Ökonomie diktiert Entwicklung an Krankenhäusern

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Das Elisabeth-Krankenhaus plant und baut eine Komfortstation für Privatpatienten und gesetzlich Versicherte mit entsprechenden Zusatzvereinbarungen. (Foto: EK)

Halle/StäZ – Zwei-Klassen-Medizin oder einfach legitimer Wettbewerb um Patienten? Die Pläne des Elisabeth-Krankenhauses in Halles Innenstadt, eine Komfortstation für Privatpatienten und für gesetzlich Versicherte mit entsprechend teuren Zusatzvereinbarungen einzurichten, hat die Gesundheitslandschaft in Halle aufhorchen lassen. Diskutiert wird dabei natürlich auch über die Motivation gerade eines  Krankenhauses mit kirchlichem Hintergrund, die Entscheidung für die Einrichtung einer Luxusstation zu fällen. Der Medizinsoziologe Matthias Richter von der Universität Halle führt den Vorgang vor allem auf die ökonomische Situation der Krankenhäuser zurück. „Die Kliniken stehen unter einem enormen Wettbewerbsdruck, der langfristig nicht abzunehmen scheint.“ Richter stellt dabei eine weitreichende These auf: „In Sachsen-Anhalt und speziell in Halle gibt es zu viele Krankenhäuser.“[ds_preview]

„Ökonomisierung des Gesundheitswesens“

Medizinsoziologe Richter vermutet demnach den puren Kampf um die Kranken als einen der Gründe dafür, dass die Krankenhäuser ihren Patienten immer mehr Leistungen für das entsprechende Geld anbieten wollen. Viele seiner Kollegen und auch er würden seit langer Zeit eine Ökonomisierung des Gesundheitswesens beobachten. Genau dieses Wettrennen führe eben zu Gebilden wie Stationen, die Patienten jede Menge Annehmlichkeiten bieten, die es auf „normalen“ Stationen nicht gibt.

Die Städtische Zeitung hatte vor wenigen Tagen über die neue Komfortstation im Elisabeth-Krankenhaus (EK) berichtet. Ein Aufenthalt dort wird laut EK-Geschäftsführung bei Übernachtungspreisen, die sich an den gehobenen Hotelstandard anlehnen sollen, einen Hol- und Bringedienst, einen Postservice, die tägliche Zeitung ans Bett, ein erweitertes Fernsehprogramm, einen Bücherservice, eine Patientenküche sowie ein individuelles Speisenangebot bieten. Für die Station werde eigens Personal eingestellt – Ärzte, Schwestern und Pfleger sowie ein Serviceteam. Auch bei der Gestaltung der Komfortstation will das EK Maßstäbe setzen. So habe Ulrich Reimkasten von der Kunsthochschule Burg Giebichenstein die künstlerische Ausgestaltung übernommen.

Patienten sind bereit, viel Geld für die Gesundheit auszugeben

Medizinsoziologe Matthias Richter aus Halle (Foto: Uniklinikum)

Tatsächlich scheint das Elisabeth-Krankenhaus bei allem Wettbewerb mit der Konkurrenz dabei aber auch den Nerv potenzieller Patienten zu treffen. Denn die seien durchaus bereit, Geld für guten Behandlungsstandard auszugeben. „Den Menschen ist die Gesundheit am wichtigsten. Das ist unabhängig von Bildung und Einkommen“, so Soziologe Richter. Weil niemand gern krank sei, seien Patienten schneller bereit, Geld in die Genesung zu investieren. „Die Entscheidung fällt natürlich schneller, wenn ausreichend finanzieller Spielraum da ist.“ Der Trend zum Geldausgeben für vermeintlich gute Behandlung werde vor allem im ambulanten Sektor schon lange beobachtet. „Nehmen wir als Beispiel die professionelle Zahnreinigung als Zusatzleistung beim Zahnarzt, deren wissenschaftlicher Nutzen bis heute nicht nachgewiesen ist. Das ist aber ein gutes Geschäft für die Mediziner, die das Geld auch brauchen, um ihre Praxen am Laufen zu halten“, sagt Richter. Ohnehin könnten niedergelassene Ärzte kaum mehr ohne Privatpatienten existieren.

Auch mit der Ausstattung gehe das Elisabeth-Krankenhaus durchaus mit dem Trend. „Das Anspruchsdenken hat sich verändert. Vor allem für jüngere Patienten ist doch heute flottes WLAN auf Station selbstverständlich“, so Richter. Die Genesung steht, so weiß er, in engem Zusammenhang mit der Umgebung. Ein wichtiges fehle aber dabei: Zeit. Vor allem die Assistenzärzte stehen erheblich unter Druck. Und das sei Richter zufolge eben auch eine Ergebnis des ökonomischen Drucks, unter dem die Kliniken angesichts der Konkurrenz leiden.

Land sieht kein Überangebot an Krankenhäusern

Halle habe im Vergleich zu seiner Größe zu viele Krankenhäuser, sagt Richter. Das Klinik-Überangebot zu lösen, sei aber Aufgabe der Politik. Er spricht dabei von Gesundschrumpfung. Die Politik widerspricht jedoch. Dass ein Überangebot an medizinischer Versorgung in Krankenhäusern den Wettbewerb in Sachsen-Anhalt anheizt, kann man im zuständigen Sozialministerium in Magdeburg jedoch nicht erkennen, obwohl man dort einräumt, dass es sehr wohl ein Konkurrenzverhältnis der Kliniken untereinander gibt. Die Krankenhäuser würden nicht an zu geringer Auslastung leiden. „Seit der Umstellung der Krankenhausplanung auf Qualitäts- und Leistungsparameter spielen Kapazität und Auslastung in der Planung auch nur noch eine untergeordnete Rolle“, so Sprecherin Ute Albersmann auf StäZ-Nachfrage. Im Krankenhausplan des Landes sind 48 Kliniken aufgelistet. Die Stadt Halle verfüge neben der Uniklinik über das Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara, das Diakoniekrankenhaus, das Krankenhaus Martha-Maria und die BG-Klinik Bergmannstrost sowie das psychiatrische Krankenhaus der AWO.

Das Krankenhausfinanzierungsgesetz stammt laut Albersmann aus den 1970er Jahren. Die gesetzlichen Bestimmungen hätten sich seitdem den Bedürfnissen entsprechend weiterentwickelt. „Bereits in den 1980er Jahren hat man festgestellt, dass der sparsame Umgang mit den knappen Ressourcen nur funktioniert, wenn marktwirtschaftliche Elemente in das Entgeltsystem eingeführt werden“, so die Sprecherin. Seitdem würden sich die Krankenhäuser in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zueinander befinden. „Sie bleiben aber Einrichtungen der Daseinsvorsorge, der Wettbewerb darf nicht ruinös werden und nicht zu Lasten der Patienten gehen.“

Staatliche finanziert: Privatstationen sind in Uni-Kliniken tabu

Selbst die staatlich finanzierten Hochschulklinken könnten sich dem Wettbewerb nicht mehr entziehen. Aber: „Dabei wird Wert darauf gelegt, dass alle Stationen für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung und Privatpatienten gleichermaßen nutzbar sind. Das Land finanziert  keine Unterschiede bei der Unterbringung“, betont Albersmann mit Blick auf eine möglicherweise entstehende Zwei-Klassen-Medizin. Es gebe aber eben Krankenhäuser – zu diesen gehört laut Albersmann auch das St. Elisabeth Krankenhaus in Halle – die erhebliche Eigenmittel in den Ausbau eingebracht haben. Dagegen sei aus staatlicher Sicht auch nichts einzuwenden: „Wenn Krankenhäuser in diesen selbstfinanzierten Räumlichkeiten spezielle Privatstationen einrichten, können sie das tun.“

Grundsätzlich hat auch Medizinsoziologe Richter keine Probleme mit Komfort- oder Privatstationen – „wenn das dabei eingenommene Geld am Ende auch den gesetzlich Versicherten zugute kommt.“ Also etwa in Form von Reinvestitionen in „Normalstationen“. Richter sagt aber zum Thema Zwei-Klassen-Medizin auch: „Wenn es bei derlei speziellen Angeboten oder entsprechenden Komfortstationen nur um Gewinnmaximierung geht, dann habe ich erhebliche Bauchschmerzen.“

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siggivonderheide@me.com
5 Jahre her

Ich muss gestehen, diesesmal stimme ich einem Soziologen zu. Wenn die Profite den gesetzlich Versicherten zu Gute kommen, wunderbar! Doch ach, die Erfahrung lehrt anderes. Hoffen wir auf das Beste und erwarten wir das Schlimmste: Das neoliberale Krankenhaus oder auch: Armut stirbt nie, Arme sterben früher.