Ladenprojekt „Crummes Eck“: Sie lieben Lebensmittel

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Halle/StäZ – Die Wegwerfgesellschaft schmerzt den, der das Thema nur ein wenig an sich heranlässt, am meisten dann, wenn es ums Essen geht. Kilotonnenweise landen auch in Halle jedes Jahr vermeintlich verfallene und daher nach Marktlogik nicht mehr gewollte Nahrungsmittel im Müll. Die zu krumme Gurke oder die zu kleine Kartoffel schafft es gar nicht erst ins Kaufregal. In vielen Städten regen sich Initiativen dagegen. Auch in Halle gibt es Menschen, die „containern“, sich also – oft illegal – aus den Mülltonnen der Supermärkte bedienen. Lange gab es am Uniplatz auch einen sogenannten Fairteiler, also ein Hinbring-und-Wegnehm-Regal für Lebensmittel. Zwei Hallenser wollen nun eine feste Rettungsinsel schaffen, einen Laden mitten in der Innenstadt, in dem eben das angeboten wird, was normale Supermärkte und Bäcker aus ihren Regalen räumen oder Bauern der Region gar nicht erst verkaufen können.

Annalena Mildner und Felix Groß vor ihrem Wunschladengeschäft in der Großen Klausstraße. (Foto: xkn)

Annalena Mildner und Felix Groß sind die beiden Studierenden, die gerade eine Crowdfunding-Kampagne auf dem Portal Startnext gestartet haben, um ihr Vorhaben zu realisieren. „Wir wollen quasi einen institutionalisierten Fairteiler schaffen“, sagt Groß. Der 28-Jährige studiert Wirtschaftswissenschaften und Philosophie und versteht das Projekt vor allem auch als Gegenentwurf zur unnachhaltigen Wirtschaftsweise in der Lebensmittelbranche. „Wir wollen die Nachhaltigkeit im Stoffkreislauf wiederherstellen“, sagt er. „Ein Supermarkt in Europa lässt im Schnitt 500 Tonnen Lebensmittel pro Jahr auf dem Müll landen.“ Das sind grob überschlagen rund anderthalb Tonnen pro Tag.

Gemeinnütziges Unternehmen

Annalena Mildner, die Erziehungswissenschaften studiert, erklärt, wie es funktionieren soll: „Wir streben feste Kooperationen mit Supermärkten, Bioläden, Bäckern und auch Bauern aus der Region an, holen die Lebensmittel bei Ihnen ab und bieten sie dann in unserem Laden an drei Tagen in der Woche gegen Spende an.“ Dafür gründen sie gerade ein gemeinnütziges Unternehmen, mit dem die Supermärkte dann kooperieren können. Damit sie sich nicht mit den Tafeln oder Fairteilern ins Gehege kommen, streben sie Absprachen und Kooperationen an. „Wir wollen uns auf jeden Fall nicht gegenseitig Konkurrenz machen“, so Mildner. Die 8.500 Euro, die sie während des Crowdfundings mindestens einnehmen wollen, würden für ein halbes Jahr reichen. „Unsere eigene Arbeit rechnen wir nicht ab“, sagt die 21-Jährige. „Das Geld ist für Ladenmiete, Erhaltungskosten und einen kleinen Transporter vorgesehen.“ Kommen 12.000 Euro zusammen, können sie den Laden sogar ein Jahr lang betreiben.

„Crummes Eck“ soll der Laden heißen, für den ein leerstehendes Geschäft in einem HWG-Haus in der Großen Klausstraße, also unmittelbar in Marktnähe, reserviert ist. „Wir benutzen des Wort ‚crumm‘ für alle Lebensmittel, die nicht gewollt sind“, erläutert Mildner. Es ist eine eigene Wortschöpfung, wie überhaupt die beiden zumindest in Halle Vorreiter sind. Zwar gibt es schon vereinzelt Kostenlosläden und besagte Fairteiler. „Aber in anderen Städten ist man in Sachen Nachhaltigkeit schon viel weiter“, sagt Groß.

Kampagne läuft bis zum 13. Juni

Einen Laden wie den ihren gebe es bisher nur in Köln. Er heißt dort „The Good Food“ und verkauft zum „Zahl-was-es-Dir-wert-ist-Preis“. Dabei soll es auch in Halle bleiben. „Unser Ziel ist es, Lebensmittel zu retten und kein Geschäftsmodell zu kreieren“, sagt Groß. Mildner und er sehen sich eher in der Container-Tradition. „Nur, dass es bei uns die legale Möglichkeit gibt. Niemand braucht also ein schlechtes Gewissen zu haben“, sagt Mildner. „Unser Laden kann daher auch der zentrale Anlaufpunkt für Leute werden, die sich noch nicht so intensiv mit dem Thema Lebensmittelrettung auseinandergesetzt haben.“ Wenn bei der Schwarmfinanzierung die nötige Summe zusammenkommt. Nur dann fließt das Geld zu ihnen, und sie können beginnen. Die Kampagne läuft noch bis zum 13. Juni, und Stand jetzt sind rund 1.000 Euro zusammen.

Zum Crowdfunding: www.startnext.com/crummeseck

Förderbeiträge zwischen 5 und 500 Euro sind möglich. Dafür gibt es unterschiedliche ideele oder reale Gegenleistungen.

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