Rauschenbach-Antwort lässt viele Fragen offen

3

Halle/StäZ - Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) hat am Freitag die lange angekündigte Antwort auf die große Stadtratsanfrage zum Thema Rauschenbach-Beratungen veröffentlicht. Sie soll am Mittwoch im Stadtrat behandelt werden. Doch das 110 Seiten starke Papier lässt viele Fragen in der Affäre um die Rolle Jens Rauschenbachs in der Stadtverwaltung offen. Transparenz, so sehen es viele Stadträte, sei jedenfalls noch längst nicht hergestellt.[ds_preview]

Die Stadtverwaltung hat ihre Auswertung zur Beratertätigkeit von Jens Rauschenbach vorgelegt. Die lässt aber viele Fragen offen. (Screenshot: StäZ)

Die Mitteldeutsche Zeitung hatte bereits am Sonnabend berichtet, mit der offiziellen Liste über alle Beratungsleistungen, die die Stadt seit 2008 in Auftrag gegeben hat, liege nun alles auf dem Tisch. Doch erwartungsgemäß stößt das Konvolut im Stadtrat auf Kritik und abwartende Skepsis. „Es wird seine Zeit dauern, das zu bewerten“, sagte Mitbürger-Fraktionschef Tom Wolter zur Städtischen Zeitung. „Das wichtigste ist, dass der Sonderausschuss zur Aufarbeitung der Verbindungen Rauschenbachs zur Stadtverwaltung jetzt eingerichtet wird“, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzende Inés Brock. „Denn es geht nicht allein um die Quantität. Wir wollen schauen, wie die Querverbindungen zwischen Stadt, städtischen Gesellschaften und Rauschenbach sind.“

Projektsteuerung steht neben Pilzberatung und KFZ-Gutachten

Eine erste Analyse der Liste zeigt, dass Wiegand wie angekündigt, aber entgegen der Forderung des Stadtrats, nicht nur den Komplex Rauschenbach abarbeitet. Er hatte bereits im September, als der Stadtrat seine Anfrage gestellt hatte, erklärt, sie auf sämtliche Beratungsleistungen für die Stadt und auf einen größeren Zeitraum auszuweiten. So liest sich nun auch die Liste. Darin stehen in loser Reihe neben den vielen Projekten im jeweils vier- bis sechsstelligen Bereich, die Rauschenbach und seine Firmen über die Jahre erhalten haben, auch städtische Routineaufträge wie zum Beispiel Honorare für Pilzberatungen von Sachverständigen für die Stadt im jeweils zwei- oder dreistelligen Euro-Bereich. Aufgeführt sind beispielsweise auch Dekra-Wertgutachten für einzelne städtische Fahrzeuge, Schallschutz‑, Baugrund- oder Brückengutachten, wie sie zum städtischen Normalgeschäft gehören, ebenso wie Fahrschulüberwachungen „nach §33 oder § 34 Fahrlehrergesetz“.

Besonders verwundert sind einige Stadträte auch, weil auch Planungsleistungen in nicht unwesentlichem Umfang zur Liste gehören. Nach diesen hatte der Stadtrat ebenfalls nicht gefragt, sondern er wollte lediglich Beratungs‑, Projektsteuerungs- und Wirtschaftsprüfungsaufträge für Rauschenbachs Firmen untersuchen. Planungsleistungen haben in der Regel ein vergleichsweise hohes Volumen angesichts der vielen Bauprojekte in der Stadt. Warum auch Planungskosten in der Liste auftauchen wollte die Stadt am Montag nicht beantworten. In der Vorlage für den Stadtrat heißt es, die Fragestellung sei erweitert worden, „um der Intention der Fraktionen Rechnung zu tragen und vollständige Transparenz und Vergleichbarkeit über extern vergebene Leistungen zu erhalten“. Die Liste umfasse daher auch „sonstige Koordinierungsmaßnahmen bei Investitionsprojekten, Planungs- und Projektvorbereitungsprojekten [sic!], IT-Projekten, Umstrukturierungen u.ä.“.

Mehrere sechsstellige Planungsaufträge tauchen nach einer ersten Analyse in der Liste auf.  Welchen Geldanteil sie genau haben, ist noch unklar. Entsprechend „gering“ fällt aber der Rauschenbach-Anteil am gesamten Kuchen aus. Die Stadt weist in gesonderten Diagrammen – eingescannte Ausdrucke von Grafiken – bestimmte nicht näher bezeichnete Anteile aus, von denen zu vermuten ist, dass sie die Rauschenbach-Firmen betreffen. Danach hätte der Berater mit seiner Firmengruppe zwischen 2008 und 2017 rund 23 Prozent der Aufträge bekommen, in Höhe von insgesamt knapp 5,7 Millionen Euro. Allein in der Amtszeit von Oberbürgermeister Bernd Wiegand, 2013 bis 2017, wären nach dieser Darstellung 19 Prozent der Aufträge an das Rauschenbach-Konsortium gegangen; Auftragswert knapp 4,4 Millionen Euro.

Kaum Aufschluss über Aufträge aus dem Stadt-Konzern

Noch gar nicht im Detail beleuchtet sind, obwohl ebenfalls vom Stadtrat angefragt, die Aufträge, die Rauschenbachs Firmen von städtischen Tochtergesellschaften bekommen haben. Zwar gibt es auch hierzu eine Liste, die der Städtischen Zeitung vorliegt. Auf ihr finden sich insgesamt knapp hundert zusätzliche Aufträge in den letzten zehn Jahren. Doch wofür genau die städtischen Gesellschaften Geld überwiesen haben, geht aus der Aufstellung oftmals nicht hervor. „Keine Angabe durch das Unternehmen“, steht in vielen Fällen dabei. Auch die Art der Vergabe, ob Ausschreibung oder Freihandvergabe, ob aufgrund eines jeweiligen Aufsichtsratsbeschluss oder womöglich auf Anweisung des Gesellschafters, der Stadt, ist oftmals nicht verzeichnet. Laut einer groben Übersicht der Stadt soll Rauschenbach 3,3 Millionen Euro von städtischen Gesellschaften bekommen haben, bei einer Gesamtsumme aller Aufträge von 130 Millionen Euro. Aber auch hier gibt das Volumen kaum Aufschluss: Denn es tauchen mehrere sehr große Posten in der wiederum 55 Seiten umfassenden Liste auf, bei denen völlig unklar ist, wofür das Geld ausgegeben wurde und ob nicht auch hier Dinge verglichen werden, die der Stadtrat gar nicht veglichen haben wollte.

Die Aufarbeitung der Zusammenhänge wird den Stadtrat daher noch mehrere Wochen oder Monate beschäftigen. Kalkül des Oberbürgermeisters? „Das sind umfangreiche Listen“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Johannes Krause. „Der Oberbürgermeister hat uns überfrachtet mit Zusatzinformationen. Es erschließt sich mir nicht, warum er nicht eine Abgrenzung hätte machen können, die unserer Fragestellung entsprochen hätte. Das ist kein freundlicher Akt, und Transparenz sieht aus meiner Sicht anders aus.“ CDU-Fraktionsvorsitzender Andreas Scholtyssek sagte gegenüber der Städtischen Zeitung: „Wir brauchen jetzt erst einmal Zeit, uns das alles anzuschauen. Der Oberbürgermeister hat alles in einen Topf geworfen, und es liegen sehr viele Zahlen auf dem Tisch. Ob das das ist, was wir wissen wollten, lässt sich noch nicht sagen.“

Linken-Fraktionsvorsitzender Bodo Meerheim sprach angesichts der Fülle der Daten von „Nebelkerzen“, die der Oberbürgermeister einmal mehr gezündet habe. „Sein Ziel ist offenbar, den Rauschenbach-Anteil dadurch zu verniedlichen, dass er die Listen mit sachfremden Dingen aufbläht.“ Oberbürgermeister Bernd Wiegand wollte zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen.

0 0 votes
Article Rating
Subscribe
Benachrichtigen Sie mich zu:
3 Comments
älteste
neuste beste Bewertung
Inline Feedbacks
View all comments
Andi K.
6 Jahre her

Der Anstieg der Aufträge an Herrn R. ab dem Jahr 2012 ist natürlich auch nur purer Zufall

Karoline Makosch
6 Jahre her

Und dann müssten noch Verbindungen zwischen Planung und Ausführung bzw. Projektsteuerung hergestellt werden, das dauert.

siggivonderheide@me.com
6 Jahre her

Es war wohl kaum etwas anderes zu erwarten gewesen, allerdings ist diese Spiel eben auch nur eines auf Zeit. Einfach mal umdrehen und die Buchhaltung der Rauschenbach-Firmen befragen. Ein Abgleich wäre auf diesem Wege schneller zu schaffen. Fragt sich nur ob ein Untersuchungsausschuß die Befugnis zu einer solchen Maßnahme hätte. Ein Staatsanwalt könnte es wohl tun, aber eben erst in einer entsprechend eingeleiteten Ermittlung.…