Marcell Scholz: „Kümmert Euch mit um die Omi im Haus!“

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StäZ-Interviewer Volly Tanner hat den Sanitäter Marcell Scholz schon öfter getroffen. Mal bei einem Zombiewalk, mal bei einem Straßenfest – und einmal hat der Sanitäter sogar Tanners Bogashi-Eimer in dessen Garten chauffiert, womit er schlussendlich ganz viel Muttererde gerettet hat – und Regenwürmer und Kleingetier. Hier erzählt Scholz von seinem Berufsalltag und vom Innenleben der Lebensrettungsbranche in Halle:[ds_preview]

Marcell Scholz ist als Rettungssanitäter in Halle und im Saalekreis im Einsatz. Foto: privat

Guten Tag, Marcell. Du bist im Lebensrettungsgeschäft tätig, Sanitäter mit Hauptstützpunkt Kabelsketal und – wenn nötig – Einsätzen in Halle. Wann wirst Du und Deine Leute gerufen? Was ist so der Normalfall im halleschen Rettungsleben?
Hallo Volly, ich denke, so etwas wie ein normaler Standardeinsatz lässt sich schwer beschreiben. Viele Leute denken ja, dass man ständig irgendwie Blut sieht und immer schwer Verletzte trifft; das stimmt nicht so ganz. Hauptsächlich ist es so, dass man so zu den üblichen Krankheitsbildern fährt: Herzinfarkt, Schlaganfall, den ein oder anderen leichten Verkehrsunfall, bei dem selten mal einer ernsthaft verletzt ist, und sehr viel ist man auch noch im Pflegeheim unterwegs bzw. bei alten Menschen, die aufgrund ihrer Gebrechen eben gestürzt sind, und dann tut eben was weh oder zur Absicherung bringt man sie dann mal ins Krankenhaus. Ansonsten kommt es leider auch vor, dass man mal Betrunkene aufsammelt oder zu psychisch bedingten Einsetzen fährt, wie z.B. suizidale Absichten oder dergleichen.

Wie kam’s, dass Du Dich in Richtung Sanitäter entwickeltest? Man wacht ja nicht früh nach durchsumpfter Nacht auf und sagt sich: „Ab heute rette ich Menschen.“
Tja, das war eine seltsame Begebenheit: Es begann damit, dass ich eigentlich KFZ-Mechaniker gelernt hatte und dann in der Richtung, nachdem ich mein Abitur nachgeholt hatte, auch studieren wollte. Ich bin dann aber kläglich an höherer Mathematik im Studium gescheitert und dann recht desillusioniert und ideenlos aus dem Studium gekommen. Ich war dann selbstständig als Hausmeister, einfach, weil ich damit so ein bisschen alles machen konnte und konnte eben auch überall mal reinschnuppern. Unterm Strich hat das dazu geführt, dass ich viel auf dem Bau unterwegs war und viele Hilfsarbeiten gemacht habe und darüber jemanden kennenlernte, der im Rettungsdienst gearbeitet hat. Daraufhin habe ich da ein Praktikum gemacht und bin dem Katastrophenschutz beigetreten, um dann mit der nächsten Gelegenheit die Ausbildung zum Rettungsassistenten zu machen. Inzwischen gibt es diese Ausbildung nicht mehr, sie wurde vom Notfallsanitäter abgelöst, was angenehmer ist, weil es jetzt eine dreijährige Ausbildung ist. Man lernt mehr, und es ist eine ganz normale duale Ausbildung, als würde man z.B. Maler lernen. Ja, und dann bin ich dabei geblieben, weil mir der Job gut gefällt und ich das wirklich gerne mache. Klar, es gibt ein paar Schattenseiten, aber im Großen und Ganzen ist das doch schon der beste Job, den ich bisher hatte, von den vielen.

Als vor zwei Jahren ein Motorradfahrer einen Polizisten erfasst hat, war ich derjenige, der unter anderem mit vor Ort war.

Hin und wieder lese ich von Engpässen in der Rettungsbranche, technologisch – aber auch vom Personal her. Wie ist die Lage nach Deiner Einschätzung?
Also technologisch, denke ich, sind wir ganz gut aufgestellt. Wir sind ausgerüstet mit der entsprechenden Technologie, die wir brauchen. Das einzige, was mal sein kann, ist, dass neuere Technologie etwas länger auf sich warten lässt, weil das immer durch sehr viele Instanzen gehen muss, bis man sowas genehmigt bekommt. Personell sieht die Sache da schon anders aus. Durch die Umstellung auf die schon angesprochene Notfallsanitäter-Ausbildung ist ein gewisser Engpass entstanden, und der wird nun auch noch erweitert dadurch, dass die Arbeitsbedingungen und die Konditionen des ganzen Jobs verhältnismäßig schlecht waren in den letzten Jahren. Aber das Berufsfeld ist kein schlechtes. Klar könnte es immer besser sein, aber ein paar Sachen machen es schon unattraktiv, vor allem, wenn man Familie hat. Man muss mindestens 18 sein, um die Ausbildung zu machen, man braucht LKW-Führerschein, hinzu kommen die Schichten. Da entstanden viele Engpässe, die erst nach und nach wieder kompensiert werden. Im Großen und Ganzen kann man also sagen: Wer jetzt die Ausbildung zum Notfallsanitäter macht, macht eine sichere Ausbildung. Und er hat keine Probleme, später einen guten Job zu finden, muss sich um die Zukunft also erst mal so keine großen Gedanken weiter machen, weil man immer Arbeit findet; die Konditionen variieren, aber man findet was.

Wenn man sich medial beeinflussen lässt, ist das Hauptklientel Deiner Berufsgruppe fettleibig, dem Alkohol oder Drogen verfallen, wohnt in Messiehäusern und kommt nicht mehr alleine in die Puschen. Gibt es solche Fälle wirklich? Oder ist das alles Privat-TV?
Ich kann ganz klar sagen, das Hauptklientel im Rettungsdienst, wie in der gesamten Medizin, sind alte Menschen. Denn alte Menschen sind immer die, die krank sind oder die sich häufig verletzen. Na klar gibt es auch die Übergewichtigen, die einen schlechten Lebenswandel haben und deswegen schon eher mal den Rettungsdienst brauchen. Und dann gibt es die, die viel zu früh anrufen – und ich war auch schon im Messi-Haus. Das gibt es alles, keine Frage, und man sieht das auch immer mal. Man muss damit klarkommen. Ist nicht so häufig bis jetzt gewesen, aber es war auch schon mal weniger, habe ich mir sagen lassen.

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