Fraktionen bereit für Rauschenbach-Sonderausschuss

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Von einem historischen Moment haben Halles Stadträte am Freitag gesprochen. Tatsächlich hatten die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD, LINKE, MitBÜRGER/NEUES FORUM und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erstmals geschlossen zu einem Pressegespräch ins Stadthaus eingeladen, das es so bisher noch nicht gab. Einziges und bestimmendes Thema: „Der Oberbürgermeister und Vergabeunrecht“. Die Spitzen der Stadtratsparteien wollten ihre Sicht auf die Dinge darlegen, die Recherchen der Städtischen Zeitung und des MDR um die Verflechtungen zwischen Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) und seinem Berater Jens Rauschenbach und dessen Firmen ans Licht gebracht haben. Einstimmig wie sonst selten betonten die Fraktionsspitzen, bereit für einen Sonderausschuss zu sein, sollten sich die vorliegenden Vorwürfe bewahrheiten.[ds_preview]

Bodo Meerheim: „OB verschleppt Aufklärung seit Monaten bewusst“

Ungewöhnlicher Schulterschluss in Halle: Die Stadtratsfraktionen sind bereit, einen Sonderausschuss zur Affäre Jens Rauschenbach zu fordern. (Foto: Jan Möbius)

Hintergrund der kurzfristig einberufenen Pressekonferenz waren unter anderem öffentliche Anschuldigungen Wiegands gegen Linken-Fraktionschef Bodo Meerheim, gegen den MDR und gegen die Städtische Zeitung. Meerheim warf der OB vor, die Rauschenbach-Affäre auszunutzen, um sich zu rächen: „Offenkundig will Bodo Meerheim angesichts seiner SKV-Insolvenz nachtreten, die Wirtschaftsprüfer Jens Rauschenbach seinerzeit untersucht hat.“ „Wir glauben, dass wir uns sehr genau mit den Rechercheergebnissen auseinandersetzen müssen“, sagte Meerheim. Den Angriff auf sich sehe er eher als „von Wiegand gesetzte Nebelkerze“. Der verbalen Attacke werde er nicht weiter nachgehen, so der Linken-Fraktionschef auf Nachfrage. Viel ernster nehme er aber den Angriff des OB auf die Pressefreiheit.

Ob das, was durch die aufwändigen Recherchen der StäZ und des MDR bisher aufgedeckt wurde, strafrechtlich relevant ist, das vermag er nicht einzuschätzen und wolle erst abwarten, bis die seit Monaten von der Stadtverwaltung eingeforderten Unterlagen auf dem Tisch liegen, so Meerheim. „Dazu sind wir nicht Richter und nicht Staatsanwalt.“ Der Stadtrat wartet inzwischen seit mehr als vier Monaten auf Antworten zu einem umfangreichen Fragenkatalog zu den Verflechtungen zwischen Jens Rauschenbach und Rathauschef Wiegand. „Es ist uns wichtig, dass wir hier darauf hinweisen, dass der OB die Fragen, die gemeinsam von allen Fraktionen gestellt wurden, verschleppt hat – bewusst“, so Meerheim. Der Fragenkatalog sei von Wiegand deutlich erweitert worden, um so „nicht gleich antworten zu müssen“. Damit habe der OB Mengen an Verwaltungsmitarbeitern beschäftigt.

Tom Wolter: „Geht um gemeinsame Sache“

Für Meerheim, aber auch für seine Kollegen aus den Fraktionsspitzen steht indes fest, dass im Bedarfsfall schnell und unkompliziert ein Sonderausschuss zur Untersuchung der „Affäre Rauschenbach“ einberufen werden soll. Dem schloss sich am Freitag auch Tom Wolter, Fraktionsvorsitzender von MitBÜRGER/NEUES FORUM, an: „Sollte sich der Verdacht bestätigen, befürworten wir die schnelle Gründung eines interfraktionellen Sonderausschusses und die umfassende Auseinandersetzung mit den gesammelten Unterlagen und Informationen.“ Er setze auf eine sachliche Klärung der Vorwürfe. „Dass wir hier gemeinsam sitzen, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass es eine klare Aufforderung an den Hauptverwaltungsbeamten gibt, dass es hier um eine gemeinsame Sache geht“, sagte Wolter. Wiegand könne alle Fraktionen und deren Chefs gemeinsam kritisieren. „Aber er kann keine Unterstellungen gegen einzelne Personen aus dem Stadtrat oder gegen einen einzelnen Fraktionsvorsitzenden führen.“

Eric Eigendorf: „Alles andere als normal“ 

Auch SPD, Grüne und CDU zeigten sich am Freitag entschlossen. „Es gibt zu diesem Thema seit Jahren Fragen aus dem Stadtrat, die bisher nie richtig beantwortet wurden“, sagte CDU-Fraktionschef Andreas Scholtyssek. „Der Angriff des OB auf Herrn Meerheim ist unsachlich und ungerechtfertigt und führt dazu, dass wir uns solidarisieren. Und wir stellen uns natürlich die Frage, warum so überzogen reagiert wird.“ Man wolle noch härter nachfragen und sich noch intensiver in das Thema einarbeiten. Das Arbeitsklima in Halle sei vergiftet, so Scholtyssek. SPD-Fraktionsvize Eric Eigendorf schloss sich an: „Was wir erlebt haben, ist alles anderes als normal. Das ist ein Niveau, das dem Thema nicht gerecht wird und auf dem wir nicht diskutieren wollen.“ Er hoffe, dass Wiegand noch einmal über das von ihm Gesagte nachdenkt. Für die Fraktion Bündnis 90/Grüne sagte Chefin Inés Brock: „Demokratisch nicht legitimiert und durch keinen Aufsichtsrat oder Beirat kontrolliert, bestimmt Herr Rauschenbach seit Jahren die Geschicke der Stadt – offensichtlich im Auftrag des Oberbürgermeisters.“ Ihre Fraktion sei mit Rauschenbach nicht verfeindet, sehe aber ein Legitimationsdefizit seiner Unternehmungen im Auftrag von OB Wiegand.

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siggivonderheide@me.com
6 Jahre her

Es bleibt zu hoffen das die sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema Rauschenbach und Wiegand nicht im polemischen Pulverdampf verschwindet. Sicher erscheint mir das die Besonderheit der Situation eine angemessene Reaktion des gesamten Stadtrates erfordert und erfährt. Ich staune eigentlich nur wie lange es gedauert hat bis diese Vetternwirtschaft thematisiert wurde. Bekannt waren die „guten Beziehungen“ zwischen den beiden „Herren“ doch schon lange. Als nächstes wündche ich mir eine kritische Betrachtung des Verhältnisses Stadt Halle zu Fa. Papenburg. der Weg dahin ist nicht weit. Wer Rauschenbach sagt muss auch Papenburg sagen.

Albrecht Pohlmann
6 Jahre her

„Das Arbeitsklima in Halle sei vergiftet, so Scholtyssek.“ – Das Verhältnis zwischen Stadtrat und OB ist es doch aber schon seit langem! Selbstverständlich muß dem Verdacht der Vetternwirtschaft nachgegangen werden. Dennoch erscheinen mir auch nicht alle der „Aufklärer“ als redlich: Wenn es opportun schien, hat Halles Stadtrat die abenteuerlichsten „Vetternwirtschaften“ geduldet, wenn nicht befördert: der allbekannte Dirk Bettels war hier nur der Anfang, es setzte sich munter fort durch alle Legislaturperioden mit solchen „Paten der Stadt“ wie G. Papenburg, der mittlerweile eine unangreifbare Stellung in der Region innehat.