Bobo: „Musik macht mich glücklich!“

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Sängering Bobo, Foto: Jarek Raczek

Wenn Halle auch manchmal vom Hintergrundtosen der Konzertgroßmetropolen Berlin und Leipzig übertüncht wird, bietet unsere Stadt doch allein durch ihre Unaufgeregtheit und ihren Charme Möglichkeiten, konzentriert an Musik zu arbeiten. Schließlich wird hier nicht jeder Proberaumpups sofort in der SPEX zerredet, hier ist noch Luft und Muse. Bobo, die schon vor Dezenarien riesige Hallen mit ihrer Band Bobo In White Wodden Houses füllte, probt hier und hat hier Rückzugsraum. Was sie gerade ausbrütet, hat sie StäZ-Mitarbeiter Volly Tanner verraten. Und auch, wo sie nie hingehen würde in Halle:[ds_preview]

 

Guten Tag, Bobo. Du hast gerade Dein neues Album, welches im Frühjahr 2018 erscheint, in Halle aufgenommen. Dein musikalischer Partner Herzfeld lebt ja hier. Ich hörte etwas von: Acoustic Ambient. Was ist das denn? Schubladen haben ja Sinn – aber ich habe keine Ahnung, was das sein soll.

Ja, bester Volly, das ist ne gute Frage. Wo hast Du das eigentlich gehört? Ich dachte, ich hätte das nur undercover in meine Itunes-Sammlung geschrieben. Acoustic Ambient ist ja eigentlich ein kleiner Gegensatz in sich, da man Ambient eher aus der elektronischen Musik kennt, die sphärisch ist und mit spacigen Effekten spielt, und wir ja alles auf akustischen Instrumenten spielen. Aber die Wirkung ist vielleicht ähnlich, und die Lieder schwingen sich auch oft allmählich zu ausladenden Instrumentalparts auf. Und so kam ich wahrscheinlich auf Acoustic Ambient. Ich suche selbst immer mal wieder nach passenden Schubladen, aber das ist bei uns scheinbar nicht so leicht. Einfacher wäre vielleicht sowas wie: „Hörer hörten auch: Weltmusik, Kunstlieder, Radiohead, Björk, Philipp Glass, Rammstein, Bobo in White Wooden Houses …“. 

Herzfelds Arrangements klingen alleine schon wie ein Soundtrack.

Unsere Musik ist vor allem von Herzfelds Kompositionen und den Sounds, die er aus dem präparierten Klavier, Harmonium und diversem Schlagwerk zaubert, geprägt. Von seiner Harmonik und eher unkonventionellen Rhythmik, fast alles im 5/8 oder 11/8 Takt zu spielen. Seine Arrangements klingen alleine schon wie ein Soundtrack. Und seit einiger Zeit spielen wir im Trio mit dem Akkordeonisten Yegor Zabélov, mit dem uns die Macher des Akkordeon-Festivals Akut ein musikalisches Date arrangiert hatten. Das war damals so etwas wie Liebe auf den ersten Ton. Yegor kommt aus der weißrussischen Off-Szene, ist ein Virtuose auf seinem Instrument, spielt aber auch sehr unkonventionell und hat seinen ganz eigenen Sound. Zu ihm passt Acoustic Ambient wirklich! Und obendrauf darf ich mit meinem Gesang schweben. Aber das Herz, das in diesem Klangkörper schlägt, ist immer die Poesie, die Texte, die von Dichtern wie Eichendorff, Goethe, Rückert, Rilke und unbekannteren Dichtern aus der Zeit der Romantik, stammen. Und eine kleine Volksliedanarchie ist auch auf dem neuen Album wieder dabei! Also sagen wir einfach … Romantik Roots.

 

War es kompliziert mit einem Weißrussen aufzunehmen? Belarus ist doch, seit Aljaksandr Lukaschenka dort Staatschef ist – seit 1994 –, recht abgeschnitten vom freien Konsens. Oder trügt mich da mein Fastwissen? 

Ich kenne mich da auch nicht so richtig aus. Wir reden nicht so viel darüber wie wir damals im Osten. Aber die Zusammenarbeit ist total unkompliziert. Er steigt in Minsk in einen Zug und ist 24 Stunden später bei uns. Er nimmt den langen Weg immer locker, und wir trinken schnell einen Kaffee und stürzen uns dann gleich in die Musik.

 

Du bist, man mag es kaum glauben, schon mehrere Jahrzehnte im musikalischen Geschäft. Selbst Deine Tochter, die wir schon in klein, damals im Video zu „Königskinder“ sehen konnten, ist mittlerweile erwachsen und singend. Wie ist Bobo ohne Musik? Geht Bobo ohne Musik überhaupt? 

Wenn mich manchmal jemand fragt: „Na, was macht die Musik?“, dann fällt mir immer dazu ein: „Sie macht mich glücklich!“ Und dafür bin ich wirklich dankbar. Auch wenn ich nach außen hin längst nicht mehr so erfolgreich bin wie in den Neunzigerjahren, füllt mich das Musikmachen jetzt auf ganz andere Weise aus. Die Anspannung, mit der das Musikmachen früher manchmal verbunden war, ist weg. Singen, Gitarrenspielen, Kommunizieren: Das alles ist einfacher geworden. Und ich bin seit vielen Jahren auch Stimmbildnerin und Vocalcoach, an den Wochentagen arbeite ich mehrere Stunden am Tag mit SchauspielerInnen und SängerInnen und Leuten, die ihre Stimme und ihr Körperbewusstsein entwickeln wollen oder einfach nur aus Spaß an der Freude singen. Das ist für mich sehr erfüllend, weil mich die Kunst des Singens und der physische und emotionale Aspekt der menschlichen Klangerzeugung schon mein Leben lang interessiert hat. Also Bobo ohne Musik wird es nie geben, das weiß ich sicher.

Tim Schallenberg hat mich zu einigen meiner schönsten Lieder inspiriert. 

Am 02.12.2017 ist Dein Weggefährte Tim Schallenberg von uns gegangen. Kannst Du all den Unwissenden etwas über ihn erzählen? Nur wenn über Menschen erzählt wird, bleiben diese ja in den Herzen. Wer war Tim Schallenberg und was verband Dich mit ihm? 

Tim war der Bassist unserer Band Alaska, mit der ich 1998/99 ein Album aufgenommen habe, das aber leider nie veröffentlicht wurde. Die ganze Geschichte kann ich Euch jetzt hier nicht erzählen, warum das Album nicht erschienen ist, aber im Nachhinein tut es mir leid, dass wir als Band damals nicht mehr darum gekämpft haben. Ich will es jetzt nochmal angehen, eine kleine Auflage zu drucken, in liebevollem Andenken an Tim. Ich weiß, dass das Album ihm sehr viel bedeutet hat und es für ihn eine seiner wichtigsten musikalischen Arbeiten war. Er hat alle Songs mit seiner bittersüßen Melodik und seiner grungigen Art zu spielen zu dem gemacht, was sie sind. Und mich hat er zu einigen meiner schönsten Lieder inspiriert. Er war ein ganz besonderer Mensch, und ich habe ihn für die Größe, mit der er sein letztes Lebensjahr gemeistert hat, sehr bewundert. Er war trotz der langen Therapie bis zuletzt wunderschön, seine Augen, seine Stimme strahlten ein große Wärme und Ruhe aus. Bei unserem letzten Zusammensein, in der Woche, bevor er von dieser Welt gegangen ist, hat er nochmal die Gitarre geholt und mir noch ein paar schöne Griffe von einem Lied gezeigt, das ich jetzt leider ohne ihn spielen muss. Ich vermisse ihn sehr.

 

Wenn Du in Halle bist, dann bist Du ja nicht nur mit Herzfeld am Musizieren, sondern bestimmt auch mal unterwegs. Welche Orte sind Dir in Halle die liebsten? Und warum?

Also, ich komme immer echt gerne nach Halle. Es ist ja auch so eine Art Heimatstadt für mich, obwohl ich als Kind die Bagger von Ferropolis habe quietschen hören. Meine Lieblingsorte sind: das Wehr in der Saale, weil ich Wasser liebe, überall; das NeisTonstudio in der Händelstraße: mein Lieblingsstudio in Halle; die ganze Gegend um die Burg herum; Kröllwitz: hat noch den Hauch von früher, und der Fluss ist nahe; das Objekt 5: ich mag den Laden sehr, all die Erinnerungen an tolle Konzertabende, das Restaurant mit Garten, gutes Essen; das Café Rosenburg: schöne Lage am Platz unter Bäumen, alternativer Style, schöner Ofen mit echtem Feuer; Reichhardts Garten; die alten Häuser in der Richard-Wagner-Straße: da kommen Heimatgefühle auf; Neues Theater: ich liebe es, im Theater zu proben und zu spielen, ich mag die Stimmung dort, habe dort sehr gute Inszenierungen gesehen, vor allem im Puppentheater.

 

Und welche Orte würdest Du versuchen zu umgehen? 

Ich versuche allen Orten auszuweichen, wo sich der Kommerztrash ausbreitet und wo Leute roh und lieblos mit der Umgebung umgehen.

 

Am 28.04.2018 sind Herzfeld und Du im Neuen Theater Halle am Verschwenderisch-mit-Musik-umgehen. Warum habt Ihr Euch fürs nt entschieden? 

Mit der Band habe ich immer am liebsten im Objekt 5 gespielt, mit Herzfeld & Zabélov passt sicher das Theater am besten. Die technischen Voraussetzungen dort sind für uns gut und die Chance, dass die Leute, die gern ins Theater gehen, auch von unserer Musik und den alten Texten berührt werden, ist ziemlich groß. Da Herzfeld lange der musikalische Leiter dort war, und wir früher öfters dort geprobt haben, ist es auch ein Heimspiel.

 

Das neue Album kommt bei Traumton Records heraus. Wer steckt denn da dahinter?

Dies wird unsere dritte Zusammenarbeit mit Traumton. Die Labelchefin Stefanie Marcus hat ein ausgeprägtes Faible für alle Arten experimenteller Musik, Jazz und Weltmusik und hat uns damals auf das Label genommen, gleich nachdem sie nur die ersten Takte des ersten Liedes gehört hatte.

 

Danke, Bobolina, für Deine Antworten. 

War mir ein Vergnügen. Danke Dir, lieber Volly!

Hinter Bobo&Herzfeld stehen die Sängerin Christiane Hebold, alias Bobo, und der Komponist und Musiker Sebastian Herzfeld. Mehr zum neuen Album von Bobo&Herzfeld auf www.boboundherzfeld.de

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Dirk Dirot
6 Jahre her

Da hat man wieder Lust bekommen die alten Sachen von Bobo zu hören und ich erinnere mich gern an ihr Konzert bei BACH im Werk 2 in LE – ach du Schreck, das ist ja auch schon wieder über zehn Jahre her