Heiko Fengler: „Endlich mal was mit den Händen machen.“

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Heiko Fengler, Ausbildungsberater der Handwerkskammer Halle, Foto: HWK Halle.

Die Universitätsstadt Halle lebt natürlich ein kulturell und intellektuell aufregendes Leben nicht zuletzt aufgrund der Studierendenscharen. Dass solch ein Studierender aber auch mal von Selbstzweifeln – oder gar Zweifeln an seiner Studienentscheidung – geplagt nicht in den Schlaf kommt, wird selten gesehen. Die Handwerkskammer Halle hat nun einen Fachmann für solche Studienzweifler aufgestellt: Heiko Fengler berät und zeigt Wege auf. In Halle. Bei den Studierenden direkt im Haus. StäZ-Mitarbeiter Volly Tanner fragte nach:[ds_preview]


Guten Tag, Herr Fengler. Sie sind Ansprechperson für „Studienzweifler“ bei der Handwerkskammer Halle. Ein schönes Wort. Zweifeln den so viele Studierende an ihrem Studium?
Nein, die meisten jungen Menschen, die sich für ein Studium entscheiden, bleiben auch dabei. Uns geht es auch nicht darum, Studenten abzuwerben, um sie für eine berufliche Ausbildung zu gewinnen. Sollte aber jemand an seinem Studienerfolg zweifeln, möchten wir über die vielseitigen Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten im Handwerk informieren. Also die Darstellung von Alternativen zum Studium.

Gibt es konkrete Zahlen aus Ihrem Einzugsgebiet?‘
Seit der Einführung dieser Beratungsdienstleistung für Studienzweifler vor circa drei Jahren kommen im Schnitt monatlich drei bis vier Interessierte zu den Beratungsterminen in die Martin-Luther-Universität Halle–Wittenberg, oder auch direkt in die Handwerkskammer Halle. Darüber hinaus gibt es natürlich auch Anfragen per E‑Mail.

Der Beruf „Tischler“ steht an erster Stelle.

Hin und wieder verhärtet sich das Gefühl, dass Eltern, sobald sie an ihren Kleinen herumbosseln können, diese fast schon ins Studium drücken, dass aber die Alternative Handwerk nicht mitgedacht wird. Hat dieses Gefühl Bezug zur Realität? Wie ist es um das Ansehen des hiesigen Handwerks bestellt?
Dass die Eltern bei der Entscheidung der Schullaufplanung ihrer Kinder einen großen Einfluss ausüben, ist nachvollziehbar. Leider wird dabei nicht immer das tatsächliche Potenzial der Kinder berücksichtigt, was zu solchen Zweifeln führen kann. Eine Ausbildung im Handwerk als mögliche Alternative oder auch Vorbereitung auf ein technisches Studium spielt insbesondere bei Gymnasiasten kaum eine Rolle. Hier fehlt es an Aufklärung und praktischen Erfahrungen. Dazu kommt, dass momentan noch die Berufsorientierung an Gymnasien mancherorts Reserven hat. Aufgrund der demografischen Entwicklung sind die Schulabgängerzahlen in den vergangenen Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Das hat Einfluss auf die Bewerberzahlen für die duale Ausbildung. Unter dem Druck der Fachkräftesicherung musste das Handwerk reagieren und neue Anreize schaffen, um die Attraktivität einer handwerklichen Ausbildung aufzuwerten. Hierbei werden unter Anderem während der Ausbildung zusätzliche „Boni“, wie zum Beispiel eine Kostenbeteiligung bei der Führerscheinausbildung, Prämierung besonderer Leistungen etc. angeboten. Insgesamt haben sich das Ansehen und die Akzeptanz des Handwerks in den vergangenen Jahren positiv entwickelt.

Handwerk ist wichtiger denn je, schließlich geht das andauernde Groß- und Neuproduzieren schlussendlich auf Kosten der Zukunft. Die Ressourcen werden knapper. Ein Schuh vom Schuhmacher, der auch immer wieder mal neu besohlt wird, hält einfach länger als ein Alle-Vierteljahr-Neukauf-Turnschuh. Wie reagieren Studierende auf Ihr Angebot?
Bisher war die Resonanz sehr positiv. Viele Studentinnen und Studenten hinterfragen die Theorielastigkeit ihres Studiums und suchen praktische Herausforderungen. Erwähnenswert ist, dass der Beruf „Tischler“ an erster Stelle steht. Man wolle nach dem bisherigen Leben mit der Theorie endlich mal „was“ mit den Händen machen, und da ist bei vielen, mit denen ich reden durfte, der Tischlerberuf die beste Wahl.

Wann findet denn mal wieder Beratung statt? Und wo?
Wir haben mit der Martin-Luther-Universität Halle eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen, die es uns ermöglicht jeden zweiten Dienstag im Monat vor Ort im „Löwengebäude“ Beratungen für Studienzweifler durchzuführen. Diese Termine werden zusätzlich in den Medien, wie z.B. Facebook oder der Homepage der Handwerkskammer Halle (Saale), veröffentlicht. Darüber hinaus bieten wir aber auch Beratungstermine in der Handwerkskammer Halle (Saale) direkt an.

Im Handwerk gibt es beste karrierechancen.

Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie, Herr Fengler, Ihre Ausbildungszeit in der Betriebsberufsschule (BBS) „Wilhelm Pieck“ des VEB Waggonbau „Werk der Jugend“ Ammendorf erlebt. Wie hat sich Ausbildung verändert seit dieser Zeit? Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre eigene Ausbildungszeit?
Woher haben Sie denn diese Information her? Aber wirklich: Ich habe meine Ausbildung als Maschinen- und Anlagenmonteur mit Abitur im Waggonbau Ammendorf absolviert. Diese Ausbildung verlief ähnlich unserem jetzigen dualen System, also im Wechsel: Praxis im Unternehmen und die Theorie in der Berufsschule. Die Ausbildungsstätte war gleichsam für die Praxis- und Theorievermittlung und dem jeweiligen Unternehmen zugeordnet. Ab dem zweiten Ausbildungsjahr ging es ins Hauptwerk, und man durchlief verschiedene Abteilungen und Fachbereiche. Hierbei wurde man am „Produkt Langstreckenpersonenwagen“ eingesetzt und konnte die Grundlagen aus dem ersten Lehrjahr schon mit umsetzen. Nach drei Jahren Ausbildung und den Facharbeiter- und Abiturprüfungen hatte ich den Facharbeiterbrief als Maschinen- und Anlagenmonteur und das Abitur in der Tasche. Dieses Abitur ist in der heutigen Zeit mit einem „Fachabitur“ vergleichbar.

Nun geht es ja nicht nur um Studienzweifler oder Studienabbrecher. Es geht ja auch ganz besonders um ein gesellschaftliches Klima, welches Menschen, die nicht zur akademischen Schicht gehören – aber die wichtigen Arbeiten vom Backen, Fleischern, Klempnern oder der Arbeit als Schuhmacher, Friseurin etc pp. machen –, Akzeptanz und Würde zukommen lässt. Was kann eine Handwerkskammer da tun?
Ja, wir brauchen eine stärkere gesamtgesellschaftliche Akzeptanz der dualen Ausbildung, zum Beispiel im Handwerk. Hier gibt es beste Karrierechancen. Das Handwerk leistet bundesweit Aufklärungsarbeit und die Handwerkskammer Halle insbesondere für unsere Mitgliedsunternehmen. Dies geschieht im Rahmen von Berufsorientierungsveranstaltungen, aber auch in den Schulen verschiedener Schulformen. Wir gehen zu Elternabenden, Messen, in Kindergärten. Mit hoffentlich wieder großer Resonanz führen wir im April 2018 zum dritten Mal den Aktionstag “Hände hoch fürs Handwerk“ durch. Dabei werden Schülerinnen und Schüler, eine Person aus dem öffentlichen Leben und ein Betrieb aus dem Handwerk zu einem „Kurzpraktikum“ zusammengeführt. Vielleicht berichten Sie ja in der StäZ?

Ha, da kann ich natürlich noch nichts dazu sagen, Herr Fengler. Deshalb weiter mit meinen Fragen: Wenn Sie beraten, beraten Sie ja bestimmt auch zu Fördermöglichkeiten. Welche Möglichkeiten haben Abbrecher denn überhaupt prinzipiell?
Leider gibt es derzeit keine Förderung. Da die Betriebe aber alle Fachkräfte suchen, sollte auch ohne Förderung problemlos ein Vertrag zu schließen sein.

Wird sich das starre Nachweissystem ändern? Ich meine dieses: Du bekommst den Job nur, wenn Du uns dies und jenes Zertifikat (oder den und den Studienabschluss) bringst – und nicht Deine eigentlichen Kompetenzen sind entscheidend. Ist da etwas in Bewegung?
Ein Berufsabschluss ist ja keine Gängelei, sondern Nachweis einer erfolgreich absolvierten Ausbildung. Ich jedenfalls bin froh, wenn an meinem Auto oder meiner Heizung ein Fachmann schraubt, der, wie man so sagt, sein Handwerk gelernt hat.

Danke, Herr Fengler, für Ihre Antworten.

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