kommunikationsbeauftragten, die er installieren wolle.

Georg Mass, Professor für Musikpädagogik an der Uni Halle (Foto: xkn)

Beide müssen sich auch kritischen Fragen aus dem Publikum stellen. Maas wird mit seiner Rolle bei der jüngsten Schließung von Studiengängen in seiner Fakultät konfrontiert. Maas hatte die Schließungen mitgetragen, sieht die Verantwortung aber bei der zuständigen Institutsleitung. Die Schließungen seien ein Zeichen, „was passiert, wenn man nicht langfristig plant“, entgegnet er. Tietje verspricht hingegen, alte und noch nicht umgesetzte Kürzungsbeschlüsse einer offenen und transparenten Bestandaufnahme zu unterziehen: „Gegebenenfalls müssen wir dann auch alte Beschlüsse revidieren, warum denn nicht!“, ruft er in den Saal.

Tietje muss sich dagegen wegen seiner von ihm selbst verkündeten Nähe zu Bildungsminister Marco Tullner (CDU) verteidigen. Er trinke mit Tullner gelegentlich ein Glas Wein und sei gut mit beiden für die Uni zuständigen Ministern vernetzt, hatte er eingangs erklärt. Vor allem Tullner wird jedoch an der Uni kritisch bewertet, seit er die akademische Lehramtsausbildung hinterfragt und offen mit der Wiedereinführung von Pädagogischen Hochschulen (PH) kokettiert hat. Tietje sagt, Tullners Aussagen seien nicht mehr als die Befriedigung politischer Klientel, relativierten sich also. „Ich kann ihm sehr selbstbewusst begegnen.“ Auch etwaige neue Spardebatten lehnt er ab: „Brauchen wir nicht und wollen wir nicht, auch keine versteckten.“ Sein Konkurrent Maas will zur Not „die Fetzen fliegen lassen“, wenn Tullner an den PH-Plänen festhalte. Er sei ein vehementer Gegner davon, die akademische Lehramtsausbildung in Frage zu stellen.

Udo Sträter ist seit 2010 Rektor der Uni Halle und damit länger im Amt als irgendeiner der 261 Rektoren vor ihm. (Foto: xkn)

Das Lehramtsthema ist äußerst brisant und steht ganz oben auf der Tagesordnung jedes zukünftigen Rektors, weil das Land die Kapazitäten in Halle aufstocken muss, um den Lehrermangel zu bekämpfen. Beide Kandidaten müssen also, wenn sie gewählt werden, demnächst über die genauen Rahmenbedingungen verhandeln. 800 Lehramtsstudienplätze seien für die Uni realistisch und müssten vom Land ausfinanziert werden, ohne an anderer Stelle zu kürzen, so Maas und Tietje unisono.

Und auch bei einem uniintern sehr brisanten Thema kündigten sie beide einen Kurswechsel an: Die Befristung vieler vorrangig in der Lehre beschäftigter Mitarbeiter, sogenannter Lehrkräfte für besonderen Aufgaben (LBA), soll massiv zurückgedrängt werden. Statt dessen soll es mehr unbefristete Stellen geben. Mitarbeiter und Studierende laufen seit Jahren immer wieder Sturm gegen den an vielen Unis grassierenden Trend, immer mehr Aufgaben mit solchen befristeten Stellen zu erledigen. Prekäre Verhältnisse in der Wissenschaft und eine sich beschleunigende Aufweichung der Einheit von Forschung und Lehre, so die Kritik. „LBA sind ein Karrierekiller“, sagt Maas am Montag, „sie sollten auf ein Minimum reduziert werden.“ Und auch Tietje sagt: „Wir müssen die befristeten LBA möglichst reduzieren, denn es ist schwer, dafür qualifizierte Lehrkräfte zu gewinnen. Gleichzeitig haben wir jedoch massive Überlastprobleme aufgrund politischer Entscheidungen.“

Wie die Wahl auch ausgeht: Auf den neuen Rektor warten schwierige Aufgaben.

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